Ex-Staatssekretär kritisiert neue Regeln für Wagniskapital

Ein Gesetzespaket soll noch in diesem Halbjahr die Bedingungen für die Finanzierung von Start-Ups verbessern. Doch Kritiker halten es für nicht mutig genug.

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Von
  • Heinrich Seeger

In Deutschland scheint es überdurchschnittlich schwierig zu sein, auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Unternehmen aufzubauen: Obwohl das deutsche Forschungsniveau – vor allem in den Ingenieurswissenschaften – im internationalen Vergleich als sehr hoch bis überragend angesehen wird, schaffen es heute weniger innovative Unternehmen an den Markt als noch Mitte der Neunzigerjahre, wie aus einer Studie (PDF-Datei) des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hervorgeht.

In diesem Zusammenhang erscheint es als eine gute Nachricht, dass die Bundesregierung ein Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vorbereitet. Noch in diesem Halbjahr soll es verabschiedet werden; koalitionsintern besteht seit Anfang April im wesentlichen Konsens über die Inhalte. Von außerhalb der Politik aber regt sich Widerspruch: Uwe Thomas zum Beispiel, selbst lange Zeit Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, nennt das geplante Gesetz schlicht "unbrauchbar".

Ein wesentlicher Teil des Gesetzespakets ist die Schaffung eines eigenen Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes, das Regelungen speziell für Venture Capitalists und Business Angels enthält. Die wichtigsten davon:

  • Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften müssen primär in Unternehmen investieren, die nicht älter als zehn Jahre sind und deren Eigenkapital nicht über 20 Millionen Euro beträgt.
  • Bei Übernahme einer Gesellschaft bleiben die Verlustvorträge bis zur Höhe ihrer stillen Reserven erhalten, wenn der VC seine Beteiligung danach noch vier Jahre lang hält. Diese Regelung stellt eine Ausnahme von einer anderslautenden Regelung des Körperschaftsteuergesetzes dar.
  • VC-Gesellschaften werden „transparent“ besteuert. Steuern fallen also bei den eigentlichen Geldgebern an, nicht bei den VCs selbst, die normalerweise nur die Auswahl der zu finanzierenden Unternehmen übernehmen
  • Für Business Angels, zumeist allein agierende Ex-Unternehmer, die Kapital und Wissen zur Verfügung stellen also, wird der Freibetrag bei der Einkommensteuer von 9060 auf 20000 Euro angehoben.
  • Der steuerfreie Anteil der Einkünfte der Betreiber von Beteiligungsgesellschaften ("Carried Interest") wird im Gegenzug von 50 auf 40 Prozent gesenkt.

Mit diesem Gesetz hat die Finanzierungsbranche jedoch einige Probleme. Eines davon: Es bezieht sich ausschließlich auf VCs und Business Angel, nicht auf den gesamten Private-Equity-Bereich, zu dem auch Investitionen in schon etablierte Unternehmen gehören. Der Grund: Ein umfassendes Private-Equity-Gesetz nach den Vorstellungen der Branche würde nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums (BMF) zu Steuerausfällen in Höhe von 15 bis 20 Millarden Euro führen. Deshalb ist der Regierungsentwurf in seiner Gültigkeit auf Venture Capitalists und Business Angels begrenzt worden. Die Belastung für die Steuerzahler dadurch werde sich dadurch immerhin noch auf rund 465 Millionen Euro belaufen, hat die Steinbrück-Behörde berechnet.

Beides falsch, sagen Kritiker wie der Bundesverband der Kapitalbeteiligungsgesellschaften, das Business-Angel-Netzwerk Deutschland und eben Uwe Thomas. Der frühere Staatssekretär wirft dem Finanzminister ein "statisches Verständnis" der Steuereffekte des neuen Gesetzes vor: Dieses werde ja auch zu Neugründungen führen, die wiederum Steuern zahlen würden. Das BMF unterschlage das in seinen Berechnungen aber. "Die Zahlen kann keiner nachvollziehen", kritisiert Thomas. Der war pikanterweise in den Neunzigerjahren Wirtschafts- und Finanzminister von Schleswig-Holstein; der heutige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück war Thomas’ Staatssekretär und folgte ihm dann im Amt als Landesminister nach.

Die "Einschnürung" auf einen viel zu eng definierten Gültigkeitsbereich von Venture Capital und immer noch problematische Bedingungen für Business Angels machten das Gesetz "unbrauchbar", urteilt Thomas. In seiner Folge verschlechtere sich die Situation vieler in Deutschland beheimateter Fonds, weil viele aus der steuerlichen Begünstigung herausfielen. Bereits nach dem Internet-Hype, so der frühere Regierungsbeamte, seien in Deutschland VC-Gesellschaften zusammengebrochen, weil Kleinunternehmen hier weniger gefördert würden als etwa in Frankreich und Großbritannien. "Dadurch ist Deutschland hinter Großbritannien zurückgefallen", sagt Thomas, "und das trotz besserer Forschungsvoraussetzungen".

Allerdings will auch Thomas nicht alle Schuld auf die Politik schieben, sondern sieht auch Defizite in der Finanz-Branche selbst. Nach seiner Einschätzung gibt es hierzulande aufgrund eines Ausbildungs- und Trainingsdefizits nicht genug Nachwuchs an "klugen VC-Managern". Einrichtungen wie die Kauffman Foundation in den USA könnten Abhilfe schaffen.

Thomas wirbt und plädiert massiv für "Vertrauenswerbung" bei in- und ausländischen Investoren. Das geplante Wagniskapitalbeteiligungsgesetz aber sieht er als diesem Vorhaben nicht dienlich an. Seine Sicht der Dinge wird er auch auf der Technology-Review-Konferenz "Spin-off – vom Forscher zum Unternehmer" am 21.Mai darlegen – und in einer Podiumsdiskussion mit Gründern und Vertretern aus der Politik, wenn nötig, verteidigen. Heinrich Seeger (sma)