EU-Plan für Gemeinschaftspatent weckt neue Befürchtungen

Die Gewerkschaft des Europäischen Patentamts moniert, dass durch den Brüsseler Vorstoß zur "Vertiefung" des Patentsystems die Rechte des EU-Parlaments unterlaufen werden könnten. Das US-Patentamt erhöht derweil die Quote der Anerkennungen gewerblicher Schutzrechte.

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Die Gewerkschaft des Europäischen Patentamts (SUEPO) sieht den Brüsseler Vorstoß zur "Vertiefung" des Patentsystems kritisch. Das geplante Gemeinschaftspatent und eine mögliche einheitliche Patentgerichtsbarkeit sei zwar zu begrüßen, das "komplexe" europäische Patentwesen müsse dringend novelliert werden, schrieb die Mitarbeitervertretung in einem Brief an den Präsidenten des EU-Parlaments, Jerzy Buzek. Die SUEPO-Spitze warnt aber auch davor, dass das vom EU-Rat vorgeschlagene Verfahren die Rechte des EU-Parlaments unterlaufen könnte. Das Europäische Patentamt (EPA) würde möglicherweise zu einem "externen Gesetzgeber". Den Brief hat der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) veröffentlicht.

Der Ministerrat hatte sich Ende 2009 darauf geeinigt, dass das Gemeinschaftspatent durch den Anschluss der EU an das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) geschaffen werden soll. Das EPA vergibt derzeit auf Basis des von der Europäischen Patentorganisation (EPO) ausgehandelten Abkommens nationale Patente von Ländern, die der EPO angehören. Die EU zählt bislang nicht dazu, soll aber künftig in das EPÜ-System eingegliedert werden.

Die SUEPO freut sich nun grundsätzlich über das Vertrauen, das Brüssel der Münchner Patentbehörde entgegenbringen will. Sie weist aber darauf hin, dass sich EPA-Gremien derzeit nicht formell an die EU-Gesetzgebung gebunden fühlten. Sollte die EU zum EPÜ allein durch eine "vertragliche Beziehung" zwischen Brüssel und dem Patentamt beitreten, könnten die europäischen Verfahren, die dem EU-Parlament ein Mitbestimmungsrecht im Gesetzgebungsprozess erlaubten, "umgangen" werden. Das EPA bliebe nämlich rechtlich weiterhin "außerhalb der EU-Institutionen" angesiedelt. Zudem befände sich das EPÜ nach wie vor nicht in der Reichweite nationaler Verfassungsgerichte. Das könnte zu Beschwerden bei diesen Gerichten führen.

Auch der Europäische Gerichtshof könne die Gültigkeit der geplanten Regelung in Frage stellen, moniert die Gewerkschaft weiter. Ein Ansatzpunkt für Klagen dort sei etwa, dass europäische Volksvertreter unzureichend in den Prozess eingebunden werden. Letztlich könnten einzelne Patentanmelder, Inhaber gewerblicher Schutzrechte oder Dritte die Rechtssicherheit der gesamten Konstruktion auf den Prüfstand stellen.

Andere Gegner des Vorhabens wie der FFII beklagen seit Längerem, die Harmonisierung könne eine Hintertür für Softwarepatente öffnen; die weite, Schutzrechte auf computerimplementierte Erfindungen einschließende Vergabepraxis des EPA könne in der EU kodifiziert werden. Ein aktueller Bericht (PDF-Datei) des ehemaligen Wettbewerbsexperten der EU-Kommission, des Italieners Mario Monti, an Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat dagegen die Verzögerungen beim Gemeinschaftspatent als "größte Lücke für den Binnenmarkt" ausgemacht. Der Stillstand müsse nun beendet und die neue Initiative "dringend" beschlossen werden.

Das US-Patentamt erhöht unterdessen die Rate der Anerkennungen gewerblicher Schutzrechte deutlich. Allein in den vergangenen drei Wochen habe die Behörde 4517 Patente pro Woche erteilt, was 40 Prozent über dem durchschnittlichen Vergleichswert im vergangenen Jahr liege, meldete der Rechtsprofessor Dennis Crouch in seinem Blog. Der Chef der Einrichtung, David Kappos, habe in einer Anhörung im US-Abgeordnetenhaus zudem das Ziel ausgegeben, bis 2014 die durchschnittliche Dauer bis zu einer ersten Würdigung einer Anmeldung auf zehn Monate zu reduzieren. Bis 2015 soll die durchschnittliche Prüfzeit auf 20 Monate sinken. Zugleich will Kappos eine durchgängige IT-Infrastruktur zur Bearbeitung von Anträgen schaffen. (anw)