EU erwägt Aktionsplan gegen "Produkt- und Internetpiraten"

EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy will Lösungen gegen die "moderne Straßenräuberei" vorantreiben, hat EU-weiten gesetzlichen Regelungen zu Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen aber eine Absage erteilt.

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EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy will Lösungen gegen die "moderne Straßenräuberei" in Form der "Produkt- und Internetpiraterie" vorantreiben. "Ich habe in meiner Generaldirektion eine Abteilung eingerichtet, die sich dem Kampf gegen den Diebstahl geistigen Eigentums verschrieben hat", erklärte der Ire auf einer von der Kommission organisierten Konferenz Mitte der Woche. Er wünsche sich, dass die Ressourcen dieser Einheit mittelfristig ausgebaut werden, um den Kampf gegen Fälschungen zu führen und mit anderen Abteilungen der Kommission, den Mitgliedsstaaten und Interessensvertretern den Einsatz gegen dieses "vernichtende Phänomen" zu erhöhen. Bei der Tagung solle es sich daher nicht um ein einmaliges Schlagen der Alarmglocke handeln, sondern den Beginn der Arbeit an einem Aktionsplan.

Den umstrittenen Pirateriebegriff im Bezug auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten bezeichnete McCreevy als problematisch, allerdings aus ganz anderen Gründen als der Begriff oft von Kritikern der Verwertungsindustrie und ihrer Kampagnen kritisiert wird. McCreevy ist der Begriff "zu weich". Die Bezeichnung gehe einher mit einem "romantischen Bild" und "heroischen Bedeutungen". Es sei aber nichts Verzücktes beim Klau von Werken, die illegal aus dem Internet heruntergeladen würden. Filesharer und Sauger, die ihre Hände in die Taschen der kreativen Autoren, Musiker und Darsteller Europas stecken würden, dürften auch nicht im Entferntesten mit Helden in Verbindung gebracht werden. Piraterie sei nun aber international als Wort eingeführt für derlei Aktivitäten, sodass es um eine "Stählung" der "wahren Definition" zur Beschreibung des rechtswidrigen Treibens gehen müsse. Der Kommissar versuchte sich gleich selbst mit einem bildhaften Beispiel und sprach von Nachweisen eines "Massakers", das etwa durch falsche Ersatzteile in der Luftfahrtindustrie ausgelöst worden sei. Von der Menge gefälschter und oft gefährlicher Medikamente auf dem Markt wolle er erst gar nicht sprechen.

Konkreten gesetzlichen Handlungsbedarf sieht McCreevy derzeit aber nicht. Er verwies darauf, dass die umkämpfte EU-Richtlinie zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte bereits "effiziente Werkzeuge" zur Bekämpfung etwa von Urheber- oder Markenrechten liefere. Die ins Stocken geratenen Arbeiten an einem Folgegesetz auch für Strafvorschriften in diesen Bereichen erwähnte der Kommissar nicht. Vielmehr betonte er den Wert zusätzlicher Informationssammlungen zur Produktpiraterie und die Notwendigkeit einer besseren Kooperation von Behörden, Polizei, Kontrolldiensten sowie Patent- und Markenämtern zwischen den Mitgliedsstaaten. Letztlich hält McCreevy aber die Industrie selbst für am besten geeignet, die Führung in der Schlacht gegen Fälschungen einzunehmen.

Auch der Sektor illegaler Downloads sowie des Verkaufs gefälschter Artikel über das Internet ist dem Kommissar zufolge ein Bereich, in der die "praktische Zusammenarbeit" der Wirtschaft äußerst vielversprechend sei. Die verschiedenen Industriesparten sollten untereinander Vereinbarungen über "Filter, Sanktionen und standardisierte Reaktionen auf wiederholte Rechtsverletzungen" treffen, erteilte er einer EU-weiten gesetzlichen Regelung für Internetsperren bei wiederholten Urheberrechtsverstößen im Netz im Einklang mit einer Resolution des EU-Parlaments eine klare Absage. Für derlei gesetzliche Vorschriften macht sich vor allem die Musik- und Filmindustrie stark, stößt dabei aber etwa im Vorreiterland Frankreich derzeit auf zunehmende rechtliche Bedenken. McCreevy schob die hauptsächliche Verantwortung beim Finden eines Ansatzes gegen illegale Downloads nun den Internetprovidern und den Rechteinhabern zu. Diese müssten etwa Informationen austauschen, wer was rechtswidrig kopiere oder zum Verkauf anbiete.

Auch andere Sprecher rüsteten auf der Konferenz laut dem Fachdienst Intellectual Property Watch rhetorisch auf. Christophe Zimmermann, Leiter der Piraterieabteilung der Weltzollorganisation (WZO), zeigte sich enttäuscht von den Ergebnissen einschlägiger Treffen. Seit die Vertreter geistigen Eigentums sich des Themas bemächtigt hätten, habe der Anstieg gefälschter Güter nicht zurückgedrängt werden können. Zimmermann riet politischen Entscheidungsträger daher, im Kampf gegen Produktfälschungen ähnlich vorzugehen wie im "Krieg gegen Drogen". Zöllner und Strafverfolger sollten die Milliarden Container mit illegaler Ware gemeinsam mit Rechtehaltern in den Häfen oder auf See direkt angehen. Die WZO hatte sich zuvor für eine Verschärfung internationaler Abkommen zum Schutz von Immaterialgüterrechten und zur Sicherung technischer Kopierschutzverfahren stark gemacht. (Stefan Krempl) / (jk)