Hubble-Konstante: Diskrepanz dank Alternative zum Standardmodell "gelöst"

Seit Jahren rätselt die Wissenschaft, warum sich nahe Objekte und ferne Galaxien unterschiedlich schnell von uns entfernen. Nun gibt es einen neuen Vorschlag.

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Observatorium unter kreisförmigen Sternenspuren

(Bild: xavier gallego morell/Shutterstock.com)

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Eine Alternative zu den etablierten Theorien über die Natur der Gravitation von Isaac Newton und Albert Einstein könnte auch die mysteriöse Diskrepanz bei der sogenannten Hubble-Konstante auflösen. Das meint eine Forschungsgruppe um Sergij Mazurenko von der Universität Bonn. Deren Arbeit baut auf der Hypothese auf, laut der sich die unterschiedlichen Messwerte zur Ausbreitungsgeschwindigkeit des Universums dadurch erklären lassen, dass wir uns inmitten einer gigantischen Blase mit einer geringeren Materiedichte befinden. Während das Standardmodell der Kosmologie solche Regionen aber nicht vorsehe, sage die sogenannte "Modifizierte Newton'sche Dynamik" (MOND) genau solche Blasen voraus, behaupten die Forscher.

Dass das Universum möglicherweise offener und heißer ist als bislang angenommen, während wir uns in einer Art Blase befinden, in der die Dichte der Materie signifikant geringer ist, war vor zwei Jahren vorgeschlagen worden. Sollte das tatsächlich der Fall sein, könnte das erklären, warum wir seit Jahren konstant andere Werte für die Fluchtgeschwindigkeit vergleichsweise naher und viel weit entfernter Objekte messen. Diese "Hubble-Spannung" ist eines der großen Rätsel der modernen Astronomie und weil sie durch immer präzisere Messungen nicht aufgelöst, sondern nur weiter vertieft wird, gibt es seit Jahren immer neue Erklärungsversuche.

Auch die Gruppe um Mazurenko verweist nun darauf, dass sich die unterschiedlichen Messwerte für die Hubble-Konstante (H0) seit Jahren nicht einander annähern. Bei dem Wert handelt es sich um eine fundamentale Größe zum Verständnis des Universums. Sie gibt an, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt in einer Entfernung von einem Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) allein aufgrund der Expansion des Universums von uns entfernt. Messungen vergleichsweise naher Objekte im Universum liefern beständig einen Wert von etwa 74 km/sec/Mpc, während das Weltraumteleskop Planck über die Analyse der kosmischen Hintergrundstrahlung (CMB) ganze 9 Prozent weniger ermittelt hat (etwas über 67 km/sec/Mpc).

Erst vor einem Jahr hatten die bis dahin genauesten Messungen der lokalen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Universums mit dem Weltraumteleskop Hubble die mysteriöse Diskrepanz erneut bestätigt. Die dafür verantwortlichen Forscher hatten vom Magnum Opus des Weltraumteleskops gesprochen und darauf hingewiesen, dass die möglichst präzise Ermittlung des Werts uns unter anderem auch verrät, wie alt das Universum insgesamt ist. Als Hubble ins All geschickt wurde, schwankten Angaben zum Alter des Kosmos noch zwischen 8 und 20 Milliarden Jahren, inzwischen liegt der ermittelte Wert bei etwa 13,8 Milliarden Jahren.

Die Existenz der postulierten gigantischen Blase, die dafür sorgt, dass in unserer kosmischen Nachbarschaft andere Werte ermittelt werden, als für den Rest des Universums, sei im gängigen Standardmodell aber nicht vorgesehen, schreibt das Team um Mazurenko jetzt. Wenn man aber von Einstein Abschied nehme und stattdessen eine der bekanntesten alternativen Theorien zugrunde lege, passe alles zusammen. MOND sage das Vorhandensein solcher Blasen "exakt voraus", sagt der an der Arbeit beteiligte Astrophysiker Pavel Kroupa. Der wirbt schon seit Jahren beharrlich für die alternative Theorie und stößt damit auf Kritik. Die Arbeit zur alternativen Erklärung für die "Hubble-Spannung" ist jetzt im Wissenschaftsmagazin Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (MNRAS) erschienen.

(mho)