EU-Klimapaket: Wende für Autoindustrie, historische Chance verpasst

Mit 12 Gesetzesinitiativen will die EU-Kommission den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55% drücken. Kritik gibt es am zögerlichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

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aufgelassene Tankselle mit Skeletten dreier Zapfsäulen

Zukünftiges Tankstellen-Schicksal

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Einen "Wendepunkt für die Autoindustrie" sieht die Umweltschutz-Förderation Transport & Environment (T&E) erreicht. Anlass ist das Klimaschutzpaket "Fit for 55" der EU-Kommission. Es sieht vor, ab 2035 nur noch lokal emissionsfreie Autos zuzulassen. Laut T&E wird das "Elektrofahrzeuge in Europa demokratisieren".

Autos seien für zwölf Prozent aller menschengemachten Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich, erklärt T&E. Die Umstellung von Verbrennermotoren auf vollelektrische Autos sei "ein entscheidender Schritt", um bis zur Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Ein neuer CO2-Markt für Straßenkraftstoffe könnte die Preise zudem bis 2028 um etwa 5 Cent pro Liter erhöhen.

Skeptischer zeigt sich der Verkehrsclub Deutschland (VCD): "Die Pläne der Kommission lassen Autoherstellern noch bis 2030 einen großen Spielraum, weiterhin massenweise Autos mit Verbrennungsmotor zu verkaufen". Richtig sei aber das Signal, zumindest ab 2035 "das E-Auto quasi zum Standard" zu machen.

Die "Fit for 55"-Strategie sieht auch vor, dass entlang der wichtigsten europäischen Schnellstraßen mindestens alle 60 Kilometer Schnellladestationen für E-Autos errichtet werden. Für den Schwerlastverkehr sollen die EU-Länder sicherstellen, dass alle 150 Kilometer eine Wasserstofftankstelle erreichbar ist.

Die Kommission will zudem die Steuerbefreiung für Flugzeugtreibstoff schrittweise beenden und Kerosin im Laufe der Zeit durch umweltfreundliche Alternativen ersetzen. In "krassem Gegensatz dazu" stehe die starke Förderung des fossilen Treibstoffs Gas in der Schifffahrt, beklagt T&E-Direktor William Todts. "Wir brauchen ein Gesetz (…) das stattdessen wirklich grüne Treibstoffe wie Ammoniak fördert."

Der Anteil erneuerbarer Energiequellen am europäischen Strommix soll durch die geplanten Richtliniennovelle auf 40 Prozent verdoppelt werden. Das Paket beinhaltet zudem Revisionen der Energieeffizienz- sowie der Energiebesteuerungsrichtlinie, verschärfte CO2-Flottenziele, eine Novelle des Emissionshandels und einen Vorschlag für einen CO2-Grenzausgleichmechanismus mit einem speziellen Zoll, um die europäische Industrie vor unfairem Wettbewerb zu schützen.

Trotzdem verpasse die Kommission die "historische Chance", aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, kritisiert das Europäische Umweltbüro (EUB). Der Dachverband von über 160 Umweltorganisationen reibt sich daran, dass für mindestens zwei weitere Jahrzehnte die Tür im EU-Energiesystem für Kohle, Gas und Öl offen bleibe.

Das "wichtigste Dossier des Jahres" für den Green Deal liefert laut dem EUB nicht nur keine klimaneutralen Fahrpläne und sektorspezifischen Ziele, sondern "schützt die Industrie auch weiterhin davor, die vollen Kosten der Umweltverschmutzung zu zahlen". Die Einführung eines Emissionshandelssystems für Gebäude und Verkehr bei gleichzeitiger Beibehaltung kostenloser CO2-Zertifikate für Konzerne und die Verwendung öffentlicher Mittel zur Finanzierung fossiler Brennstoffe in Europa verlagert de facto die Kosten der Kontamination von den eigentlichen Verursachern auf den Endverbraucher.

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Die Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz liegen dem EUB zufolge weit unter dem Ambitionsniveau, das erforderlich sei, um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten. Dies werde die Energiewende in den Mitgliedsstaaten verzögern. Das EU-Parlament müsse dringend nachbessern.

Die Ausgestaltung des neuen Emissionshandelssystems sei mangelhaft, moniert auch Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Ausschüttung der CO2-Steuern an Verbraucher sei vom guten Willen der EU-Mitgliedstaaten abhängig. Ein Teil der Einnahmen gehe direkt in Projekte großer Unternehmen.

Es müssten fossile Brennstoffe und nicht Antriebstechnik verboten werden, zeigte sich die E-Fuel-Alliance unzufrieden mit dem präsentierten Ansatz. Das Paket sollte erneuerbaren Energien in Form von Strom, Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffe, die mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 produziert werden, gleichermaßen zum Durchbruch verhelfen. Ein klimaneutraler Verbrennungsmotor sei schließlich viel besser als ein E-Fahrzeug, "das mit Strom aus fossilen Kraftwerken fährt".

(ds)