CERN plant für Energiekrise: Notfalls könnte sogar der LHC abgeschaltet werden

Die Sorge vor einem Strommangel macht auch vor der Wissenschaft nicht halt. Auch die größte Forschungseinrichtung der Welt bereitet Abschaltungen vor.

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Das Atlas-Experiment am LHC (zum Größenvergleich mit Mensch)

(Bild: Brice, Maximilien: CERN)

Lesezeit: 3 Min.

Europas Kernforschungszentrum CERN will in den kommenden Monaten seinen Teil dazu beitragen, während besonders großer Nachfrage Strom einzusparen. Gegenwärtig würden Pläne ausgearbeitet, wie einige der insgesamt acht Teilchenbeschleuniger ausgeschaltet werden könnten – notfalls sogar der Large Hadron Collider (LHC). Das sagte Serge Claudet dem Wall Street Journal, er ist für das Energiemanagement der gewaltigen Anlage zuständig. Das CERN benötigt zu Spitzenzeiten ungefähr 200 Megawatt an Elektrizität, das sei etwa ein Drittel so viel wie ganz Genf. Die Großstadt, vor deren Toren das CERN liegt, hat 200.000 Einwohner und Einwohnerinnen.

Die Großforschungseinrichtung liegt auf der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich, ursprünglich kam der benötigte Strom allein aus der Schweiz. 1970 wurde dann eine Verbindung zum französischen Stromnetz geschaffen, über die die Anlage inzwischen allen Strom bekommt. Dafür hat das CERN einen Vertrag mit der französischen Elektrizitätsgesellschaft Électricité de France, erklärt Claudet der US-Zeitschrift. Aktuell werde besprochen, ob und was man einen Tag nach einer Vorwarnung abschalten kann, um wenn nötig Strom zu sparen. Anders als viele Unternehmen könne das CERN bislang nicht dazu verpflichtet werden, in Spitzenzeiten den Stromverbrauch zu reduzieren. Es handle sich um freiwillige Maßnahmen.

Beim CERN plane man jetzt, dass gegebenenfalls zuerst die kleineren Teilchenbeschleuniger abschaltet, sagt Claudet. So könnten der Stromverbrauch bereits um 25 % gedrosselt werden. Durch eine Abschaltung des LHC könnten weitere 25 % eingespart werden, das aber nur mit einem großen Haken: Die supraleitenden Magneten müssen auf -271,3°C heruntergekühlt werden. Sind sie einmal wärmer geworden, brauche es viel Energie, diese Temperatur wieder zu erreichen. Das würde Wochen dauern.

Die Pläne sollen Ende des Monats den Regierungen jener Staaten vorgestellt werden, die die das Forschungsinstitut finanzieren: "Wenn wir Geld bekommen, um Wissenschaft zu betreiben und das freiwillig unterbrechen, um Strom zu sparen, müssen wir sicher sein, dass die Geldgeber das billigen", meint Claudet. Dass die Energiekrise damit das CERN erreicht, liegt auch an Problemen bei EDF, schreibt das Wall Street Journal noch. Das Unternehmen habe mehrere Kraftwerke abschalten müssen. Frankreichs Stromnetzbetreiber RTE habe auch angekündigt, dass der Stromverbrauch im kommenden Winter zu Spitzenzeiten um 15 % sinken muss, um Blackouts zu vermeiden.

Schon bisher wurde das CERN in den kältesten Wintermonaten weitgehend heruntergefahren, um den Stromverbrauch auf etwa 80 Megawatt zu senken. Zwischen Mai und Mitte Dezember läuft der Large Hadron Collider aber zumeist rund um die Uhr, um so viele Daten über Teilchenphysik wie möglich zu sammeln. Seit zwei Wochen steht der weltgrößte Teilchenbeschleuniger wegen eines Problems an einer Kühlungseinrichtung aber still. Frühestens in der kommenden Woche soll er wieder die Arbeit aufnehmen können.

Update

Der LHC soll seine Arbeit in der 38 Kalenderwoche wieder aufnehmen, teilte das CERN inzwischen gegenüber heise online mit.

(mho)