Bundesrat: 1-Stunden-Löschfrist für Terrorpropaganda wird scharf sanktioniert

Bei Verstößen gegen die EU-Pflicht, terroristische Inhalte unverzüglich zu entfernen, drohen selbst kleineren Providern Strafen bis zu 5 Millionen Euro.

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(Bild: bluesroad/Shutterstock.com)

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Der Bundesrat hat am Freitag dem umstrittenen Gesetzentwurf zur Durchführung der EU-Verordnung "zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte" mit deutlicher Mehrheit zugestimmt. Bei Verstößen gegen die mit den Vorschriften aus Brüssel verknüpften Pflicht, Terrorpropaganda binnen einer Stunde zu löschen, drohen damit selbst kleineren Providern Strafen bis zu 5 Millionen Euro. Ein erster Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium hatte sogar bis zu 50 Millionen Euro vorgesehen.

Der Bundestag beschloss die neuen Regeln bereits vorige Woche und änderte dabei den Regierungsentwurf aus dem April noch punktuell ab. Als unmittelbar geltendes Recht bedürfen die EU-Vorgaben eigentlich keiner nationalen Umsetzung. Der Gesetzgeber will zu deren Anwendung aber zusätzliche Vorgaben machen, um die Pflichten "vollständig und bundeseinheitlich zu erfüllen".

Terroristen soll es mit der EU-Initiative schwerer fallen, das Internet zu missbrauchen, um radikale Ansichten zu verbreiten, Anhänger zu rekrutieren und diese zu Gewalt aufzuhetzen. Betreiber von Online-Plattformen wie Facebook, Twitter, YouTube und Telegram müssen daher schon seit 7. Juni "terroristische Inhalte" auf Anordnung beliebiger Behörden aus einem Mitgliedsstaat unverzüglich entfernen.

Mit dem deutschen Gesetz wird das Bundeskriminalamt (BKA) "für den Erlass und die Überprüfung von Entfernungsanordnungen" in der gesamten EU zuständig sein. Es soll dafür eine Kontaktstelle einrichten und mit den zuständigen Stellen der Bundesländer zusammenarbeiten. Dafür dürfen, "soweit dies im Einzelfall erforderlich ist", personenbezogene Daten verarbeitet werden. Sind Belange des Rundfunks und vergleichbarer Telemedien betroffen, soll die zuständige Landesmedienanstalt informiert und beteiligt werden

Paragraf 6 des Gesetzes sieht einen insgesamt über 20 Punkte umfassenden Katalog an Bußgeldvorschriften vor. Ordnungswidrig handelt demnach etwa, wer einen inkriminierten Inhalt vorsätzlich oder fahrlässig "nicht oder nicht innerhalb einer Stunde nach Erhalt einer vollziehbaren Anordnung entfernt" oder den Zugang dazu nicht innerhalb dieser Frist sperrt. Dies soll etwa auch gelten, wenn die zuständige Behörde über die ergriffenen Maßnahmen "nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet" wird.

Als Ordnungswidrigkeit wird ferner definiert, wenn ein Anbieter bei einer unangebrachten Löschanordnung den Inhalt nicht rechtzeitig wiederherstellt oder entsperrt. Strafen drohen auch, wenn ein Hosting-Dienst einen Beschwerdeführer nicht über eingeleitete Aktionen informiert, keinen zuständigen gesetzlichen Vertreter benennt oder seine Nutzungsbedingungen nicht spätestens drei Monate nach Feststellung der Betroffenheit ändert.

Ordnungswidrigkeiten werden in schwereren Fällen auch bei kleineren Providern in der Regel mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro zu ahnden sein. Bei einem Konzern mit einem jährlichen Gesamtgeschäft von mehr als 125 Millionen Euro sollen bei einer systematischen oder fortwährenden Zuwiderhandlung bis zu vier Prozent des Umsatzes fällig werden. Bei der Facebook-Mutter Meta wären dann aktuell bis zu 4,2 Milliarden Euro Strafe möglich.

Zuständig für das Verhängen von Sanktionen ist die Bundesnetzagentur. Ihr soll es auch obliegen, die jährlichen Berichte der betroffenen Unternehmen zu durchgeführten Maßnahmen zu sammeln.

Der Bundesrat hatte im ersten Durchlauf Fragezeichen hinter den vorgesehenen Bußgeldrahmen gesetzt. Eine Millionenstrafe könnte sich für kleinere Unternehmen und Startups existenzgefährdend auswirken, gaben die Länder zu bedenken. Diese verfügten möglicherweise noch nicht über ausreichende Strukturen, um der kurzen Löschpflicht ordnungsgemäß nachkommen zu können. Der eco-Verband der Internetwirtschaft kritisierte die Initiative ebenfalls scharf.

Die Bundesregierung hielt dagegen, dass es sich lediglich um eine Höchstgrenze handle. Beim Festlegen der Strafe müssten auch Umstände wie "die Art und Größe" des Hosting-Diensteanbieters sowie dessen Finanzkraft berücksichtigt werden. Diese Erklärung stellte den Bundesrat offenbar zufrieden.

(bme)