Briefzustellung im Digitalzeitalter: Neues Postgesetz verlängert Zustellzeiten

Briefe verlieren an Bedeutung – ein Reformvorschlag für das Postgesetz sieht nun längere Zustellzeiten vor. Das soll Kosten und CO₂-Belastung senken.

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(Bild: Lutsenko_Oleksandr/Shutterstock.com)

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Im Zeitalter des Web und allseitiger Digitalisierung wirken Briefe veraltet – zugestellt werden müssen sie trotzdem weiterhin. Doch dabei soll der Deutschen Post künftig mehr Zeit zugestanden werden. Das Bundeswirtschaftsministerium stellte am Freitag einen Reformvorschlag zum Postgesetz vor, demzufolge die Post weniger Zeitdruck bei der Beförderung von Briefen haben soll, schreibt dpa.

Bisher muss die Deutsche Post mindestens 80 Prozent der eingeworfenen Schreiben am folgenden Werktag zustellen. Diese Vorgabe soll wegfallen. Stattdessen soll die Post mindestens 95 Prozent der Briefe am dritten Werktag nach Einwurf bei den Empfängern abgegeben haben. Am vierten Werktag sollen es 99 Prozent sein. So einen hohen Pflichtwert gibt es bisher nicht. Er dürfte die Firma aber nicht vor ernsthafte Probleme stellen.

Mit dem geringeren Zeitdruck kommt das Ministerium dem Konzern entgegen, der dadurch Kosten senken und auf seine Nachtflieger verzichten kann, die zur Briefbeförderung durch Deutschland fliegen und das klimaschädliche Gas CO₂ ausstoßen. Im Digitalzeitalter sinkt die Briefmenge seit langem, da die Menschen immer stärker auf elektronische Kommunikation setzen. Jahrelang war die Menge um zwei bis drei Prozent gesunken. Diese Entwicklung hat sich zuletzt beschleunigt. Im bisherigen Jahresverlauf verbuchte die Post bei der Anzahl der beförderten Briefe ein Minus von rund sechs Prozent.

Während die Menge sinkt, bleiben die Kosten etwa gleich. Schließlich muss der Konzern als sogenannter Universaldienstleister überall in Deutschland Briefe zustellen und einen entsprechenden Fuhrpark sowie Briefkästen und Filialen unterhalten. Andere Firmen haben so eine Pflicht nicht.

Das Postgesetz wurde zuletzt 1999 umfassend reformiert – also in einer Zeit, in der das Internet für viele Menschen keine Rolle spielte und Briefe noch häufig für Geburtstagsgrüße oder Einladungen genutzt wurden. Heute hat sich so eine Kommunikation weitgehend auf die digitalen Wege verlagert.

Etwas aufgeweicht werden soll die Präsenzpflicht: Zwar soll es auch künftig mindestens 12.000 Postfilialen geben – meistens geht es um Supermärkte oder Kioske mit Postschalter. Auch größere Dörfer sollen weiter einen Standort des Konzerns haben. Bisher kann der Postkonzern DHL aber Automaten, an denen man Briefmarken kaufen und Pakete abgeben oder abholen kann, nicht auf diese Präsenzpflicht anrechnen. Das soll in bestimmten Fällen möglich sein. Allerdings braucht es dafür die Zustimmung der Bundesnetzagentur.

Die Bonner Aufsichtsbehörde soll künftig mehr Mittel haben, um gegen etwaige Missstände des Logistikers vorgehen zu können. Bisher kann sie keine Buß- und Zwangsgelder gegen den Universaldienstleister verhängen – das soll in Zukunft möglich sein. Im vergangenen Jahr hatten sich so viele Bürger bei der Netzagentur über Qualitätsdefizite der Post beschwert wie nie, etwa über verspätete oder falsch abgegebene Sendungen. Die Firma begründete die Mängel mit Personalengpässen. Angesichts der Beschwerdewelle hatte Netzagentur-Chef Klaus Müller eine Sanktionsmöglichkeit gefordert. Diese soll seiner Behörde eingeräumt werden.

Wie teuer der Versand unterschiedlicher Briefarten sein wird, wird nicht in dem Gesetz geregelt. Hierfür legt das Gesetz nur gewisse Leitplanken fest – die Netzagentur legt einen Erhöhungsspielraum fest, den die Post dann nutzen kann. Ein Teil des Gesetzesvorschlags könnte dennoch eine Rolle spielen, wenn die Post ihr Porto zum Januar 2025 erhöhen will. Denn es gibt eine Art Notbremse. Die würde verhindern, dass bei der nächsten Anhebung das Porto für einen Standardbrief von 85 Cent auf mehr als einen Euro steigen würde.

Außerdem macht das Ministerium den Vorschlag, dass schwere Pakete gekennzeichnet werden müssen, damit sich Paketboten beim Ausladen nicht verschätzen und bei zu großer Last Rückenprobleme bekommen. Die Gewerkschaft Verdi hatte sich für eine ähnliche Regel starkgemacht. Der Ministeriumsvorschlag soll noch vor Weihnachten durchs Bundeskabinett. Im Frühjahr könnte die Reform abgeschlossen sein.

Der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums zur Reform des Postgesetzes stößt bei der Gewerkschaft Verdi jedoch auf Kritik. Die Regeländerung würde zu einer "massiven Gefährdung" von Tarif-Arbeitsplätzen führen, teilte die Vize-Chefin der Gewerkschaft, Andrea Kocsis, am Samstag in Berlin mit. Dabei bezog sie sich auf einen Paragrafen, dem zufolge die Pflicht zur möglichst schnellen Briefbeförderung aufgeweicht werden soll. Das Ministerium will, dass der größte Teil der heute eingeworfenen Briefe nicht schon am nächsten Werktag ankommen müssen, sondern erst am dritten Werktag – dadurch hätte die Post weniger Zeitdruck und könnte Kosten senken.

Verdi befürchtet, dass mit der Kostensenkung ein Stellenabbau verbunden wäre. Die geplante Laufzeit-Änderung lehne man entschieden ab. "Wir fordern Bundesregierung und Bundestag dringend auf, das Gesetz nachzubessern", sagte Kocsis.

Positiv wertet die Gewerkschaft hingegen den Plan, dass Pakete ab einem Gewicht von zehn Kilogramm künftig gekennzeichnet werden müssen. Dann können Paketboten die Last besser einschätzen und das Risiko von Rückenschäden sinke. "Das ist der erste Schritt für mehr Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz", sagte die Gewerkschafterin.

"Unzureichend und realitätsfern ist jedoch die Möglichkeit, dass Pakete, die ein Einzelgewicht von 20 Kilogramm übersteigen, in der Ein-Personen-Zustellung bleiben, wenn ein geeignetes technisches Hilfsmittel zur Verfügung gestellt wird." Eine Sackkarre reiche nicht aus, um die Gesundheit zu schützen. Pakete, die mehr als 20 Kilogramm wiegen, sollten immer von zwei Personen ausgeliefert werden, fordert Verdi.

(tiw)