Big Brother im Büro

Rund 80 Prozent der großen und mittelgroßen US-Firmen überwachen die Internet-Nutzung ihrer Angestellten regelmäßig oder stichprobenartig.

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Von
  • Almut Bruschke-Reimer

Ein Viertel der größeren US-amerikanischen Firmen hat bereits einmal einen Mitarbeiter wegen Mißbrauch von Internet oder E-Mail gefeuert. Wie eine aktuelle Untersuchung der American Management Assocation (AMA), der nach eigenen Angaben weltweit führenden Ausbildungsorganisation für Managementnachwuchs ergeben hat, kontrollieren inzwischen rund 80 Prozent der großen und mittelgroßen US-Firmen ihre Angestellten regelmäßig oder stichprobenartig bei der Nutzung von Internet, E-Mail oder Voice-Mail oder überwachen Mitarbeiter per Videokamera. Vor vier Jahren waren es gerade einmal 35 Prozent der Firmen, die zu solchen Mitteln griffen. Welche Internetseiten ihre Mitarbeiter am Arbeitsplatz besuchen, wollen 63 Prozent der Unternehmen wissen. Webseiten mit pornographischem Inhalt gelten beispielsweise als völlig inakzeptabel. Sicherheitshalber blockieren 40 Prozent der Firmen von vorne herein solche und ähnliche Angebote.

Auch wer nur E-Mails schreibt oder empfängt, kommt nicht ungeschoren davon: Er muss in 47 Prozent der Unternehmen damit rechnen, dass die Betreffzeile seiner elektronischen Nachrichten unter die Lupe genommen wird. Subtiler wird die Überwachung, wenn es um die Nutzung der Arbeitszeit geht: 43 Prozent der Unternehmen kontrollieren, welche Telefonnummern ihre Mitarbeiter wählen und wie lange sie telefonieren. 19 Prozent wollen wissen, wie lange ihre Mitarbeiter eingeloggt sind.

"Offensichtlich geht es in der Praxis gar nicht mehr darum, ob es legitim ist, Mitarbeiter zu überwachen. Die Frage lautet heute, wie fair diese Kontrolle ist", kommentiert Bradley J. Alge, Professor an der Krannert School of Management, einer Einrichtung der US-amerikanischen Purdue University, die jüngsten Untersuchungsergebnisse. Obwohl der Wissenschaftler keinen Hehl daraus macht, dass er die Überwachung für gerechtfertigt hält – "der Download großer Musikdateien für Privatzwecke könnte Online-Kunden beim Shopping beeinträchtigen" – hat er festgestellt, dass Angestellte, die auf private Surftour im Büro gehen, sich oft keiner Schuld bewusst sind: "Unsere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Mitarbeiter es während ihrer Dienstzeit erwarteten, bei der Mail- und Internetnutzung überwacht zu werden. Surfen während der Pausen betrachteten sie aber meistens als ihre Privatsache". Doch US-amerikanische Firmenchefs sehen das anders. 65 Prozent haben bereits einmal disziplinarische Maßnahmen ergriffen, wenn Mitarbeiter die Technik zu privaten Zwecken benutzten. Ein Viertel der Unternehmen handelte radikal: die betroffenen Angestellten wurden gefeuert. "In einem Raum mit gemeinsam genutzten Schreibtischen, Telearbeitern und vernetzten Computern ist es schwer, noch an eine Privatsphäre zu glauben. Privatleben ist an heutigen Arbeitsplätzen eine Illusion", beklagt Ellen Bayer von der AMA.

Rund 90 Prozent der Unternehmen informieren ihre Mitarbeiter darüber, dass eine Überwachung stattfindet. Trotzdem wissen die meisten Angestellten nicht einmal, welche Richtlinien im Unternehmen für die Nutzung von Internet und E-Mail gelten, erläutert Bradley J. Alge. Hier seien die Firmen in der Pflicht: Sie sollten zusammen mit den Mitarbeitern klare Regeln aufstellen, die allen gerecht würden und dafür sorgen, das sie den Angestellten auch bekannt seien. Auch müsse zwischen verschiedenen Berufen unterschieden werden: "Ein Büroangestellter, der Versicherungsunterlagen bearbeitet, braucht das Internet sicher nicht so sehr wie ein Finanzanalyst oder Texter". Generell sollten die Unternehmen bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter nicht übertreiben, so der Rat des Fachmanns: "Das Management darf sich nicht in die Rolle einer plumpen Informationszeitalter-Gestapo begeben". Eine Atmosphäre des Mißtrauens im Unternehmen erzeuge einen Teufelskreis: "Mitarbeiter werden dann rebellisch und finden Mittel und Wege, die strengen Vorschriften zu umgehen. Was nützt den Unternehmen die beste Kontrolle, wenn Ideen und Innovationen der Mitarbeiter dabei auf der Strecke bleiben".

Mitunter werden Mitarbeiter aber auch von Kollegen bespitzelt, die an dasselbe Netz angeschlossen sind und mit allerlei Tricks Surfgewohnheiten studieren oder Passwörter für Mailboxen ausspionieren. Mehr zum Thema "Spionage am Arbeitsplatz" lesen Sie in c't 12/2001, Seite 232 (ab Montag am Kiosk). (Almut Bruschke-Reimer) / (wst)