Bit-Rauschen: Chipmangel ohne Ende, Chip-Börsengänge und ein Neuroprozessor

Die Bekämpfung des Chipmangels erhitzt die Gemüter. Globalfoundries will an die Börse. Intel fertigt eine NPU in einem halbfertigen Fertigungsprozess.

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Inhaltsverzeichnis

Die Chip-Bestandsaufnahme der US-Regierung hat einigen Staub aufgewirbelt: Wie im letzten Bit-Rauschen berichtet, befragt das US-Handelsministerium zurzeit große Chiphersteller, Distributoren und Chipkäufer. Ziel ist es, den "wahren" Bedarf zu ermitteln; unter anderem unterstellt die US-Regierung, dass manche Firmen Chips hamstern.

Diese Aktion brachte Auftragsfertiger wie TSMC in die Bredouille, weil Geheimhaltung deren wichtigste Tugend ist: Bei TSMC bestellen direkte Konkurrenten wie AMD, Nvidia und Intel, Qualcomm und Mediatek. Beim leisesten Verdacht, dass TSMC vertrauliche Informationen weitergibt, sind die Kunden weg. In Taiwan nahmen sogar die Wirtschaftsministerin und der Nationale Entwicklungsrat Stellung zu den neugierigen Fragen aus den USA.

Eine Bemerkung des TSMC-Chefs Mark Liu ließ aufhorchen: Selbstverständlich wisse man, dass manche Firmen Chips horten. Mehr wollte Liu nicht verraten, aber im Grunde ist das logisch: Wer schlau war, ahnte spätestens Mitte 2020, dass Engpässe drohen, und deckte sich ein. Wer will schon riskieren, dass er einen 4K-Fernseher für 1200 Euro nicht liefern kann, weil ein 50-Cent-Bauteil fehlt. Folglich füllten viele Firmen ihre Lager. Es ist wie bei den Klopapierkäufen zu Lockdown-Zeiten: Wo endet die vernünftige Vorsorge, wo fängt das Hamstern an? Wer vor leeren Regalen steht, hat jedenfalls schlechte Laune. Auf manche Chips, darunter simple 1-Euro-Mikrocontroller wie der STM32 des EU-Herstellers STMicroelectronics, sollen Kunden bis mindestens Mitte 2022 warten.

Für Taiwan ist die Situation besonders schwierig: Einerseits bringt die von der Regierung gehätschelte Chipbranche viel Geld ins Land und man will sich von niemanden reinreden lassen. Andererseits möchte man die Schutzmacht USA nicht verärgern – gerade dann nicht, wenn die Volksrepublik China zu ihrem Gründungstag am 1. Oktober Kampfjets Richtung Taiwan schickt.

Der US-Auftragsfertiger GF alias Globalfoundries, bisher im Besitz des arabischen Regierungsfonds Mubadala, will an die Börse – nun offiziell, nachdem jahrelang darüber spekuliert wurde. Um mit den Milliardeninvestitionen von TSMC, Samsung und Intel mitzuhalten, braucht GF viel frisches Geld. Ein IPO-Termin steht aber noch nicht fest. Auch der kleinere taiwanische Auftragsfertiger Powerchip will an die Börse – im aktuellen Nachfrageboom stehen Auftragsfertiger glänzend da.

In der EU drängt Binnenmarktkommissar Thierry Breton auf einen "European Chip Act", um die Branche zu stärken. In einem Blog-Beitrag schlägt er drei wesentliche Bereiche vor: eine EU-weite Forschungsstrategie, den Ausbau der Fertigungskapazitäten sowie Richtlinien für internationale Kooperationen.

Intel hat den Rechenbeschleuniger Loihi-2 für neuromorphe Algorithmen vorgestellt, also eine Neural Processing Unit (NPU). Loihi-2 soll rund 1 Million Neuronen nachbilden. Angeblich fertigt Intel den Loihi-2 schon jetzt mit einer Vorabversion der Fertigungstechnik "Intel 4", die eigentlich eine 7-Nanometer-Technik ist. Doch nur ausgewählte Forscher bekommen Zugriff auf eine PCIe-Karte mit Loihi-2.

Intels KI-Rechenbeschleuniger Loihi-2 simuliert bis zu 1 Million Neuronen; er entsteht in der Fertigungstechnik „Intel 4“, die 7-Nanometer-Strukturen erzeugt.

(Bild: Intel)

Allgemein lieferbar soll er erst "in ein bis zwei Jahren" sein und könnte dann auch als zusätzliche "Kachel" (Tile) auf anderen "gekachelten" Prozessoren auftauchen. Intel 4 hat damit mehrere spukhafte Dimensionen: Die Fertigungstechnik heißt anders als die Strukturbreiten erwarten lassen, und sie ist gleichzeitig verfügbar und dann doch wieder nicht.

AMD feierte im Oktober den fünften Zen-Geburtstag: 2016 erschien der erste Ryzen. Den verschmäht Windows 11 zwar, aber trotzdem sind Ryzen und Epyc klare Erfolgstypen. AMD präzisierte ein paar Ankündigungen: Die Ryzens mit aufgestapeltem Riesen-Cache kommen Anfang 2022, später im kommenden Jahr folgt die Fassung AM5 mit DDR5 und PCIe 5.0.

Während sich manche Windows-11-Interessenten über Microsofts Forderung nach einem Trusted Platform Module (TPM 2.0) im PC aufregen, taucht ein unerwarteter TPM-Befürworter auf: Open-Source-Entwickler Lennart Poettering, der etwa hinter Systemd und ALSA PulseAudio steht. Er regt an, nicht nur das TPM in den Linux-Startvorgang einzubinden, um die Sicherheit zu verbessern, sondern überhaupt mal gründlich aufzuräumen: Einige Abläufe beim Linux-Start lassen sich seiner Meinung nach deutlich verbessern, um ebenfalls die Angriffsfläche zu reduzieren. Ähnlich wie Windows BitLocker könnte etwa die Linux-Massenspeicherverschlüsselung LUKS ein TPM als zusätzlichen Schutz nutzen.

Zum Bit-Rauschen gibt es regelmäßig auch einen Podcast.

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(ciw)