EU: Neue Regeln für Breitband, 5G, Anbieterwechsel und Ferngespräche

Vertreter der EU-Staaten und des Parlaments haben sich auf eine Linie zur Telecom-Regulierung geeinigt. So sollen Verträge frühzeitig gekündigt werden können.

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EU: Neue Regeln für Breitband, 5G, Anbieterwechsel und Ferngespräche

(Bild: Jesuwoz)

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Verhandlungsführer des EU-Rats, des Parlaments und der Kommission haben sich nach mehrmonatigen Unterredungen in der Nacht zum Mittwoch auf einen "europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation" verständigt. Das umfangreiche Paket zur Reform der Regulierung des Telekommunikationsmarkts soll unter anderem Investitionen in den Ausbau schneller Breitbandnetze wie Glasfaser auch in ländlichen Räumen fördern. Zudem sollen die für den Mobilfunkstandard 5G erforderlichen Funkfrequenzen bis Ende 2020 in der Gemeinschaft verfügbar sind. Netzbetreiber sollen Sicherheiten erhalten, dass sie das Spektrum bis zu 20 Jahre nutzen können.

Günther Oettinger (CDU) hatte zu seinen Zeiten als Digitalkommissar 2016 den "Telekom-Kodex" auf den Weg gebracht. Dabei hatte er die Parole ausgegeben, dass bis 2025 jedem Haushalt in der EU ein Internetanschluss mit mindestens 100 MBit/s zur Verfügung stehen soll, der auf 1 GBit/s aufgestockt werden kann. Von solchen konkreten Zielen ist ein den ersten Verlautbarungen der Kommission und der Abgeordneten zu dem Kompromiss keine Rede. Demnach sollen vor allem Ko-Investitionsmodelle im Einklang mit kooperativen Ansätzen sowie ein "nachhaltiger Wettbewerb" dafür sorgen, dass mehr Breitband mit höheren Geschwindigkeiten in die Fläche kommt.

Den Regulierungsbehörden will Brüssel mehr Möglichkeiten geben, die "echten Flaschenhälse" beim Netzausbau zu bekämpfen – beim Verlegen von Leitungen. Dazu kommen soll ein spezifisches Kontrollregime für Großhändler von Telekommunikationsdiensten. Die Kommission könne künftig zudem enger mit dem Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) zusammenarbeiten in Bereichen wie der "symmetrischen Regulierung", für die sich vor allem die Deutsche Telekom stark macht. Demnach sollen die Aufsichtsbehörden ihr Augenmerk jenseits der klassischen Telecom-Firmen auch auf TV-Kabelnetzbetreiber und "Over-the-Top"-Anbieter (OTT) wie Skype oder WhatsApp werfen.

Die Vorschriften zum Verbraucherschutz wollen die EU-Gesetzgeber verbessern. So konnten sich die Volksvertreter etwa mit ihrer Forderung durchsetzen, die Kosten für Telefongespräche in andere Mitgliedsstaaten zu senken. Der Höchstbetrag soll bei 19 Cents pro Minute liegen, während die Durchschnittspreise bisher laut des europäischen Verbraucherschutzverbands BEUC zwischen 60 Cent und 1,99 Euro pro Minute liegen.

Auch bei den Bedingungen für einen Anbieterwechsel punkteten die Abgeordneten gegenüber der Linie des Ministerrats. So soll es Kunden bald gestattet werden, unter bestimmten Umständen etwa bei Bündelangeboten laufende Verträge ganz oder teilweise frühzeitig zu kündigen. Die Option für eine Rufnummernmitnahme müssen Anbieter dabei einen Monat lang garantieren. Die Verbraucher sollen zudem präzise und einfach verständliche Zusammenfassungen von Verträgen erhalten inklusive Angaben zu rückerstattbaren Prepaid-Beträgen, möglichen Kosten bei einer frühzeitigen Kündigung oder Kompensationsvereinbarungen, falls ein Dienst hinter zugesicherten Qualitätsebenen wie der Internetgeschwindigkeit zurückbleibt.

Provider werden angehalten, Verschlüsselung einzusetzen, um die Auswirkungen von Sicherheitsvorfällen auf die Nutzer zu minimieren. Dazu kommen sollen Auflagen für einen besseren Schutz vor Malware oder Hackerangriffen. Vorgesehen ist auch ein System, das die Bürger per SMS vor direkt drohenden Katastrophen und Notfällen wie einer Terrorattacke oder Unwettern warnt. Dafür sollen die Anbieter auch Apps entwickeln können. Zudem sollen die Ortungsmöglichkeiten etwa bei Notrufen genauer werden.

Die Kommission betont insgesamt, dass die Bürger Zugang zu erschwinglichen Kommunikationsdiensten einschließlich eines "universell verfügbaren Internetanschlusses" erhielten, um Dienste wie E-Government, Online-Banking oder Videoanrufe besser durchführen zu können. Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident Andrus Ansip bezeichnete die Vereinbarung als "unabdinglich, um den wachsenden Konnektivitätsbedürfnissen der Europäer nachzukommen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken".

BEUC-Dirketorin Monique Goyens lobte die Übereinkunft, mit der "einige wichtige Verbraucherschutzbestimmungen auf einen neuen Stand gebracht werden". Die Europäische Allianz lokaler Glasfaserausbauer (ELFA) und der ihr angehörige Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) begrüßten, dass die umstrittene symmetrische Regulierung an hohe Voraussetzungen geknüpft werde. Ausgenommen würden etwa Betreiber, die ihre Netze für "Open Access" öffneten. Ein solcher Ansatz beschleunige den Glasfaserausbau in der Fläche und schütze "vor volkswirtschaftlich unsinnigem Überbau".

Der Telecom-Verband ETNO, der die Deutsche Telekom und Orange aus Frankreich zu seinen Mitgliedern zählt, spricht dagegen von einer "verpassten Gelegenheit", die Regulierung zu entschlacken. Der Kodex werde die eigentlich dringend erforderlichen Investitionen in 5G- und Glasfasernetze nicht beflügeln, da er ein bereits "lastenreiches System" noch verkompliziere. Dazu komme eine ungerechtfertigte neue Preisregulierung bei Auslandsgesprächen. Das Gesetzespaket muss formell noch vom Rat und dem Parlamentsplenum angenommen werden. Danach haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen. (mho)