Bilanz: Mäßig harte Corona-Maßnahmen völlig ausreichend im Kampf gegen das Virus

Auf Basis von über 130 Staaten hat ein Forscher vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ermittelt, wie effektiv die Maßnahmen vor der Coronaimpfung waren.

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(Bild: Miguel Alegre / Shutterstock.com)

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Umfassende und offene Testungen auf das Coronavirus SARS-CoV-2 waren im Kampf gegen Covid-19 "beeindruckend erfolgreich", die Kontaktverfolgung dagegen überhaupt nicht. Das sind zwei Ergebnisse einer am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung durchgeführten Analyse zu den nicht-pharmazeutischen Maßnahmen in der Pandemie. Daraus geht aber vor allem auch hervor, dass mäßig harte Maßnahmen für 90 Prozent der Wirksamkeit aller solcher Interventionen verantwortlich sind. Das heißt, für Einschränkungen und Vorgaben, die nicht einmal halb so hart waren, wie die extremsten Vorgaben, "lagen die positiven Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die aktuelle Pandemiedynamik nahe am praktisch erreichbaren Maximum", erklärt Studienleiter Leonidas Spiliopoulos.

Seine Arbeit bestätige einmal mehr die Gültigkeit, des alten griechischen Diktums "Pan metron ariston", also "alles mit Maß", meint Spiliopoulos. Der hat für die Studie Daten aus 132 Staaten ausgewertet, die zwischen dem 15. Februar 2020 und dem 14. April 2021 erhoben wurden. Enthalten sind unter anderem Daten zu bestätigten Krankheits- und Todesfällen, Mobilitätsdaten, Testraten und den sogenannten Covid-19 Stringency Index. Damit wird die Härte von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen wie Schulschließungen, häuslicher Quarantäne, Reisebeschränkungen oder Informationskampagnen vergleichbar gemacht. Der Index geht von 0 für keinerlei Einschränkung bis 100 für extremste Einschränkungen. Untersucht hat Spiliopoulos, welche Folgen die Maßnahmen auf das pandemische Geschehen hatten.

Dass mäßig harte Einschränkungen fast die maximale Wirksamkeit erreicht haben, führt der Ökonom unter anderem darauf zurück, dass sich die Pandemiedynamik damit stark habe verändern lassen, "während die Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit sowie die wirtschaftlichen Kosten minimiert wurden". Neben den umfangreichen Tests hätten Beschränkungen für Versammlungen von mehr als 100 Personen, Quarantänevorschriften für Reisende aus Hochrisikogebieten, Informationskampagnen, Empfehlungen zur Heimarbeit ausgereicht, wenn gleichzeitig Schulen und Firmen nur gezielt geschlossen würden.

Einschränkungen der Mobilität hätten sich dagegen überraschenderweise nicht positiv ausgewirkt. Möglich sei, dass Menschen sich dadurch öfter zu Hause angesteckt haben, oder dass Verhaltensänderungen wie das Tragen von Masken, das Abstand halten und die Fahrt im eigenen Auto ausgereicht hätten. Obwohl sich die Kontaktverfolgung in seiner Studie als ineffektiv herausgestellt hat, könne sie bei deutlich geringeren Fallzahlen hilfreich sein, schreibt er noch.

90 Prozent der maximalen Effektivität von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen sei jedenfalls mit Interventionen zu erreichen gewesen, deren soziale Folgen minimal gewesen sind. Insgesamt lagen die umgesetzten Maßnahmen demnach in allen untersuchten Staaten "signifikant" über diesem nötigen Maß, schreibt Spiliopoulos. Außerdem bilanziert er, dass die Regierungen bei der Zurücknahme der Maßnahmen deutlich zurückhaltender gewesen seien, als bei deren Einführung. Er plädiert jetzt für weitere Forschung und bei ähnlichen Situationen für eine stärkere Konzentration auf freiwillige Verhaltensänderungen, etwa durch Informationskampagnen. Da umfangreiche Testkampagnen als die mit Abstand effektivste Maßnahme bestätigt wurden, empfiehlt er, künftig "stärker auf frühzeitige umfassende Tests" zu setzen. Die ganze Forschungsarbeit ist in der Fachzeitschrift BMC Public Health erschienen.

(mho)