Bundestagswahl 2021: Was im Urheberrecht und Medienrecht passieren soll

Das Gesetz für Upload-Filter ist bereits in Kraft, aber nach wie vor umstritten. Dies gilt auch für den Jugendmedienschutz und die Öffentlich-Rechtlichen.

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(Bild: Haris Mm/Shutterstock.com)

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Es ist nicht mehr lange hin: Am Sonntag, den 26. September, wird der neue Bundestag gewählt – und damit auch eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler, denn Angela Merkel tritt nicht mehr für die CDU/CSU an. In den nächsten Monaten und Jahren stehen entscheidende Weichenstellungen nicht nur für die Zukunft Deutschlands, sondern auch Europas und der Welt insgesamt an. Digitalisierung der Berufswelt und des kompletten Alltags beschäftigen die Menschen; und der Klimawandel – der nicht kommt, sondern längst da ist - erfordert einschneidende Maßnahmen, um nur zwei wichtige Themen zu nennen. heise online untersucht in einer neunteiligen Serie die Wahlprogramme der Parteien anhand der wichtigsten Themenfelder; im Anschluss wird eine Interviewserie mit den für Netzpolitik zuständigen Parteivertretern dies noch vertiefen. Bisher erschienen:

Im vorletzten Beitrag unserer neunteiligen Wahlserie geht es um ein Thema, das vor zwei Jahren hierzulande noch zehntausende Menschen auf die Straße brachte. Damals drohten die Upload-Filter, inzwischen ist die entsprechende EU-Urheberrechtsreform und die deutsche Umsetzung der "Zensurmaschinen" längst in Kraft. Der Protest wird sich nun voraussichtlich auf die Gerichte verlagern. Wie wollen die großen Parteien beim Copyright weiter verfahren?

Ein weiterer netzpolitischer Dauerbrenner ist neben der Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen der Jugendmedienschutz. Auch hier hat die schwarz-rote Koalition in Teilbereichen Nägel mit Köpfen im Rahmen des neuen Jugendschutzgesetzes des Bundes gemacht, mit der etwa die Alterseinstufungen von Games neu gefasst wurden. Der Aufreger "Killerspiele" ist zwar weitgehend aus der öffentlichen Debatte verschwunden, doch haben die Parteien wirklich dazugelernt?

Der YouTuber Rezo kündigte 2019 in einem viel beachteten Video "die Zerstörung der CDU" an. Ein Grund für ihn: der Umgang der Christdemokraten mit dem Urheberrecht und ihr Einsatz für Upload-Filter. Vielleicht äußern sich CDU und CDU daher in ihrem Programm, dass er "dem technischen Fortschritt und dem veränderten Nutzungsverhalten Rechnung trägt". Rundfunkanstalten sollen stärkere Kooperationen eingehen und weitere Synergien schaffen können – auch im Sinne der Beitragszahler. Die Deutsche Welle wir dem Plan nach "zum stärksten Auslandssender Europas" aufgebaut.

Bürger sollen auch in der digitalen Welt auf die Richtigkeit der Nachrichten vertrauen können, lautet eine weitere Parole. Private und öffentlich-rechtliche audiovisuelle Medienangebote sowie journalistisch-redaktionelle Inhalte, deren Beitrag ein Wert für die Gemeinschaft ist, müssten "auf modernen Medienplattformen" einfacher auffindbar sein. Bürger sollen auch in der digitalen Welt auf die Richtigkeit von Nachrichten vertrauen können.

Generell habe sich etwa durch den digitalen Wandel und zunehmende Medienkonvergenz die Meinungsvielfalt weltweit erhöht, meint die Union. Zugleich seien "durch den unregulierten Vormarsch der Digitalkonzerne" Risiken entstanden wie Meinungsdiskriminierung, Manipulation und Missbrauch von Marktmacht. Es bedürfe daher "moderner und neuer Regelwerke und Kontrollmechanismen". Die großen Digitalkonzerne müssten Verantwortung übernehmen.

"Eine Verpflichtung zum Einsatz von Upload-Filtern lehnen wir ab", stellen die Grünen klar. Sonst findet sich auch in ihrem Plan nichts weiter zu einer möglichen weiteren Urheberrechtsnovelle oder dem Ausbau des offenen Publikationsprozesses Open Access.

"Die Entwicklungen von E-Sport und Gaming werden wir insbesondere im Hinblick auf Diversität, Nachhaltigkeit, Jugendschutz sowie Medienkompetenz fördern", lautet ein Vorhaben. Zusammen mit Gamern, Verbänden und Wissenschaft wolle man diesen Bereich gestalten und dabei auch gegen Diskriminierung und Hate Speech kämpfen. E-Sport will die Partei als gemeinnützig anerkennen und so ehrenamtliches Engagement stärken.

Die Grünen stehen zu einem "pluralistischen, kritischen und staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle, genauso wie für Qualität und Vielfalt der privaten und Non-Profit-Medienlandschaft". Damit ARD und ZDF stark und zukunftsfest aufgestellt sind, "arbeiten wir für eine funktionsgerechte Finanzierung, die einem definierten Programmauftrag folgt". Die Digitalisierung der Öffentlich-Rechtlichen müsse vorangetrieben, ihr bisheriges Angebot überprüft werden.

Die Mediatheken von ARD und ZDF sollen bei angemessener Vergütung der Urheber dauerhaft zugänglich und europäisch verzahnt werden. Übergreifend setzen sich die Grünen für eine europäische, digitale Medienplattform in öffentlicher Trägerschaft ein. Diese soll europaweit qualitativ hochwertige Inhalte "werbefrei, offen und mehrsprachig" bündeln. "Basierend auf technischer Offenheit, Interoperabilität und besten Datenschutzstandards kann sie darüber hinaus gerade auch für die Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen als Kommunikationsplattform dienen".

Lokale Medien brauchen nach Ansicht der Partei "eine mit den Ländern abgestimmte, staatsfern organisierte Förderung". Qualitätsjournalismus benötige "deutlich bessere Rahmenbedingungen", etwa durch mehr Quellenschutz und Auskunftsansprüche oder die Öffnung der Künstlersozialkasse für mehr Journalisten samt Beitragspflicht für Medienplattformen. Zudem müsse Rechtssicherheit für "gemeinnützigen Journalismus" geschaffen werden.

Die Sozialdemokraten begrüßen die Überlegungen zu einer europäischen Medienplattform, die Qualitätsinhalte der Öffentlich-Rechtlichen Europas für alle Bürger grenzüberschreitend zugänglich mache. Ein solches Portal soll in der Folge auch für Partnerschaften mit Museen und anderen Kultureinrichtungen geöffnet werden. Ebenfalls begrüßen wir die verstärkte Veröffentlichung von Inhalten unter offenen und freien Lizenzen, um die Nutzung der Inhalte etwa im Rahmen freier Wissensprojekte wie der Wikipedia oder im Schulunterricht leichter möglich zu machen.

Die Rahmenbedingungen privatwirtschaftlichen Medienschaffens will die Partei vor allem mit Blick auf das Wettbewerbs-, Urheber- oder Telekommunikationsrecht stärken. "Den Verlagen werden wir dabei helfen, die Transformation ins Digitale erfolgreich zu bewältigen", heißt es in dem Programm. Wie die Grünen wollen die Sozialdemokraten die Auskunfts- und Berichterstattungsrechte von Pressevertretern ausbauen und "Journalismus im Gemeinnützigkeitsrecht verankern".

Medienkompetenz ist für die Partei vor allem eine Demokratiekompetenz: "Lernen, Arbeiten, Identitätsbildung, Persönlichkeitsentwicklung und die Kommunikation mit anderen sind in unserem Alltag zunehmend an soziale Medien gebunden. Dafür wollen wir die kreative Energie der Netzcommunity mit der Qualität und Erfahrung der klassischen Medien zusammenbringen." Es sollen Entwicklungsräume entstehen, "in denen die digitale Transformation der Medienwelt gelingt, und diese mit Bildungsangeboten verknüpfen".

Computerspiele betrachtet die SPD als "Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor". Die Potenziale von Games in der digitalen Bildung aber auch von E-Sport in Vereinen und Schulen müssten stärker genutzt werden. Die Förderung von Videospielen wollen die Sozialdemokraten daher dauerhaft verankern. Die Entwicklung des E-Sports wollen sie weiter unterstützen, indem dieser etwa gemeinnützig wird.

Das geltende Urheberrecht hinke der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung hinterher und bremse Innovationen, kritisieren die Liberalen. Sie wollen es daher nach dem Vorbild des US-amerikanischen "Fair Use"-Prinzips "maßvoll weiterentwickeln". So sollen die bisherigen Schranken des Urheberrechts durch eine Bagatellklausel auf private Nutzungen wie Memes und Remixes ausgedehnt werden, "die keine wirtschaftlichen Folgen haben und keine kommerziellen Interessen verfolgen".

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger will die FDP wieder abschaffen. "Das Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und dem Schutz geistigen Eigentums muss im digitalen Zeitalter neu gedacht werden", steht in dem Plan. Urheber eines Werkes müssten aber weiter in ihren wirtschaftlichen und ideellen Rechten abgesichert werden. Dies sei Grundvoraussetzung für eine lebendige Kultur- und Kreativwirtschaft.

Den Einsatz von Upload-Filtern lehnen die Freien Demokraten "als immense Gefahr für Meinungs- und Kunstfreiheit im Netz" weiterhin ab. Zudem setzen sie sich dafür ein, "dass staatliche Informationen nicht länger mit Verweis auf das Urheberrecht, quasi als Geheimschutz durch die Hintertür, der Öffentlichkeit vorenthalten werden können".

E-Sport will die FDP offiziell anerkannt wissen, fördern und als gemeinnützig anerkennen. Die Innovationswirkung der Games-Branche soll genutzt werden. Die Integration und Vernetzung mit dem organisierten Sport will die Partei fördern und mögliche positive Effekte in den Bereichen Prävention sowie Gesundheit vorantreiben. Zu Jugendmedienschutz findet sich in dem Programm nichts.

"Presse- und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen und offenen demokratischen Gesellschaft", stellt die FDP klar. Sie stehe daher "für eine aktive und offene Debattenkultur, die Meinungsvielfalt fördert und schützt". Kommen soll ein Presseauskunftsgesetz auf Bundesebene. Angriffen auf Medien werden laut dem Papier künftig in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst.

Die Liberalen wollen einen "moderneren und schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk", der sich primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentriert. So soll der Rundfunkbeitrag sinken. "Nicht erforderliche Parallelangebote" seien zu vermeiden. Im Internet sollten ARD und ZDF auf Bereiche begrenzt sein, "die mit klassischem Rundfunk vergleichbar sind oder in direktem Zusammenhang mit ihm stehen".

Auch die AfD will Upload-Filter verhindern, "denn sie beschneiden die Meinungsfreiheit und führen zu Zensur". Defizite im EU-Urheberrecht sollen daher entsprechend korrigiert werden.

"Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist überholt", lautet eine Parole in dem Programm. Die Rundfunkstaatsverträge sollen daher in jedem Bundesland gekündigt werden, "um eine grundlegende Reform zu ermöglichen". Am Ende soll "ein stark reduzierter Anbieter stehen", der etwa ein Zehntel des bisherigen Umfangs der Öffentlich-Rechtlichen haben soll. Dieser "Grundfunk" habe die alleinige Aufgabe, "die Bürger flächendeckend mit neutralen Inhalten aus den Sparten Information, Kultur und Bildung zu versorgen".

Geht es nach der AfD, entfallen bei diesem rudimentären Sender "Zwangsbeiträge und Werbung". Die Finanzierung soll durch eine Abgabe erfolgen, die insbesondere Technologiekonzerne zahlen müssten, "die audiovisuelle Inhalte verbreiten. Derzeit dominierten Streaming-Dienste den deutschen Markt, "ohne dafür in angemessener Weise zu zahlen". Zu Games oder Jugendmedienschutz äußert sich die Partei nicht.

Wie die anderen Oppositionsparteien lehnt die Linke Upload-Filter ab und schließt Websperren mit ein. Plattformbetreiber dürften nicht verpflichtet werden, "ohne richterlichen Beschluss Inhalte zu löschen", geht aus dem Programm hervor. "Gegen Desinformation brauchen wir eine stärkere Medienbildung statt Zensur."

Nicht-kommerzielle Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützten Materials "darf nicht kriminalisiert werden", verlangt die Partei. Ein modernes Urheberrecht müsse den neuen Nutzungsmöglichkeiten im Netz gerecht werden und gleichzeitig die Urheber stärken. Die Linke will sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, "dass Alltagsnutzungen flexibler erlaubt werden". Das Leistungsschutzrecht und das Datenbankschutzrecht soll für Presseverlage abgeschafft werden. Die Verhandlungsposition von Kreativen müssten im Urhebervertragsrecht gestärkt und ihre Mitbestimmungsrechte gegenüber Verwertungsgesellschaften ausgebaut werden.

Den Jugendschutz im Internet will die Partei verbessern. Dafür seien insbesondere flächendeckende medienpädagogische Angebote für Eltern, Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche nötig. Medienbildung gehöre in allen Bildungseinrichtungen – generationenübergreifend – auf die Tagesordnung. Die Rolle der Landesmedienanstalten müsse gestärkt werden. Das Fernmeldegeheimnis und der Schutz gespeicherter Daten soll auch für Jugendliche gelten: Eltern dürften sich etwa zu Standortinformationen keinen Zugang verschaffen.

Die Linke tritt für eine vielfältige Medienlandschaft ein, zu der neben privaten Anbietern ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk und nicht-kommerzielle Medien gehörten. ARD und ZDF stünden für mediale Teilhabe und Grundversorgung. Sie müssten auf veränderte Mediennutzungen reagieren können, journalistische Qualität sowie neben Nachrichten und Informationen auch umfassende Perspektiven, Bildung, Unterhaltung und kulturelle Vielfalt bieten. Details sollen in einer breiten gesellschaftlichen Debatte über den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen sowie über journalistische Standards allgemein festgelegt werden.

Journalisten als Berufsgeheimnisträger wie auch ihre Quellen will die Partei etwa über ein Whistleblower-Gesetz besser schützen. Informationsrechte der Öffentlichkeit sollen gestärkt werden. Dafür plant sie ein Presseauskunftsrecht, das die verfassungsrechtlich zugesicherten Auskunftsansprüche der Medien gegenüber Bundesbehörden sicherstellt. Wichtig sei auch ein bundesweiter Bericht zum Stand der Medienvielfalt und Pressefreiheit.

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