Cookie-Banner: IAB Europe klagt gegen Datenschutz-Entscheidung

​Während Aktivisten sofortige Konsequenzen fordern, versucht die​ Werbeindustrie ihr juristisches Konstrukt zur Verarbeitung​ personalisierter Daten zu retten.​

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(Bild: Shutterstock/dotshock)

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Von
  • Torsten Kleinz
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Der Milliardenmarkt der Online-Werbung in Europa droht zu kollabieren. Der Branchenverband IAB Europe hat am Freitag angekündigt, gegen den Bescheid der belgischen Datenschützer zur Unzulässigkeit des Transparency And Consent Frameworkseine der zentralen Schaltstellen der Werbedaten-Industrievor Gericht zu ziehen. Die Behörde hatte beschlossen, dass die heute üblichen Cookie-Banner nicht mit der Datenschutzgrundverordnung zu vereinbaren sind. Unterdessen versuchen die Beschwerdeführer die Entscheidung sofort umzusetzen und appellieren an Werbetreibende ihre personalisierten Targeting-Daten sofort zu löschen.

Die belgische Datenschutzbehörde hatte in der vergangenen Woche nach Beschwerde mehrerer europäischer Datenschutzaktivisten ein zentrales Konstrukt im Werbedatenhandel für illegal erklärt. Hierbei fungiert die Branchenorganisation IAB Europe als zentrale Schaltstelle, um die Zustimmungen zu Datenverarbeitungen aus Cookie-Bannern an Werbemarktplätze zu übermitteln. Die belgischen Datenschützer haben zwar nicht die technische Umsetzung insgesamt für illegal erklärt, sehen aber die IAB Europe als Co-Controller der Daten, die zur Erstellung von Nutzerprofilen genutzt werden können.

Dieser juristische Befund hat große Auswirkungen. Das IAB Europe gestand ein, dass es als kleiner Branchenverband unmöglich die Datenverarbeitung für alle Empfänger dieser Daten übernehmen könne. Auf der offiziellen Liste der Datenempfänger stehen derzeit 794 Firmen, die wiederum die Daten an eine unbekannte Anzahl weiterer Firmen weitergeben können. Die Beschwerdeführer unterstellen, dass es bereits genügt, an den täglich milliardenfach stattfindenden Werbeauktionen teilzunehmen, um personalisierte Daten abzuschöpfen.

Da Endnutzer für illegale Datenverarbeitung zu Werbezwecken Schadensersatz verlangen könnten, wäre das Kostenrisiko für das IAB Europe unkalkulierbar. Dabei geht es um Milliardenumsätze. Laut verschiedenen Branchenstatistiken werden mittlerweile über zwei Drittel der Online-Werbung mit Hilfe personalisierter Werbeprofile ausgespielt, bereits 2019 betrugen die Ausgaben in diesem Markt laut IAB Europe 23 Milliarden Euro – Tendenz: stark steigend. Diesen Umstand versuchen sich die Beschwerdeführer nun zunutze zu machen. Obwohl die belgischen Datenschützer der IAB zwei Monate Zeit gegeben haben, um ihre Verbesserungs-Pläne einzureichen, versuchen die Bürgerrechtsorganisation, das Irish Council for Civil Liberties und das Electronic Privacy Information Center (EPIC), den Beschluss bereits jetzt durchzusetzen.

Dazu haben Sie einen Brief an einige der größten Werbetreibenden geschickt, in dem sie aufgefordert werden, alle persönlichen Daten zu löschen, die sie mittels europäische Cookie-Banner gesammelt haben – andernfalls drohten Schadensersatzforderungen. Zudem sollen die Konzerne aufhören, in den USA Cookie-Banner einzusetzen, die die Autoren des Briefes als "Consent Spam" klassifizieren. Zu den Empfängern dieser Forderung gehören die Unternehmen Procter & Gamble und Unilever, aber auch IBM, Mastercard und Ford.

Die IAB ruft unterdessen die europäischen Datenschutzbehörden dazu auf, öffentlich ihre Position zu unterstützen und zu erklären, dass sie nicht vorhaben, gegen irgendjemanden zu ergreifen, der weiterhin das TCF-System verwendet. Dass diese Forderung erfüllt wird, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Die niederländische Aufsichtsbehörde hat bereits zuvor dazu aufgerufen, das Nutzertracking einzustellen und alternative Methoden der Werbeausspielung zu suchen.

Deutsche Behörden haben sich in der Vergangenheit abwartender gezeigt als viele ihrer europäischen Kollegen, aber auch sie haben an dem Beschluss der belgischen Kollegen mitgewirkt. Wann sie zu Zwangsmitteln wie Bußgeldern greifen wollen, lässt sich heute jedoch noch nicht absehen.

(mack)