Dunkelflauten: Elektrolyseure sind der Flaschenhals

Um Phasen ohne Wind und Sonne zu überstehen, benötigt Deutschland künftig rund 40 Terawattstunden an Speichern. Der wichtigste Flaschenhals sind Elektrolyseure.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 641 Kommentare lesen

Das deutsch-italienische Unternehmen Enapta hat modulare Elektrolyseure entwickelt, die sich wie Batterien in großen Racks unterbringen lassen. Der Trick: Gruppen von je zehn Modulen werden, je nach Bedarf, getrennt angesteuert – hier eine Anlage für 420 Module mit einer Leistungsaufnahme von einem Megawatt. Nach eigenen Angaben hat Enapta bereits 3700 Elektrolyseure in 50 Ländern verkauft.

(Bild: Enapter)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Um längere Phasen ohne Wind und Sonne zu überstehen, benötigt allein das deutsche Stromnetz künftig rund 40 Terawattstunden an Speichern. Der wichtigste Flaschenhals auf dem Weg dorthin ist die Produktionskapazität der nötigen Elektrolyseure, wie das Magazin MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 2/2024 berichtet (jetzt am Kiosk oder hier zu bestellen).

Seine bislang härteste Prüfung in diesem Winter überstand das Netz am Freitag, dem 1. Dezember 2023, am späten Vormittag. Trübes Wetter und schwacher Wind traf auf einen hohen Strombedarf. Die Erneuerbaren konnten nur noch knapp 17 Prozent der Last schultern. Fossile Kraftwerke sprangen in die Bresche. Rund 16 Gigawatt steuerten Gaskraftwerke bei, weitere 28 Gigawatt kamen von Kohlekraftwerken.

Der für 2030 geplante Kohleausstieg ist dabei noch das kleinere Problem. Rein rechnerisch würde die Leistung der installierten Gaskraftwerke zunächst ausreichen, die Lücke zu füllen. Spätestens, wenn Deutschland bis 2045 völlig ohne fossile Brennstoffe auskommen will, wird es aber eng. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Möglichkeiten, extreme Lastspitzen zu kappen – etwa durch den Ausbau des europäischen Stromnetzes, durch Lastverschiebung bei Großverbrauchern oder durch den gezielteren Einsatz von Biomasse.

Doch selbst, wenn man alle diese Optionen ausreizt, würden sie nicht ausreichen. Es braucht also Stromspeicher. Um die nötige Kapazität abzuschätzen, haben Oliver Ruhnau von der Hertie School in Berlin und der britische Unternehmensberater Staffan Qvist die Energie- und Wetterdaten von 35 Jahren in stündlicher Auflösung analysiert. Die längsten Dunkelflauten dauerten demnach rund zwei Wochen am Stück. Doch das war nicht alles: Oft folgten mehrere Dunkelflauten dicht hintereinander. Dann steht zwischendurch nicht genug erneuerbare Energie zur Verfügung, um die Speicher wieder zu laden. Insgesamt können dadurch Phasen mit Energiedefiziten (unter Einbeziehung der Speicherverluste) bis zu zwölf Wochen anhalten. Eine weitere Erkenntnis: In den extremsten Jahren war der Speicherbedarf mehr als doppelt so hoch wie in einem Durchschnittsjahr. Um auch für solche Extremfälle gewappnet zu sein, veranschlagen Ruhnau und Qvist den Speicherbedarf auf 36 TWh Strom. Andere Studien kommen auf ähnliche Größenordnungen.

Deutsche Pumpspeicherwerke können derzeit knapp 40 GWh liefern. Und neue Pumpspeicherseen lassen sich kaum noch zubauen, denn dazu müsste man ganze Täler fluten. An Batterien sind derzeit gut 11 GWh installiert, das meiste davon als Heimspeicher. Bis Mitte des Jahrhunderts halten die Analysten von Frontier Economics zwar allein in Deutschland knapp 300 GWh an großen Batteriespeichern für möglich, doch auch dies wäre nur ein Bruchteil des Bedarfs. "Mit den heute bekannten Technologien kommen für die Langzeitspeicherung derart großer Energiemengen nur chemische Energiespeicher (zum Beispiel Wasserstoff oder Methan) infrage", folgert der Branchenverband VDE.

Die neue MIT Technology Review 2/2024

Zur Wasserstofferzeugung sind hierzulande rund 100 Megawatt an Elektrolyseleistung installiert. Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie will die Bundesregierung die Leistung bis 2030 auf 10 GW ausbauen. Das soll für etwa 28 TWh Wasserstoff im Jahr reichen. Rechnet man die Umwandlungsverluste bei der Verstromung hinzu, entspricht das also gerade einmal einem Viertel bis einem Drittel des angenommenen Wasserstoffbedarfs.

Selbst das 10-GW-Ziel ist schon ambitioniert. "Elektrolyseure selbst könnten sich als globaler Flaschenhals herausstellen", heißt es in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mehr als ein Drittel der weltweiten Produktionskapazitäten sitzen bereits in China, Tendenz steigend. Es droht also eine weitere geopolitische Abhängigkeit. Die nötigen Fabriken innerhalb der EU zu schaffen, würde einen "beispiellosen Fortschritt" bei Produktion und Installation erfordern, was "vermutlich nur mit einer zentralen Steuerung von Ressourcen wie in Kriegszeiten möglich wäre". Import von Wasserstoff würde das Ressourcenproblem jedenfalls nicht lösen, da auch potenzielle Exportländer um die gleichen Kapazitäten bei den Herstellern von Elektrolyseuren konkurrieren.

Ein weiteres Problem: Wegen der Umwandlungsverluste muss das Stromsystem ein Vielfaches der Energie aufbringen, die es den Speichern später wieder entnehmen kann. Würde die Leistung der Erneuerbaren dafür überhaupt ausreichen? Die Pläne der Bundesregierung sehen bis 2030 einen Zubau auf 145 GW an Windenergie und 215 GW an Solaranlagen vor. Zum Vergleich: Die maximale Last im Stromnetz lag bisher im Bereich von 80 GW. Es dürfte also regelmäßig überschüssigen grünen Strom geben – wenn der Ausbau denn auch wirklich wie geplant vorankommt. Bei der Offshore-Windkraft hapert es beispielsweise an den nötigen Installationsschiffen und den geeigneten Häfen. Beides lässt sich nicht einfach per Gesetz herbeizitieren.

"All diese Ausblicke in die Zukunft gehen davon aus, dass alle Entscheidungen immer rationell getroffen werden", schreibt Michael Sterner, Professor für Energiespeicher an der OTH Regensburg, in seinem Buch "So retten wir das Klima". "Und dass die Transformation unter idealen Bedingungen stattfindet – also immer zu jeder Zeit genügend Arbeitskräfte und Material vorhanden sind. Wir wissen aus unserer Erfahrung, dass das nicht der Fall ist." Daher wäre ein zeitlicher Puffer gut, so Sterner. "Den haben wir aber nicht. Leider. Nicht mehr."

(grh)