CDU-Vorschlag: Streit über Vorrang für Open Source im Thüringer Vergaberecht

Die Open Source Business Alliance warnt vor einem "dramatischen Rückschritt": Die CDU wolle die vorrangige Beschaffung freier Software in Thüringen streichen.​

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Pinguin, gerade aus dem Wasser auf einen Felsen gehüpft, streckt seine Flügel aus

Pinguine sind Vorbild für Tux, das Maskottchen des Linux-Kernels.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

"Dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, soll der Einsatz von Open-Source-Software vorrangig erfolgen." Das steht seit 2020 in Paragraph 4 des Thüringer Vergabegesetzes. Damit gilt Thüringen als Vorzeigeland, was den Willen zum Einsatz von Software mit offenem Quelltext in der öffentlichen Verwaltung angeht. Doch jetzt warnt die Open Source Business Alliance (OSBA) vor einem "dramatischen Rückschritt": Bei der geplanten Reform des Gesetzes dränge die oppositionelle CDU darauf, den Vorrang für Open Source ersatzlos zu streichen.

Dieser Vorschlag sei unverständlich, da der CDU-Bundesparteitag 2019 in seiner Digitalcharta Offenheit als Standard beschlossen und sich zum Prinzip "Public Money, Public Code" bekannt habe. Demnach sollen öffentlich finanzierte IT-Lösungen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

Aus Sicht der Bürger, der Verwaltung selbst und in "volkswirtschaftlicher Hinsicht ergibt sich durch den vorrangigen Einsatz von Open-Source-Software eine positive Wirtschaftlichkeitsbilanz", betont die OSBA in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme an den Thüringer Landtag. Betrachte man den zeitlichen Horizont, so sei eine heute günstigere proprietäre Lösung dies nicht unbedingt auch noch morgen. Befinde sich eine Behörde erst in den vielfach beschriebenen Abhängigkeiten, müsse sie alle künftigen Lizenzkostensteigerungen eines Anbieters mitmachen und könne nicht mehr einfach wechseln.

Andreas Bühl, digitalpolitischer Sprecher der Christdemokraten in Thüringen, kann die Sorge vor einem Vertrauensverlust nicht nachvollziehen. "Die CDU-Fraktion ist nicht gegen die Verwendung von Open-Source-Software in der öffentlichen Verwaltung", erklärte er gegenüber heise online. "Die jeweils beste Software-Lösung sollte gewählt werden." Allerdings regele das Thüringer Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung bereits den Umgang mit Programmen mit offenen Quellcode. Dessen Absatz 2 lautet: "Dort wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, soll der Einsatz von Open-Source-Software vorrangig vor solcher Software erfolgen, deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist und deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt."

Der zusätzliche Passus im derzeitigen Vergabegesetz sei daher "eine völlig wirkungslose, weil doppelte Regelung, die zu keiner weiteren Förderung der Verwendung von Open-Source-Anwendungen beiträgt".

Tatsächlich enthält auch das E-Government-Gesetz des Landes bereits eine vergleichbare Passage. Zudem ist darin noch folgende Forderung enthalten: "Bei neuer Software, die von der öffentlichen Verwaltung oder speziell für diese entwickelt wird, ist der Quellcode unter eine geeignete Freie-Software- und Open-Source-Lizenz zu stellen und zu veröffentlichen, soweit keine sicherheitsrelevanten Aufgaben damit erfüllt werden." Laut Miriam Seyffarth, Leiterin politische Kommunikation beim OSBA, reicht das aber nicht aus: "Das E-Government-Gesetz gibt grundsätzliche Impulse für die Digitalisierung der Verwaltung, es formuliert politische Absichten und Ziele, hat aber im Vergabealltag für einzelne Behörden oder Beschaffungsstellen keine Verbindlichkeit."

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Das Vergabegesetz mache den Beschaffungs- und Vergabestellen hingegen konkrete Vorgaben, erläutert Seyffarth. Zudem nehme das E-Government-Gesetz in erster Linie Verwaltungs- und Fachverfahren in den Blick, während das Vergabegesetz auch in Fällen greife, wo es etwa um Infrastruktur gehe. Eine Verankerung des Vorrangs für Open Source in beiden Gesetzen mache also durchaus Sinn und stelle keine Redundanz dar. Die CDU verkenne offenbar ferner, dass in der Praxis oft aus Unwissenheit, Bequemlichkeit oder anderen Gründen "altbekannter", aber nicht unbedingt besser geeigneter Software etwa von Microsoft der Vorzug gegeben werde.

Die OSBA unterstützt den Novellenentwurf der Regierungskoalition aus den Fraktionen Die Linke, SPD und Grünen, denn dort soll der Open-Source-Vorrang im Vergabegesetz unverändert erhalten bleiben. Allerdings rät die Organisation zu einem noch stärkeren Vorrang: Die Einschränkung auf "technisch möglich und wirtschaftlich" sei besser zu streichen.

(ds)