Bundestag: Abgeordnete wollen kooperative Medienplattformen voranbringen

Die Parlamentarier wollen der zunehmenden Meinungsmacht von Facebook & Co. genauso etwas entgegensetzen wie der Gefahr staatlich kontrollierter Medien.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Ein dreiviertel Jahr nach seiner Veröffentlichung hat der Bundestag am Donnerstag den Medien- und Kommunikationsbericht der alten, schwarz-roten Bundesregierung von 2021 beraten. Redner fast aller Fraktionen warnten dabei vor der wachsenden Bedeutung der datengetriebenen und algorithmengesteuerten Big-Tech-Plattformen für den öffentlichen Diskurs. Zugleich verwiesen sie anhand des aktuellen Beispiels Russland auf die Gefahren staatlich kontrollierter Medien und suchten nach einem dritten Weg.

Die Digitalisierung ermögliche Vernetzung, Kommunikation und Teilhabe, werde aber zunehmend von einzelnen privaten Plattformakteuren dominiert, warnt die Regierung in dem Bericht. Diese prägten und gestalteten den öffentlichen Kommunikationsraum immer stärker. Sie böten mittlerweile nicht allein die nötige Infrastruktur, sondern bestimmten auch die Inhalte und Kuratierung maßgeblich mit. Dies reduziere die Rolle der "klassischen Medien" als Torwächter und zentrale Filter.

So verändere sich die gesamte Informationsarchitektur, konstatiert die Exekutive. Der "Plattformisierungsprozess" führe zu einer Fragmentierung der Gesellschaft. Sie wirbt daher für eine Debatte über die Schaffung eines adäquaten Rechtsrahmens, der Medienakteuren die Zusammenarbeit auch auf neuen, "kooperativen Medienplattformen" ermögliche. Nötig seien gegebenenfalls auch Anreize für eine Art EU-weites Portal, das im Streben nach einer "medialen Grundversorgung" wünschenswert sei.

Wichtige technologische Fragen für einen solchen alternativen, stärker auf das Gemeinwohl ausgerichteten Medienverbund seien noch offen, gab Daniel Schneider (SPD) zu bedenken. "Aber lassen Sie uns das voranbringen", mahnte er zur Geschlossenheit. Das Internet erleichtere grundsätzlich die Verbreitung von Inhalten. Facebook, Google, Twitter & Co. hätten sich zudem etwa nach dem Sturm aufs Kapitol oder jetzt im Ukraine-Krieg als "teils verlässliche Partner" erwiesen. Digitale Souveränität sehe aber anders aus.

Zudem förderten soziale Netzwerke Filterblasen und verzerrten den öffentlichen Diskurs, monierte Schneider. "Sie können Meinungen auch ganz verschwinden lassen." Die Politik müsse daher die "Verbreitung journalistischer Inhalte" fördern, deren Macher sich den Standards des Pressekodex verschrieben hätten. Europäische Meilensteine bei der Plattformregulierung dürften ihm zufolge zudem der Digital Services Act (DSA) und der Digital Markets Act (DMA) werden.

Auch Schneiders Parteikollege Helge Lindh setzte sich für kooperative Medienplattformen ein: "Wir brauchen ein freies Korrektiv." Es gelte daher alles zu tun, um neue Wege für Qualitätsjournalismus zu ebnen. Russische Medien verbreiteten dagegen durch den Zwang zur Regierungspropaganda "eine Scheinwirklichkeit". Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj attestierte der Sozialdemokrat zugleich eine "virtuose Nutzung von Social Media": Er schaffe es, den Aggressor als schwach und erbärmlich dastehen zu lassen.

Die angestrebten alternativen Portale sollten schon im Design auf Gemeinwohl hin orientiert werden, forderte die Grüne Awet Tesfaiesus. Guter Journalismus scheitere so wenigstens nicht mehr schon am Algorithmus. Nötig sei ein Wechsel hin zum "Netzwerkparadigma", der gemeinsam mit Ländern vorangetrieben und dabei "Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus" schaffen sollte. Eine funktionierende Medienlandschaft sei das Herz einer Demokratie. Die Politik müsse dafür sorgen, dass es auch schlägt.

Die Ampel-Koalition werde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Mediengesetzgebung einsetzen, kündigte Thomas Hacker (FDP) an. Eine gemeinsame europäische Plattform könnte für eine größere Sichtbarkeit qualitativ hochwertiger journalistischer Inhalte im Netz sorgen. Gefragt seien aber keine staatlichen Gegenmodelle zu Facebook & Co., sondern mediale Vielfalt unter Einbezug öffentlich-rechtlicher und privater Akteure.

Angesichts von Hassrede, Cybermobbing, gezielter Desinformationen und Manipulation etwa von Rechts im Netz sah Christiane Schenderlein im Namen der CDU/CSU-Fraktion "akuten Handlungsbedarf", der durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gedeckt werden könnte. Eine entsprechende Auftragsreform sei in Arbeit. Da Falschinformationen und emotionalisierte Botschaften in sozialen Netzwerken "der Kassenschlager" seien, mahnte auch ihr Fraktionskollege Maximilian Mörseburg eine Regulierung an. Diese sollte aber "von höchster inhaltlicher Neutralität geprägt sein".

Die Linke Petra Sitte plädierte für eine "neue öffentliche, aber natürlich nicht staatlich beeinflussende Medienförderung". Dieses Feld dürfe nicht den Googles und Facebooks der Welt überlassen werden in einer Zeit, wo bei Rechten und Querdenkern schon eine "richtiggehende Pressefeindlichkeit" herrsche. Eine europäische Medienplattform sei von zentraler Bedeutung, müsse aber als echter Gegenentwurf "mehr bieten" als die bestehenden Netzgrößen.

Der "Popanz der Desinformation" werde nur als Agitprop zur ideologischen Gleichtaktung von Politik und Medien hochgejazzt, empörte sich Martin Renner (AfD). Das Big-Data-Oligopol, das längst eine eigene, auch politische Agenda verfolge und zensiere, dürfe nicht durch mit "Zwangsgebühren fett alimentierte Platzhirsche" ersetzt werden: "Wir wollen keine profitorientierte Meinungsdominanz, aber auch kein ideologiebasiertes Informationsmanagement." Einen eigenen Lösungsansatz präsentierte Renner nicht.

(mho)