Bürgerrechtler klagen gegen Handy-Datenauswertung bei Asylbewerbern

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert mehrere gerichtliche Einsprüche gegen den Behördenzugriff auf Handys und andere Datenträger von Asylbewerbern.

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Bürgerrechtler klagen gegen Handy-Datenauswertung bei Asylbewerbern

(Bild: Sitthiporn Kongtee/Shutterstock.com)

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Die Analyse von Daten aus Mobiltelefonen und anderen portablen Datenträgern von Asylbewerbern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist nach Ansicht von Bürgerrechtlern ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat deshalb zusammen mit drei Betroffenen und deren Anwälten am Montag mehrere verwaltungsgerichtliche Klagen eingereicht. "Das BAMF missachtet die hohen verfassungsrechtlichen Vorgaben, an die der Staat beim Zugriff auf persönliche Daten gebunden ist", begründet die GFF-Juristin Lea Beckmann die Klagen.

Zu den Klägern gehört Mohammad A., den die Behörden 2015 als Flüchtling anerkannten. 2019 überprüfte das BAMF laut GFF ohne Anlass alte Asylentscheidungen, wobei es routinemäßig auch das Smartphone des 29-Jährigen auswertete. "Ich wusste überhaupt nicht, was da genau passiert, man hat mir nichts erklärt", zitiert die GFF den Betroffenen. "Aber ich hatte Angst, abgeschoben zu werden." Also habe er das Handy dem Mitarbeiter gegeben: "Das war, als würde ich mein ganzes Leben über den Tisch reichen." Die ursprüngliche, positive Entscheidung im Asylverfahren erhielt das Amt aufrecht.

Das BAMF darf Handy-Daten seit einer Reform des Asylgesetzes im Jahr 2017 auswerten, um die Ausreisepflicht besser durchsetzen zu können. Mitarbeiter können auf dieser Basis unter anderem Mobiltelefone, Laptops, Tablets und USB-Sticks von Asylbewerbern ohne Richtergenehmigung auslesen, um deren Identität und Staatsangehörigkeit festzustellen. Die Regel greift, wenn ein Migrant keine Ausweispapiere vorlegen oder Name und Herkunft nicht anderweitig nachweisen kann.

Analysiert werden dürfen etwa Kontakte, ein- und ausgehende Anrufe und Nachrichten, Browserverläufe, Geodaten aus Fotos sowie verwendete E-Mail-Adressen und Benutzernamen auf Plattformen wie Facebook oder Booking.com. Ein konkreter Verdacht, dass die asylsuchende Person über ihre Identität oder ihr Herkunftsland lügt, ist nicht erforderlich. Laut einer GFF-Analyse ist diese Datenträgeruntersuchung kostspielig, intransparent und bringt kaum verwertbare Ergebnisse.

Für die Bürgerrechtler und die Kläger ist die Maßnahme letztlich verfassungswidrig. Sie verletzte das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme. Zudem will die GFF dafür sorgen, eine "Rechtsschutzlücke" zu schließen: Die Betroffenen hätten auch jenseits von Sprachbarrieren praktisch keine Möglichkeit, sich zu wehren. Sie seien über ihre Rechte in Deutschland kaum informiert und müssten fürchten, ein Widerspruch könnte sich negativ auf ihr Asylverfahren auswirken. Nur das Bundesverfassungsgericht könne das entsprechende Gesetz kippen. Der Weg dahin sei aber langwierig und kostspielig. Für die einzelne Person komme Hilfe dann längst zu spät. (vbr)