Erste Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr kräftig wachsen, sagen Ökonomen voraus. Doch der Ukraine-Konflikt bereitet weiter Sorgen. Verdirbt er den Unternehmen das Geschäft, bremst er die Erholung aus?

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Von
  • Friederike Marx
  • dpa

Die deutsche Wirtschaft ist in bester Stimmung – selbst die Krise in der Ukraine kann die Zuversicht der Unternehmen hierzulande bislang nicht bremsen. Exportorientierte Firmen spüren allerdings zunehmend die Schwäche der russischen Währung; sie ging schon vor dem Konflikt auf Talfahrt. Um ein Fünftel ist der Wert des Rubels gegenüber dem Euro im Vergleich zum ersten Quartal 2013 gefallen. Die Folge: Produkte "made in Germany" werden in Russland merklich teurer.

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des DIHK

(Bild: DIHK)

"Viele Exporteure sehen bereits deutliche Bremsspuren in ihrem Russlandgeschäft", sagt Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK). "Auch wenn sich der Ukraine-Konflikt nicht weiter verschärft, rechnen wir mit rund 10 Prozent Minus im Gesamtjahr – das sind mehr als 3 Milliarden Euro."

Dem Statistischen Bundesamt zufolge gibt es seit einem Jahr durchweg monatliche Rückgänge bei den deutschen Ausfuhren nach Moskau. Die russische Wirtschaft schwächelt seit einiger Zeit. Im ersten Quartal 2014 schrumpfte sie laut Internationalem Währungsfonds (IWF) sogar um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal – auch ohne harte Wirtschaftssanktionen. Das macht sich bemerkbar, und zwar auf allen Wirtschaftsfeldern. Internationale Verwerfungen schlagen sich üblicherweise besonders deutlich in der IT-Branche nieder.

So hat es den Geldautomaten- und Kassensystem-Anbieter Wincor Nixdorf gleich doppelt getroffen. Die Paderborner leiden einerseits unter der Rubel-Schwäche, andererseits haben wegen der politischen Unsicherheit bereits einige Kunden des Unternehmens ihre Investitionen aufgeschoben.

Der Handelskonzern Metro wiederum legt den geplanten Teil-Börsengang des Russlandgeschäfts von Cash & Carry vorläufig auf Eis. Zugleich betonen die Düsseldorfer allerdings, dass sich das Geschäft in dem Land weiter positiv entwickle.

Für den Konsumgüterhersteller Henkel ist Russland mit einem anteiligen Umsatz von gut einer Milliarde Euro der viertgrößte Markt. Die Rubel-Schwäche bremste die Erlössteigerung im ersten Quartal. In der Ukraine – bislang einer der wichtigsten Wachstumsmärkte des Unternehmens – verkaufte der Dax-Konzern sogar weniger.

Der Sportartikel-Riese Adidas bekommt den Verfall der russischen Währung ebenfalls zu spüren. Der Umsatz ging auch deswegen im ersten Quartal zurück. Das Land gehört zu Adidas' bedeutendsten Märkten.

Der Arzneimittel-Hersteller Stada ist zwar mit einem Umsatzplus ins Jahr gestartet. In Russland – Stadas zweitgrößtem Markt – sanken die Erlöse aber um 13 Prozent. In Euro gerechnet hätte es dagegen ein Plus von vier Prozent gegeben.

Insgesamt sieht Thomas Harms, Partner beim Beratungsunternehmen Ernst & Young (E&Y), nur begrenzte Auswirkungen des Konflikts – zumindest für die 30 deutschen Börsenschwergewichte: "Russland ist für die meisten Dax-Konzerne nur ein Markt unter vielen." Sie erzielten geschätzt gerade einmal zwei Prozent ihres Umsatzes in dem Land.

Ulrich Ackermann (VDMA)

(Bild: VDMA)

Im Einzelfall kann es Unternehmen aber durchaus schmerzhaft treffen. Für die deutschen Maschinenbauer ist Russland der viertgrößte Exportmarkt mit einem Volumen von 7,8 Milliarden Euro. "Die Exportzahlen sind bereits seit dem zweiten Halbjahr 2013 rückläufig", sagt Ulrich Ackermann vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Die russische Wirtschaft stecke seit geraumer Zeit in schwerem Fahrwasser. "Das hat nicht erst mit der Krise angefangen."

Die Verunsicherung sei derzeit groß, viele Maschinenbauer hielten sich mit Geschäften zurück: "Niemand weiß, was politisch kommt und ob harte Wirtschaftssanktionen beschlossen werden." Die Unternehmen warteten erst einmal ab. "Aber sie planen keinen Rückzug."

Welche Konsequenzen schärfere Strafen gegen Russland haben könnten, lässt sich schwer absehen. Der Internationale Währungsfond (IWF) hat unlängst eine düstere Prognose aufgestellt und vor einer Rezession im größten Land der Welt gewarnt. Dennoch ist Unternehmensberater Harms zuversichtlich: "Wenn Russland in diesem Jahr in die Rezession rutscht, führt das zwar zu Umsatzeinbußen, die durch die Rubel-Abwertung noch verstärkt werden. Insgesamt halten sich die Auswirkungen für die meisten Unternehmen aber in Grenzen." (pen)