DSGVO-Emanzipation: Großbritannien will "Brexit-Dividende" beim Datenschutz

Die britische Regierung will sich von der DSGVO lösen. Sie strebt eine "führende Datenpolitik", freie internationale Datenflüsse und weniger Cookie-Banner an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 115 Kommentare lesen

(Bild: Pixelbliss/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die britische Regierung treibt eine umfassende Reform ihrer Politik zum Schutz der Privatsphäre der Bürger voran. Laut einen am Donnerstag vorgestellten Maßnahmenpaket will sie "die Möglichkeiten von Daten nutzen, um Wachstum und Handel anzukurbeln und öffentliche Dienstleistungen zu verbessern". Ziel sei ein "wachstums- und innovationsfreundliches" Datenregime, das zugleich sichere und vertrauenswürdige Datenschutzstandards gewährleiste.

Großbritannien hatte die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU und die zugehörige Richtlinie für Polizei und Justiz 2018 noch ins nationale Recht umgesetzt. Der britische Digitalminister Oliver Dowden betonte nun aber, dass sich das Vereinigte Königreich von diesen Vorgaben emanzipieren und die "Brexit-Dividende" heben will: "Das bedeutet, dass wir unsere eigenen Datengesetze so reformieren müssen, dass sie auf gesundem Menschenverstand beruhen und nicht auf dem Abhaken von Kästchen."

Konkret will London etwa "unnötige" Cookie-Banner abschaffen. Nutzer sollen zwar nach wie vor in das Setzen der umstrittenen Browser-Dateien einwilligen müssen, wenn ein hohes Risiko für die Privatsphäre besteht. Viele entsprechende Einverständnisabfragen hält die britsiche Regierung aber für sinnlos. Dowden hat John Edwards als neuen Datenschutzbeauftragten vorgeschlagen, der diese Position derzeit noch in Neuseeland innehat.

Zugleich setzen Dowden und sein Team auf mehr freie internationale Datenflüsse. Sie will dazu neben formellen Angemessenheitsentscheidungen, wie sie derzeit etwa mit der EU auf Basis der DSGVO-ähnlichen Gesetzgebung bestehen, stärker auf weichere Instrumente wie Standardvertragsklauseln, verbindliche Unternehmensregeln, Selbstregulierungskodizes und Zertifizierungsmechanismen bauen.

Dazu soll ein "International Data Transfers Expert Council" eingerichtet werden mit 15 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dieser Beirat soll dabei helfen, Vereinbarungen zum freien Datenfluss mit anderen Ländern zu treffen und trotzdem auf ein vergleichbares Datenschutzniveau zu achten. So soll es möglich werden, "rasch und kreativ globale Partnerschaften zu entwickeln, die es britischen Organisationen erleichtern, Daten mit wichtigen Märkten und schnell wachsenden Volkswirtschaften" auszutauschen.

Im Blick haben die Briten dabei etwa die USA, Australien, Südkorea, Singapur, Dubai und Kolumbien. Hohe Priorität räumen sie zudem Deals mit Indien, Brasilien, Kenia und Indonesien ein. Die Regierung verweist auf Schätzungen, wonach "weltweit ein Handelsvolumen von bis zu 11 Milliarden Pfund aufgrund von Hindernissen bei der Datenübertragung ungenutzt bleibt". Diesen Schatz wolle man nun heben. Internationale Datenübertragungen seien für alltägliche Aktivitäten wie GPS-Navigation, Videoanrufe mit Familie und Freunden, Online-Banking, die Nutzung von Apps, den Einzelhandel und Back-Office-Leistungen von Unternehmen unerlässlich.

Die aktuellen, für vier Jahre gültigen Angemessenheitsbeschlüsse zum Datenfluss zwischen der EU und Großbritannien stehen bereits auf wackeligen Füßen. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) zählt zu den brenzligen Punkten etwa die im Vereinigten Königreich praktizierte Massenüberwachung. Ein Sprecher der EU-Kommission verwies nun darauf, dass man die Übereinkunft jederzeit aussetzen, beenden oder anpassen könne, bei Dringlichkeit auch sofort. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte zuvor wiederholt unterstrichen, dass seine Regierung mit dem Brexit beim Datenschutz eine von der EU "losgelöste und unabhängige" Linie verfolgen wolle.

(vbr)