Bit-Rauschen: Stockende Fördermittel, sächsische Quantenchips und Optoelektronik

Die in den USA und der EU angekündigten Subventionen für Chiphersteller fließen zögerlich. In Leipzig baut man Quantenrechner und RISC-V lahmt.

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Ohne Geld keine Party: Eigentlich wollte Intel im Juli 2022 den ersten Spatenstich für die neue Halbleiter-"Gigafab" in Ohio feiern, die 2025 laufen soll. Doch weil der US-amerikanische "CHIPS Act" – also das Gesetz zur Förderung der heimischen Halbleiterindustrie – noch immer nicht verabschiedet ist, sagte Intel die Feier ab. Man warnt sogar, der Bau in Ohio könne sich verschieben, wenn sich der Geldhahn nicht wie erwartet öffnet.

Ähnliches war auf dem 16. Silicon Saxony Day in Dresden zu hören. Auch das Chip-Fördermittelpaket der EU ist noch nicht verabschiedet und die Stiftung Neue Verantwortung aus Berlin nennt einige Gründe, weshalb es sogar noch scheitern könnte. Dann drohen auch bei Intel in Magdeburg Verspätungen. Und Intel ist ja bei Weitem nicht die einzige Chipfirma, die in der EU hohe Investitionen plant, auch Globalfoundries sowie viele kleinere Firmen warten auf Zusagen für eingereichte Projekte.

Auch Intels Forschungsabteilung Intel Labs hat an einigen Förderprojekten mitgearbeitet, etwa zu Siliziumphotonik. Dabei geht es um optoelektronische Bauelemente wie Laserdioden (als Sender) und lichtempfindliche Dioden (als Empfänger), die sich mit möglichst wenig Aufwand in CMOS-Logikchips auf Siliziumwafern integrieren lassen. Nun präsentierten die Intel Labs ein achtkanaliges Laser-Array, das Lichtwellenleiter im Silizium nutzt. Ob und wann diese Technik in Serienprodukten zum Einsatz kommen wird, lässt Intel dabei offen. Das ist bedauerlich, auch weil der Autor dieser Zeilen schon seit 2004 immer wieder über beeindruckende optoelektronische Erfindungen der Intel Labs berichtet hat, von denen aber keine jemals in einem Prozessor oder anderem Logikchip auftauchte. Außer bei Glasfaser-Netzwerktechnik und in Spezialbereichen tut sich Optoelektronik letztlich oft schwer, weil es am Ende dann doch mit klassischen elektrischen Verbindungen billiger geht.

Dieser Acker in Ohio bleibt länger Acker als gedacht: Solange die Subventionsquelle nicht sprudelt, hält Intel die Bagger zum Bau der Chipfabrik zurück.

(Bild: Intel)

Neue Anwendungen für Photonik hat das junge Berliner Unternehmen Akhetonics im Blick: Es entwickelt logische Gatter, die rein optisch funktionieren. Weil folglich keine herkömmlichen CMOS-Transistoren schalten, sind extrem hohe Taktfrequenzen bis in den Terahertz-Bereich denkbar. Akhetonics arbeitet an einem photonischen Chip mit einfachem RISC-Prozessorkern, um das Potenzial der Technik zu zeigen. Zur Fertigung sind aber spezielle Materialien nötig, hier geht es zunächst nicht um CMOS-Silizium-Integration.

Die Firma SaxonQ aus Leipzig wiederum arbeitet an einem Quantencomputer, der ohne Tiefkühlung auskommt und sogar in ein Fahrzeug passen würde – eine Art Quanten-Notebook. Herzstück ist ein Chip mit einer Diamantschicht, in die per Ionenimplantation sogenannte NV-Zentren eingebracht wurden. Letztere bestehen aus Stickstoff-Atomen (Nitrogene) und Fehlstellen (Vacancies) und kommen auch in Quantensensoren zur Magnetfeldmessung zum Einsatz.

SaxonQ will schon bis zum Jahresende erste Geräte ausliefern, die allerdings zunächst nur vier oder acht Qubits haben. Weil der Diamantchip austauschbar ist, lassen sich die Geräte aufrüsten – schon bald sollen 16 Qubits und danach weitere Verdopplungen folgen.

Auch die Firma XeedQ – ebenfalls in Leipzig ansässig – plant einen Schreibtisch-Quantencomputer, den XQ1. Er hat "4+" Qubits; vielleicht ist das Pluszeichen schon ein Hinweis auf Quantenrechnerei, wo es ja nicht um absolute Genauigkeit geht, sondern um Wahrscheinlichkeiten. Immerhin scheint klar zu sein, dass es um "4+" und nicht "4–" Qubits geht.

Ebenso wie Quantenrechner und Siliziumphotonik sind RISC-V-Prozessoren eine jener Erfindungen, die seit Jahren kurz vor dem Durchbruch zu stehen scheinen. Zumindest gilt das für Linux-taugliche Allzweck-Rechenkerne nach der RISC-V-Spezifikation RV64GC, die sowohl bezahlbar sind als auch wenigstens so schnell wie ein Raspi 4 rechnen. Die chinesischen Firmen DeepComputing und Xcalibyte versprachen kürzlich in einer etwas dubiosen Pressemitteilung das angeblich erste RISC-V-Notebook "ROMA" für Programmierer, ohne aber den eingebauten Chip oder auch nur den Preis zu verraten. Doch das Notebook soll sich angeblich bestens für Web3-Techniken wie Non-Fungible Tokens (NFTs) und Augmented Reality (AR) eignen und bei den ersten 100 Bestellungen gibt es ein NFT gleich dazu – das wirkt nicht gerade seriös.

Bleibt zu hoffen, dass nun wirklich bald erste RISC-V-SoCs mit integrierter GPU erscheinen, die ein paar Gigabyte RAM und PCIe-Komponenten anbinden können – und zwar zu attraktiven Preisen. Außer dem StarFive JH7110, der vielleicht auf einem BeagleBoard zu haben sein könnte, ist auch der LeapFive NB2 interessant, zumindest von seiner Papierform her: Wie der JH7110 kombiniert er vier CPU-Kerne mit einer GPU.

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(ciw)