Erdgas: "Auf einen milden Winter sollten wir uns nicht verlassen"

Anders als vor diesem Winter befürchtet, ist in Deutschland kein Gasmangel eingetreten. Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller gibt aber keine Entwarnung.

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Detail aus dem Gasspeicher Nüttermoor bei Leer in Ostfriesland.

(Bild: EWE Gasspeicher)

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Das Ende des Winters 22/23 naht, ein vorher befürchteter Gasmangel ist in Deutschland nicht eingetreten, die Gasspeicher sind gut gefüllt. Dennoch mahnt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, weiter Gas einzusparen. Es gebe einige Faktoren, die zu einer entspannteren Lage geführt hätten, doch auf die könnten wir uns mit Sicht auf den nächsten Winter nicht verlassen, sagte Müller dem Deutschlandfunk.

Der milde Winter sei ein "ganz, ganz wichtiger Effekt", vermutlich besonders für die privaten Haushalte, erläuterte Müller. Generell haben die Menschen in Zeiten, zu denen es vergleichsweise mild war, verglichen mit dem Vierjahres-Vordurchschnitt überproportional gespart. "In den Wochen, in denen es in diesem Winter eher kalt war, waren wir weit entfernt von Sparquoten, die wir uns gewünscht haben." Die Industrie verhalte sich anders, dort gebe es wohl strukturelle Anreize wie den Preiseffekt vor allem im Sommer und im Herbst.

Zudem sei in Deutschland in den vergangenen Monaten viel geleistet worden, um die akute Energiekrise in den Griff zu bekommen. Die Einsparungen hätten die Preise gedämpft, es gebe nun die ersten LNG-(Flüssiggas-)Terminals. Die nun bessere Versorgungslage sei im vorigen Jahr noch nicht absehbar gewesen, sagte Müller. Auf die Frage, ob die neue LNG-Infrastruktur, die für 100 Milliarden Kubikmeter ausgelegt sei, überdimensioniert sein könne, sagte Müller, sie sei nicht nur für Deutschland gedacht, sondern auch für Nachbarländer, die keine solchen Terminals bauen können. Zudem könnten die Winter in Mitteleuropa auch wieder kälter werden als der gegenwärtige.

Fatih Birol, Chef der Internationalen Energiebehörde (IEA), warnt, die LNG-Terminals könnten möglicherweise nicht gefüllt werden. 2023 sei die gesamte Menge des neuen LNG, das zusätzlich auf den Markt kommen werde, mit 23 Milliarden Kubikmetern sehr gering. Zudem sei zu erwarten, dass das zuletzt wirtschaftlich schwächelnde China als großer LNG-Importeur zurückkomme, es könne sich LNG bereits vertraglich gesichert haben, sagte Birol laut Reuters.

Auch der IEA-Chef verwies auf den milden Winter, die Europäer hätten zwar viele gute Entscheidungen getroffen, aber auch Glück gehabt. In Europa und andernorts sieht Birol ein Comeback der Atomkraft, zum Beispiel in Belgien. Belgien hatte ursprünglich bis 2025 aus der Atomkraft aussteigen wollen, verlängert aber nun AKW-Laufzeiten. "Die Länder, die sich in den vergangenen Jahren von der Atomkraft verabschieden wollten, sollten schauen, ob dies die beste Zeit ist, das zu tun", sagte Birol dazu. Für den nächsten Winter würden alle Energiequellen gebraucht.

Zum Thema Atomkraft in Deutschland habe der Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz walten lassen, dazu sei alles gesagt, erklärte Müller. Seine Behörde habe geprüft, unter welchen Annahmen Deutschland ab Mitte April 2023 wie vorgesehen auf Atomstrom verzichten und bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen könne. Wichtig sei, die Erneuerbaren Energien voranzubringen und den Netzausbau. Um die gegenwärtige Möglichkeit zu berücksichtigen, dass das Netz überlastet sein könnte, gebe es einen von seiner Behörde ausgearbeiteten Vorschlag dafür, wie Strom rationiert werden kann.

Laut dem jüngsten Vorschlag der Bundesnetzagentur soll dabei ein Mindeststrombezug immer gewährleistet bleiben. Eine wichtige Voraussetzung für gelenkte Stromrationierung sei die Digitalisierung der Stromnetze, meinte Müller. Der Gesetzentwurf dazu liegt derzeit dem Bundestag vor, er wurde vergangene Woche in erster Lesung debattiert und vom Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nachdrücklich befürwortet.

(anw)