EU-Datengesetz: "Großer Wurf", aber auch ein Drahtseilakt

Der von der EU-Kommission geplante "Datenzugang by Design" für vernetzte Dinge stößt auf ein geteiltes Echo. Ziel ist ein "datenpolitischer Goldstandard".

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(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

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Aus Wissenschaft, Politik und IT-Branche gibt es viel Lob für das von der EU-Kommission geplante Datengesetz. Zumindest ein Feinschliff ist laut der Vielzahl an erfolgten Reaktionen aber noch nötig. Als "großen Wurf" und "einen weiterer Edelstein in der Krone der EU-Plattformregulierung" bezeichnete etwa Matthias Kettemann vom Leibniz-Institut für Medienforschung den ambitionierten Vorschlag. Der geplante "Data Act" sei "ein großes und wichtiges Puzzlestück im Rahmen der Reform des EU-Datenraums".

Mit dem am Mittwoch vorgestellten Datengesetz werde das Management des wohl wichtigsten Rohstoffs unserer Zeit "demokratischer, offener, fairer, menschenzentrierter und wettbewerbsfreundlicher", erläuterte Kettemann gegenüber dem "Science Media Center". Es sei sehr wichtig, dass Daten "entlang der Wertschöpfungs- und Lieferkette zurückfließen und nicht monopolisiert werden". Die Initiative sorge "für mehr Wettbewerb auch im Bereich Reparatur und Wartung, indem hier eine Pflicht zur Weitergabe von Daten festgelegt wird". Bestimme Arten des Profiling und Designtricks wie Dark Patterns würden verboten.

"Es handelt sich um ein überragend wichtiges Legislativprojekt, das sich anschickt, das Herzstück eines im Entstehen befindlichen EU-Datenwirtschaftsrechts zu werden", meint der Potsdamer IT-Rechtler Björn Steinrötter. Positiv sei zu bewerten, dass sich die Kommission für Zugangsrechte und nichtfür eine Art "Dateneigentum" mit Exklusivitätsrechten entschieden habe. Für die Frankfurter Informationsrechtlerin Indra Spiecker ist das Vorhaben der Kommission "naiv, wenn es um die Verwendung von Daten geht und trägt den dahinterstehenden Werten und Interessen nicht ausreichend Rechnung".

In der Tragweite dürften der Data Act der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Digital Services Acts (DSA) wenig nachstehen, meint der Stuttgarter Medienrechtler Tobias Keber. Das Verbot der Datenweitergabe an große Tech-Konzerne, die als Gatekeeper fungieren, habe "durchaus protektionistische Züge und wäre auf ihre welthandelsrechtliche Zulässigkeit" zu untersuchen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begrüßte den Aufschlag aus Brüssel: "Auch bei der Frage des Datenzugangs darf nicht das Recht des Stärkeren gelten." Unerlässlich seien hier "klare und faire Regeln". Der präsentierte Ansatz dürfe aber nicht "zu Lasten des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gehen". Zudem müssten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden, um einen "datenpolitischen Goldstandard" zu setzen.

Der IT-Verband Bitkom gab zu bedenken, dass der Data Act Auswirkungen weit über die Digitalbranche hinaus habe. Er müsse so gestaltet werden, "dass er die europäische Datenwirtschaft auf Augenhöhe mit den weltweit führenden Digitalstandorten bringt". Kritisch sehe man etwa "die vorgesehenen Eingriffe in die Vertragsfreiheit zwischen Unternehmen" sowie die Kompetenzen der Kommission zur Vorgabe von Standards für Cloud-Dienste und Datenräume. Bei diesen jungen Märkten bestehe die Gefahr, dass Wettbewerb und Innovation in Europa "wegstandardisiert" würden.

Unternehmen bräuchten Rechtssicherheit im Umgang mit Daten und europaweit harmonisierte Standards, betonte der eco-Verband der Internetwirtschaft. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) entstünden "aus den Daten unserer digitalisierten Welt zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen, etwa für das autonome Fahren oder die Krebsvorsorge", sagte Karl-Heinz Streibich, Co-Vorsitzender der Plattform Lernende Systeme. Damit KI ihre Innovationskraft entfalten könne, seien offene Datenräume unerlässlich.

Der Automobilclub von Deutschland (AvD) hatte die Kommission vorab aufgefordert, "die Rechte der Autofahrer an ihren Fahrzeugdaten zu schützen und zu stärken". Fahrzeuge der aktuellen Modellgenerationen erzeugten und verarbeiteten im Betrieb eine "Unmenge von Daten". Verbraucher müssten ein Recht haben zu wissen, welche Art von Messwerten ihr "Computer auf Rädern" zu welchem Zweck erhebt. Sonst könnte das Fahrverhalten inklusive der Anlage individueller Fahrprofile ständig überwacht werden.

Die für Digitales zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager räumte ein, dass es sich bei dem Datengesetz teils um einen Drahtseilakt handle etwa beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Hauptbegünstigte seien kleine und mittlere Unternehmen, die auch von einem "Fairness-Test" für Verträge profitierten. Für personenbezogene Informationen gelte weiter die DSGVO.

Von einem zunächst horizontalen Rahmen sprach Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die Exekutivinstanz werde in spezifischen Sektoren wie Verkehr oder Gesundheit noch zusätzlich tätig werden. Zu Mobilität und vernetzten Autos kündigte der Franzose eine Konsultation über den konkreten Datenzugang an. Prinzipiell gelte etwa auch für einen zusätzlichen Fahrgast in einem Auto: Der Nutzer habe die Möglichkeit zu sagen, welche Daten übermittelt werden sollen. Es gehe vor allem darum, das Potenzial von Industriedaten zu "entsperren".

(vbr)