E-Patientenakte: "Wer nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch dabei"

Nach 20 Jahren Debattieren muss "jetzt einfach was passieren" bei der elektronischen Patientenakte, fordert Karl Lauterbach. Das gelte auch fürs E-Rezept.

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(Bild: BlurryMe/Shutterstock.com)

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Dampf machen beim Einsatz der elektronischen Patientenakte (ePA). Das in Grundsätzen seit 20 Jahren diskutierte Konzept für ein digitales Archiv etwa mit Arztbriefen, Befunden und verschriebenen Medikamente solle nun endlich für alle Wirklichkeit werden, erklärte der SPD-Politiker im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Dafür werde das bereits beschlossene Opt-out-Prinzip beitragen: "Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch dabei." Es müsse "jetzt einfach etwas passieren", weil Digitalisierung "wichtiger Bestandteil moderner Medizin" sei.

Kürzlich hatte Lauterbach noch eingeräumt, dass die ePA bislang eine Illusion sei. "Bisher kann man mit der Akte auch in der Praxis noch wenig anfangen", bestätigte der Sozialdemokrat nun. "Auch deshalb nutzen das derzeit weniger als ein Prozent der Patienten." Das wolle er ändern: Ende 2024 werde die ePA daher "für alle verbindlich". Von der Möglichkeit zum Widerspruch Gebrauch machen wollen laut einer Umfrage hierzulande insgesamt 31 Prozent der Betroffenen. Die Akte war 2021 zunächst als freiwilliges Angebot über Smartphone-Apps für die 74 Millionen gesetzlich Versicherte eingeführt worden.

Das deutsche Problem mit der Digitalisierung liegt laut Lauterbach darin: "Wir machen viele Dinge zu kompliziert." Dies wolle er bei der weiteren Ausgestaltung der ePA vermeiden. Sie werde künftig auch bei den Patienten verfügbar sein, "die sich selbst nicht mit der Einrichtung" beschäftigen möchten: "Sie kann und soll von den Ärzten zum Austausch von Informationen genutzt werden." Das Gesundheitsministerium warte nicht länger, "bis es für alle Befunde eine standardisierte Datenstruktur gibt." Für den Anfang werde es möglich sein, einfach PDF- oder Word-Dateien einzuspeisen. Künftig werde auch jeder behandelnde Arzt Zugang zu der Akte bekommen, solange der Patient nicht widerspreche.

Die Alternative wäre viel unsicherer, versuchte der Professor Bedenken zu beschwichtigen. Denn dann müssten Ärzte und Patienten weiter Befunde per E-Mail, Fax oder Post verschicken. Mit der Akte wäre es dagegen etwa auch möglich, "Impf-Erinnerungen basierend auf der eigenen Impfhistorie" durchzuführen. Parallel solle das elektronische Rezept verbindlich werden. Hier stoppte zuletzt die verbliebene Pilotregion Westfalen-Lippe ein Pilotprojekt in 250 Arztpraxen, nachdem der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sein Veto gegen die Nutzung von Versichertenkarten eingelegt hatte.

Lauterbach hält auch an der Initiative seines Vorgängers Jens Spahn (CDU) fest, Patientendaten im großen Stil in pseudonymisierter Form für wissenschaftliche Zwecke zu kombinieren und auszuwerten. "Wenn wir da nicht wirklich etwas bewegen, spielen wir in der pharmazeutischen Forschung bald keine Rolle mehr." Gegen das Vorhaben sind noch Klagen vor Sozialgerichten anhängig. Mit einer breiten Bewegung gegen die Neuerungen auch in der Ärzteschaft rechnet der Minister trotzdem nicht. Die Anwendungen würden so konzipiert, "dass sie der medizinischen Versorgung jedes Patienten dienen". Ein großer Teil der Bevölkerung sei zudem der Digitalisierung gegenüber positiv eingestellt.

(tiw)