EU-Verbot droht: Schufa spielt Bedeutung ihres Scores herunter​

Geschäftskunden der Schufa sollen schriftlich bestätigen, dass ihr automatisch generierter Bonitätswert für Verträge mit Verbrauchern "kein K.-o.-Kriterium"ist.

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(Bild: Zapp2Photo / Shutterstock.com)

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Die Schufa hat ihre Strategie umgestellt, mit der sie einen Kernaspekt ihres Geschäftsmodells retten will. Priit Pikamäe, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht davon aus, dass die automatisch erstellten Wahrscheinlichkeitswerte (Scores) der Wirtschaftsauskunftei über die Bonität der Bürger nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar sind. Die Schufa behauptete dazu im März: "Die Art der Berechnung des Scores wird vom Generalanwalt in seinem Schlussantrag nicht beanstandet." Mittlerweile argumentiert das Unternehmen so: Es unterstütze angeschlossene Firmen nur mit Auskünften und Verbraucherprofilen bei der Entscheidungsfindung. Daher sei die DSGVO für die Schufa selbst in diesen Fragen gar nicht maßgeblich.

Um diese Linie zu untermauern, bittet die Wiesbadener Auskunftei aktuell die Abnehmer ihrer Verbraucherbewertungen schriftlich zu bestätigen, dass der Score gar nicht so wichtig sei. Über ein entsprechendes vertrauliches Schreiben berichten der NDR und die Süddeutsche Zeitung (SZ). Geschäftskunden sollen demnach ein zweiseitiges Papier unterzeichnen, wonach der Wahrscheinlichkeitswert über potenzielle Kreditausfälle bei ihnen eine "Vertragsentscheidung nicht bereits vorwegnimmt". Die Angeschriebenen würden mit einer Unterschrift zudem bekunden, dass der Score für sie "kein K.-o.-Kriterium für die Begründung eines Vertragsverhältnisses" sei. Dieser führe auch "nicht zu einer automatischen Ablehnung eines Vertragsabschlusses".

Beim Anmieten einer Wohnung, dem Abschluss eines Handyvertrags oder beim Wechsel des Stromanbieters kommt schnell die Schufa ins Spiel. Vor allem Banken, Online-Händler, Telekommunikationsanbieter oder Energieversorger fragen häufig erst Auskunfteien nach der Kreditwürdigkeit einer Person. Diese schicken dann zusätzlich zu allen relevanten Einträgen in ihrer Datenbank einen Score-Wert. Er soll die Wahrscheinlichkeit widerspiegeln, ob der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt oder Ausfälle drohen. Die Auskunfteien verweisen darauf, dass Wirtschaftspartner Entscheidungen letztlich auch auf Basis weiterer Daten fällen sollten, die sie über einen interessierten Kunden haben.

Der Schufa-Score habe oft sehr große Auswirkungen "auf das Leben und die Lebensentscheidungen von vielen Menschen in Deutschland", konstatiert Matthias Spielkamp von der Transparenzorganisation AlgorithmWatch laut dem Bericht. Der Wert sei tonangebend für zahlreiche Kreditentscheidungen. Auch viele der Angeschriebenen sollen sich irritiert gefühlt haben. Die Schufa teilte NDR und SZ indes mit: "Wir gehen nach aktuellem Kenntnisstand davon aus, dass der Score in aller Regel nicht maßgeblich für die Entscheidungsfindung ist." Dies lasse sich Kundengesprächen entnehmen. Die Abfrage bei den Abnehmern sei mit Blick auf das in Bälde zu erwartende EuGH-Urteil trotzdem wichtig, um klar herauszufinden, "ob der Score tatsächlich in aller Regel nicht maßgeblich ist". Schließlich könnte es "doch spezifische Fälle" geben, in denen sich die Situation anders darstelle.

Sollten die Luxemburger Richter der Einschätzung des Generalanwalts folgen, müssten womöglich "Prozesse angepasst werden", heißt es bei der Schufa. Das Handeln des Unternehmens würde dann "selbstverständlich" auf die neuen Gegebenheiten ausgerichtet. Fragen in einem der vom EuGH verhandelten Fälle hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden vorgelegt. Es will etwa wissen, ob das Erstellen von Score-Werte über Individuen und deren unkommentierter Transfer an Dritte unter Artikel 22 DSGVO fällt. Dieser besagt, dass Personen "nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen" werden dürfen, wenn letztere "ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt".

(mack)