Die Neuland-Interviews #6: AfD verzettelt sich im Digitalen

Wer soll Hassrede sperren? Ist Deutschland ohne Sportschau normal? Sollte man Steuerhinterzieher schützen? Joana Cotar (AfD) gibt widersprüchliche Antworten.

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In den Neuland-Interviews von c't und heise online sprechen wir mit den sechs im Bundestag vertretenen Parteien und Parteibündnissen über ihr Programm zur Bundestagswahl. In den jeweils etwa eine Stunde dauernden Interviews stehen die digitalpolitischen Sprecherinnen und Sprecher Rede und Antwort zu digitalpolitischen Themen: Wie wollen Sie den Ausbau von Breitband und 5G vorantreiben? Wer darf bei der europäischen Cloud GAIA-X mitmachen? Werden Schüler künftig von KI-Programmen unterrichtet? Halten Polizei und Verfassungsschutz Sicherheitslücken für Staatstrojaner offen? Und was ist eigentlich diese Blockchain, über die Start-ups und Investoren jubeln?

Die Interviews haben wir in den vergangenen zwei Wochen aufgezeichnet und veröffentlichen jeden Tag ein Gespräch. Nach der Linken, der CDU/CSU, der SPD, den Grünen und der FDP geht Joana Cotar, digitalpolitische Sprecherin der AfD, auf unsere Fragen ein. Zum Abschluss der Interview-Reihe sprechen Redakteure von c't und heise online am kommenden Sonntag, den 5. September über die Positionen der Parteien.

Die AfD ist derzeit die stärkste Oppositionspartei im Bundestag. Nach Studium ihres Grundsatzprogramms, des Wahlprogramms und der Abstimmungsergebnisse im Bundestag bekommt man allerdings den Eindruck, die Partei sei ihre eigene stärkste Opposition. Denn viele der konkreten Forderungen widersprechen sich entweder selbst, oder dem Abstimmungsverhalten der Abgeordneten.

Auf der einen Seite wehrt sich die AfD beispielsweise vehement gegen Löschungen und Blockaden von Meinungsäußerungen auf Internet-Plattformen. Auf die Frage, ob Facebook, YouTube und Twitter den damaligen US-Präsidenten Trump zurecht gesperrt haben, entgegnete sie, dass die AfD eigentlich gar keine Sperrungen im Netz wolle und man stattdessen die Medienkompetenz der Internetnutzer fördern solle. Bei der Frage, ob das auch für Beiträge der Taliban gelte, war ihre Toleranz jedoch am Ende. Die sollten natürlich gesperrt werden. Nur von wem, die Antwort blieb sie schuldig. Denn Sperren von Plattformbetreibern lehnt sie ebenso ab wie staatlich bezahlte "Faktenprüfer und Meinungswächter".

Beim Thema Musik und Urheberrecht möchte die AfD zum einen traditionelles Liedgut in der Bundeswehr fördern. Die Komponisten sollten laut erster Parteiaussage auf Nachfrage von c't jedoch nicht an den Gewinnen der Internet-Plattformen stärker beteiligt werden. Im Interview revidierte Cotar nun die Position. Zwar hielt sie nichts davon, dass Bundeswehrsoldaten zur Imageaufbesserung künftig deutsche Gassenhauer wie "99 Luftballons" oder "Schrei nach Liebe" anstimmen, sah aber ein, dass hiesige Künstler durchaus an den Gewinnen von YouTube, Facebook & Co. stärker beteiligt werden sollten.

Ein großer Dorn im Auge ist der AfD der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Im Grundsatzprogramm wollte sie ihn noch in ein verschlüsseltes Bezahlfernsehen umwandeln. Im Wahlprogramm soll er auf einen Grundfunk mit zehn Prozent des bisherigen Budgets zusammengestrichen werden, und nur noch Nachrichten und Kultur senden. Produktionen wie die Sportschau oder die Tatort-Krimis fielen dann weg – Sendungen, die für viele Deutsche zur Alltagsnormalität gehören, welche die AfD in ihrem Slogan einfordert. Joana Cotar sagte, sie schaue lieber Netflix als ARD und ZDF, deshalb sei der Wegfall kein Verlust. Sozialhilfeempfänger, die bislang keine Rundfunkbeiträge bezahlen müssen, sollten laut AfD jedoch keine Aufstockungen für Pay-TV-Abos erhalten.

Ebenso verneinte die Partei die Finanzierung von Internet-Anschlüssen für bedürftige Schüler. Schließlich habe heutzutage jeder einen Internetanschluss, deshalb sei das nicht nötig, wiegelte die AfD-Politikerin ab. Den Digitalpakt für Schulen hatte die AfD unter anderem deshalb abgelehnt, weil der Bund sich nicht in Angelegenheiten der Länder einmischen solle – eine Trennung, die die Partei bei der Quasi-Zerschlagung der Rundfunkanstalten in den Bundesländern offenbar nicht so eng sieht.

Auch die Antwort auf die Anfrage des Bitkom, ob die AfD denn ein Digitalministerium fordere, revidierte Cotar im Interview. Gegenüber dem Bitkom verneinte die AfD dies noch, Cotar bejahte ein solches Ministerium nun. Warum die AfD in ihrem Grundsatzprogramm zwar einen besseren Schutz von Amtspersonen fordert, im Bundestag jedoch gegen ein Gesetz zum Schutz von Gerichtsvollziehern gestimmt hat, konnte sie nicht beantworten.

Den Datenschutz will die AfD für alle Bürger eigentlich ausbauen: "Uns ist der gläserne Bürger zuwider", erklärte Cotar. Dennoch fordert die AfD Videoüberwachungen per Gesichtserkennungs-Software. Cotar distanzierte sich allerdings davon: "Ich bin nicht glücklich mit diesem Satz in unserem Wahlprogram." Während die Partei durch kriminelle Aktivitäten erworbene Vermögen einziehen will, möchte Sie Steuerhinterziehern nicht zu sehr auf die Pelle rücken. Die AfD möchte das Bankgeheimnis verstärken: Cotar wandte sich gegen den Aufkauf von Steuer-CDs durch den Staat. Whistleblower wie Edward Snowden sollten hingegen besser geschützt werden – zumindest, solange sie keine Steuerbetrüger anschwärzen.

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Das volle Interview können Sie hier im Videoplayer oder auf Youtube mit einer zugehörigen Themen-Timeline zur schnellen Navigation sehen. Außerdem stellen wir die Gespräche als Podcast bereit.

Auf Youtube finden Sie außerdem noch "Reaktionsvideos", die kurz nach den Interviews entstanden sind und auch noch einmal Bezug auf die verschiedenen Gespräche und Situationen nehmen.

Passend zu den Interviews lesen Sie in der aktuellen c't-Ausgabe 19/2021 einen Schwerpunkt zur Bundestagswahl mit umfangreichen Analysen und Bewertungen der digitalpolitischen Programme der sechs großen Parteien:

c’t Ausgabe 19/2021

In c’t 19/2021 bauen wir einen maßgeschneiderten Server, vergleichen 60 Prozessoren in unserem großen CPU-Ratgeber und widmen uns der anstehenden Bundestagswahl: Wie stehen die Parteien zu Datenschutz, Überwachung und digitaler Souveränität? Außerdem im Heft: Mit der Fritzbox günstig ins Ausland telefonieren, Hotspots mit OpenWRT verwalten und PDF-Tabellen in Excel importieren. Ausgabe 19/2021 finden Sie ab dem 27. August im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk.

Wir haben zudem auf heise online in einer neunteiligen Serie die Wahlprogramme der Parteien, die voraussichtlich im neuen Bundestag vertreten sein werden, anhand wichtiger Themengebiete genauer untersucht:

Bundestagswahl 2021: Partei-Wahlprogramme unter der Lupe

(hag)