"Der helle Wahnsinn": Intershop-Aktionärstreffen nach Palastrevolte

Auf der auf Druck der Aktionäre vorgezogenen Hauptversammlung am morgigen Mittwoch wird der neue Vorstandschef sein Sanierungskonzept für den kriselnden Internet-Dienstleister vorstellen.

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Von
  • Simone Rothe
  • dpa

Krisenstimmung bei den Aktionären der Jenaer Software-Schmiede Intershop: "Das Unternehmen ist eine Katastrophe", findet Stefan Arnold von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen, in denen zwei Aufsichtsratsmitglieder und Vorstandschef Jürgen Schöttler ihre Stühle räumten, sieht Arnold der Hauptversammlung der Intershop Communications AG an diesem Mittwoch in Apolda mit Spannung entgegen. "Ich habe sehr, sehr viele Fragen", sagt der Wirtschaftsjurist. Die Geduld vieler Kapitalanleger, die mit Aktien des einstigen Internet-Pioniers viel Geld verloren haben, schwinde.

Seit 2001 gilt das Jenaer Unternehmen, das mit seinen Programmen für virtuelle Kaufhäuser Furore machte, als Sanierungsfall. Von bis zu 1000 Angestellten in besten Zeiten sind weniger als 250 übrig, der Börsenwert stürzte von mehreren Milliarden Euro auf unter 45 Millionen Euro ab. Schon vor dem endgültigen Abgang von Firmengründer Stephan Schambach Anfang 2004, der von US-Medien als "Germanys Hot Star" gefeiert worden war, ging es in der Intershop-Zentrale in Jena vor allem um Krisenmanagement und Gesundschrumpfen.

Der Ökonom Schöttler, der 2002 als Finanzvorstand kam und 2003 den Vorstandsvorsitz von Schambach übernahm, musste vor allem dafür sorgen, dass Intershop finanziell nicht die Puste ausging. Immerhin hat es das Unternehmen geschafft, seit seiner Gründung 1992 zu überleben, ohne in einem einzigen Jahr aus den roten Zahlen zu kommen. Bei Aktionärsvereinigungen steht Intershop auch deshalb weit oben auf der Liste der "Kapitalvernichter" unter den börsennotierten Unternehmen.

Immer wieder kündigte Schöttler an, Intershop aus der Verlustzone zu bringen. Serviceleistungen für Unternehmen, die ihre Produkte mit Intershop-Programmen verkaufen, sollten 2006 die Trendwende bringen. Das Ergebnis des vergangenen Jahres bezeichnet Aktionärsschützer Arnold als "katastrophal". Statt schwarzer Zahlen verdoppelte sich der Verlust auf 6,8 Millionen Euro bei einem Jahresumsatz von 19,8 Millionen Euro. Das reine Lizenzgeschäft mit Programmen, die selbst Arnold als "anerkannt gut" bezeichnet, machte nur etwa ein Viertel am Umsatz aus.

Im Januar probte eine Aktionärsgruppe um den niedersächsischen Logistik-Unternehmer Sven Heyrowsky den Aufstand und erreichte eine Vorverlegung der Hauptversammlung auf den 9. Mai. Danach gab Intershop erst den vorfristigen Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Gutsch und seines Kollegen Wolfgang Meyer bekannt, dann das Ausscheiden von Vorstandschef Schöttler. Sein Vertrag lief Ende März aus. Die Trennung erfolgte im Einvernehmen mit den beiden neuen Aufsichtsräten, darunter Heyrowsky, hieß es offiziell. Mit Unternehmensberater Friedhelm Bischofs, der wie Heyrowsky aus Garbsen kommt, ist bereits ein neuer Vorstandschef im Amt. Das dreiköpfige Kontrollgremium stellt sich in Apolda zur Wahl.

"Intershop ist der helle Wahnsinn", findet Aktionärsschützer Arnold. "Die Liquiditätssituation ist erschreckend." Der Strategie von Bischofs, Intershop tatsächlich als Komplettanbieter für die Abwicklung von Internetgeschäften für Mittelständler zu profilieren, kann er jedoch Positives abgewinnen. "Die Frage ist, schafft es Intershop, bevor dem Unternehmen das Geld ausgeht." Bischofs (61) will sein Konzept zur Hauptversammlung vorlegen. Sparaktionen im Softwarevertrieb hat er bereits angekündigt. Der neue Chef sieht den Ernst der Lage: "Wir müssen beweisen, dass wir das neue Geschäft können. Das wird eine der letzten Chancen sein, die wir bekommen." (Simone Rothe, dpa) / (vbr)