IFA

Ein Igel-freundlicher Mähroboter aus dem 3D-Drucker

Das belgische Start-up Eeve zeigt auf der IFA seinen selbstgedruckten Mähroboter, der dank eingebauter Kamera Objekte umfährt und nebenbei als Wachhund dient.

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Der freundliche Mähroboter von Eeve heißt Willow, er braucht weder einen Begrenzungsdraht noch einen Führungsdraht zur Basisstation. Stattdessen orientiert sich Willow über seine eingebaute Kamera, mit deren Hilfe er zuvor die Rasenflächen kartiert hat. Üblicherweise muss man bei Mährobotern einen Begrenzungsdraht entweder mit Erdankern oder aufwändig mit einer Spezialfräse bis zu fünf Zentimeter unter der Grasnarbe verlegen. Das entfällt bei dem elektrischen Schaf von Eeve.

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Die Besitzer des Eeve-Mähroboters müssen die gewünschten Mähbereiche einmal mit dem Roboter ablaufen, Willow folgt seinem Besitzer dabei auf dem Fuß. GPS nutzt der Roboter nicht zur Orientierung. Exakt an den Kanten muss man nicht langgehen, die erkennt der Mähroboter später automatisch in den errechneten Karten. In der zugehörigen App am Desktop oder Smartphone kann man Bereich wie ein Wildblumenbeet aus dem Mähareal ausnehmen. Igel und Objekte im Garten wie ein Trampolin oder liegengebliebene Spielsachen erkennt der smarte Roboter mit seiner Kamera und umfährt sie. Steht über längere Zeit ein Objekt im Weg, fordert Willow seine Besitzer über die App auf, diese zu entfernen. Die Lokalisierung und Erkennung erfolgt später ausschließlich über die Kamera. Die Schnitthöhe des Mähroboters lässt sich zwischen 2,4 cm und 9,6 cm einstellen.

(Bild: Willow hat keine Knöpfe, reagiert aber darauf, wenn man sein Display berührt und bleibt dann stehen, erklärte Entwickler Wessley Lorrez.)

Als das Start-up im Juni 2020 eine Kickstarter-Kampagne anlegte, kamen innerhalb kürzester Zeit 1,5 Millionen Euro zusammen. Im vergangenen Jahr haben sich die Star Wars Fans aus Belgien von „The Toadi Order“ in „Eeve“ umbenannt und weiter an ihrem ersten Mähroboter Toadi gearbeitet. Die neue Variante Willow wird nun mit 3D-Druckern produziert. Dazu hat Eeve nach eigenen Angaben in Belgien ein Druckzentrum mit zweihundert 3D-Druckern eingerichtet, sowie zwei weitere mit je zwanzig 3D-Druckern in Deutschland und Österreich. Mit den Kapazitäten kann Eeve nach eigenen Angaben 150 Willows pro Woche fertigen. Im gedruckten Gehäuse nebst den gedruckten Rädern steckt ein großes Display, die Elektronik und der Antriebsmotor. Dass sich Eeve für den 3D-Druck statt des preiswerteren Spritzgusses entschieden hat, begründet das Unternehmen mit der größeren Flexibilität. Jegliche Änderungen können sie dadurch in kürzester Zeit in allen neuen Druckern umsetzen, erklärte der Firmengründer.

(Bild: Das Tool dient der Unkrautvernichtung, ober in den Aufsatz gehört das (natürlich biologische) Unkrautex, mit dem rüsselartigen Anhang sprüht Willow es gezielt auf das Unkraut)

Die dezentrale Fertigung ist zudem Bestandteil der Firmenideologie: Man möchte weite Transportwege vermeiden und die Geräte vor Ort produzieren. Außerdem sollen Interessenten den smarten Mähroboter auch selbst ausdrucken können; Eeve gibt die Druckdateien dazu frei. Allerdings ist das laut Eeve noch Zukunftsmusik, denn Display, Elektronik und Antrieb werden derzeit nur bei Defekten ausgetauscht, die Räder etwa bei hohem Verschleiß.

Was bereits jetzt klappt: Nutzer können für den smarten Roboter eigene Erweiterungen, entwickeln. Eeve will diese Tools dann in Lizenz drucken und über den Eeve-Toolstore für die Entwickler anderen Kunden anbieten. Der Store des Start-ups ist allerdings noch nicht ganz fertig. Schon jetzt haben Entwickler Zugang zur Robotik-Plattform über SDK, API, 3D-Druckdateien und Dokumentation.

Ein am Stand auf der IFA gezeigtes Tool ist eine Art großer Deckel, in den man einen biologischen Unkrautvernichter füllen kann. Dieser wird über eine gedruckte Verlängerung bis zum Boden geführt, wo in Willow gezielt auf die per Kamera erkannten Unkräuter sprüht. Die modulare Erweiterung ist in diesem Fall wahrscheinlich eher etwas für sehr gepflegte Ziergärten, zeigt aber das Prinzip von Eeve auf: Die offene Roboterplattform bestehend aus einem autonom navigierenden Roboter und dem Roboter Betriebssystem eOS (aktuell Version 5.0) soll durch herstellereigene und fremde Erweiterungen wachsen und an Funktionen dazugewinnen. Eeve selbst arbeitet zum Beispiel gerade an zwei Greifarmen, mit denen Willow Dinge wegräumen, fegen oder Äpfel aufsammeln könnte

Die Ladestation wurde ebenfalls gedruckt, sie arbeitet induktiv, der Roboter muss also keine exakten Kontakte treffen.

Das Kamerasystem in Willow enthält auch eine Infrarotkamera für die Nachtsicht. Damit kann sich Willow theoretisch auch im Dunklen orientieren, gedacht ist die IR-Kamera allerdings als Überwachungskamera. Sofern Willow Ungewöhnliches im Garten entdeckt, meldet es dies an das Control Panel und schickt Fotos aufs Display. Diese Wachhundfunktion ist bislang einmalig bei Rasenrobotern. Sie kann je nach Lage der – ebenfalls gedruckten, induktiv arbeitenden – Ladestation hilfreich sein, oder Unsinn melden.

Ein Problem hat Eeve bei Willow noch nicht gelöst: Die eingebaute Kamera nimmt auch angrenzende Teile von Nachbars Garten auf, während sie an den Grundstücksgrenzen mäht. Zwar schaut die Kamera eher nach unten als nach oben, das dürfte die sich im Garten sonnende Nachbarsfamilie aber kaum beruhigen. Es müsste hier beispielsweise das Field Of View automatisch stark eingeschränkt werden, sobald sich Willow den Nachbargrundstücken nähert.

Willow kann laut Hersteller mit einer Akkuladung etwa 9 Stunden mähen, bevor er zurück zur Ladestation muss. Mit dem selbst gedruckten Mähroboter strebt Eeve eine kreislauforientierte Produktion an. Das Unternehmen möchte den 3D-Druck deshalb in sogenannten Eeve-Ateliers in der Nähe der Kunden fertigen und den Mähroboter per Tools auch von Fremdentwicklern neue Funktionen verleihen. Ganz billig ist der Mähroboter Willow indes nicht: Für die Variante für Flächen bis 1500m2 und maximalen Steigungen von 25% werden 3000 Euro fällig, die kräftigeren Modelle mit Reichweiten von 3600 m2 und maximalen Steigungen von 35 % kosten 3690 Euro. Damit liegt der in weiß, gold und silber erhältliche Willow aber nur etwas über dem für Mähroboter ohne Begrenzungsdraht üblichen Preisen, wie ein c’t-Test von sieben Mährobotern ohne Begrenzungsdraht gerade gezeigt hat.

(uk)