Drei Fragen und Antworten: Sprachmodelle sind schon bald kein Business mehr

Wie bei jedem Hype gerät auch bei der KI der tatsächliche Business-Case aus dem Blick. Wir klären, worauf sich selbst erfolgreiche Start-ups einstellen müssen.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Harald Weiss

Generative-KI hat sich zum Megahype entwickelt. Und vieles, was sich dabei als weit übertrieben anhört, könnte schon bald von der Realität übertroffen werden. Um die weitere Entwicklung zu verstehen, muss man die Unterschiede zwischen der Sprachoberfläche einerseits, also der Semantik-Analyse der Eingabe und der Formulierung der Sprachausgabe, und dem zugrundeliegenden Knowledge-Repository anderseits unterscheiden. Alle generativen KI-Lösungen nutzen ein Sprachmodell, doch der zugrundeliegende Wissensschatz und die Nutzung des Wissens ist anwendungsabhängig. Hierzu sprachen wir mit Martin Weis, KI-Experte bei Infosys, über den Hype und die weiteren Aussichten.

Im Interview: Martin Weis

(Bild: 

Martin Weis

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Martin Weis verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im KI-Bereich und ist seit über 20 Jahren in der strategischen Planung und operativen Managementberatung tätig. Mit seiner umfangreichen Expertise hat Martin Weis über 50 internationale Großkonzernen unter anderem im Dax40 gelisteten und Fortune 100 Unternehmen erfolgreich bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer technologischen Transformation- und Automatisierung unterstützt. Er ist maßgeblich daran beteiligt, die Technologieagenda für Unternehmenskunden voranzutreiben.

Herr Weis, Sprachmodelle als Teil der Generativen-KI sind hoch im Trend. In Deutschland ist Aleph Alpha das Vorzeigeunternehmen auf diesem Gebiet – wie sehen Sie die Zukunft dieser Lösungen und die weiteren Geschäftsaussichten?

Sprachmodelle werden sich zur Commodity entwickeln. Jeder, der heute eine KI-Lösung entwickeln will, kann sich ein Sprachmodell von der Stange kaufen. Das Trainieren eines Sprachmodells dauert ja auch nur noch 20 Tage und nicht mehr anderthalb Jahre. Die Anbieter von Sprachmodellen werden eine Nische finden müssen, beispielsweise ein spezielles Sprachmodell für den Life-Science-Bereich, mit einem ganz speziellen Wortschatz.

Und was Aleph Alpha betrifft: Ich bin ja auch im Kontakt mit dem Bundesverband Deutsche KI und weiß, was die alles machen; und ich finde das alles auch ganz toll. Doch was den Business-Case angeht, so denke ich, dass sie nur dann eine Chance haben, wenn sie sich nicht als Generalisten aufstellen. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise eine Art EU-Compliant-Sprachmodell zu entwickeln. Das wäre für Europa eine gute Sache. Schließlich wissen wir nicht, ob die großen US-Anbieter nicht eines Tages sagen: „Die Vorgaben und Regulierungen in der EU sind uns zu kompliziert und die Strafen zu hoch, wir lizenzieren unsere Lösungen nicht mehr für europäische Kunden.“ Hier könnte dann Aleph Alpha möglicherweise eine solide Alternative sein.

Schon lange, bevor der Hype mit ChatGPT losbrach, gab es bereits KI-Lösungen, hauptsächlich in Form von Prognosemodellen und Bildverarbeitung; Stichworte Predictive Maintenance und Qualitätskontrolle. Wie steht es um die Aussichten dieser Anwendungen, werden sich verschiedene KI-Welten in unterschiedliche Richtungen entwickeln?

Das geht alles in generativer KI auf. Man kann ja die Zahlen eines Datensatzes in Worte übersetzen und dann mit einem Sprachmodell verarbeiten – und es dann anschließend wieder rückübersetzen. Vorhersagen sind ja so aufgebaut, dass sie das nächste höchstwahrscheinliche Ereignis bestimmen und beim Sprachmodell ist das das nächste beste Wort und der nächste beste Ausdruck. Da gibt es strukturell viele Übereinstimmungen.

Es gibt ja schon GPT-Plug-ins über die man explorative Datenanalyse machen kann. Füttert man dieses Plug-in mit einer Excel-Datei mit den jeweiligen Umsatzzeitreihen, bekommt man als Ergebnis eine produktbezogene Absatzprognose. Gleiches gilt für die Bildverarbeitung. Also: Es wird eher keine parallelen KI-Welten geben, die Technologie der generativen KI-Methoden wird sich bei allen KI-Lösungen durchsetzen.

Kommen wir noch zu den Sorgen um KI: Wie viele Berater werden Sie durch KI ersetzen?

Das ist ein guter Punkt. Da kommt was auf uns zu – nicht nur bei der IT- und Unternehmensberatung, sondern auch bei der Rechts- und Steuerberatung. In allen Fällen wird es dazu führen, dass auf der untersten Beratungsebene generative KI den Job komplett übernehmen kann: beispielsweise eine Beratung, weil man zu schnell gefahren ist, weil das Finanzamt einen Freibetrag nicht anerkennt oder weil ein Förderbescheid abschlägig beschieden ist. Und auch die IT-Chefs werden sich bald einfache Planungshilfen per KI geben lassen, das ist schneller und billiger als alles andere.

Vielen Dank für Ihre Antworten, Herr Weis.

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(fo)