Exoskelett im klinischen Einsatz

Als erstes Krankenhaus in Süddeutschland setzt die Schön Klinik in Bad Aibling ein Exoskelett für die Therapie von Querschnittsgelähmten ein. Als Alternative zum Rollstuhl ist die Technik allerdings noch nicht geeignet.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Als erstes Krankenhaus in Süddeutschland setzt die Schön Klinik in Bad Aibling ein Exoskelett für die Therapie von Querschnittsgelähmten ein. Als Alternative zum Rollstuhl ist die Technik allerdings noch nicht geeignet.

Die Schön Klinik wolle das Exoskelett des US-Herstellers Ekso Bionics vorerst insbesondere bei Patienten nutzen, deren Lähmung höchstens zwölf Monate zurückliegt, erklärte Chefarzt Dr. Friedemann Müller am heutigen Dienstag zur Präsentation des Geräts. Voraussetzung sei zudem, dass die Patienten noch die Arme bewegen können. Denn das Exoskelett hält sie nicht allein, sie müssen sich zusätzlich auf Krücken stützen.

Das Exoskelett wird an den Körper geschnallt und hat auf jeder Körperseite zwei Servomotoren, die jeweils auf Höhe der Hüfte und des Knies angebracht sind. Diese Motoren sind so aufeinander abgestimmt, dass sie eine weitgehend natürliche Bewegung der Beine mit Abrollen des Fußes von der Hacke zu den Zehen ermöglichen, wie die Journalistin Eliza Strickland für die Zeitschrift IEEE Spectrum beobachtete.

Bei den ersten Gehübungen setzen die Patienten dabei eine Krücke nach vorn, woraufhin der Therapeut per Knopfdruck das Bein folgen lässt. Bei zunehmender Vertrautheit mit dem Exoskelett können die Patienten es dann selbst aktivieren, zunächst über Knöpfe, die an den Krücken oder anderen Gehhilfen angebracht sein können, später durch Bewegungen der Hüfte.

Bis auf weiteres wird das Exoskelett nur in der Therapie eingesetzt werden. Dabei sollen die Effekte auf Kreislauf, Muskulatur, Gelenke wie auch auf die Psyche untersucht werden. Wie wichtig gerade letztere sind, zeigt ein Video des Herstellers (siehe unten). "Nach 18 Jahren habe ich zum ersten Mal wieder mein Knie gebeugt", sagt darin Amanda Boxtel, eine seit 1992 vom 12. Brustwirbel abwärts gelähmte Frau. Sie hebt insbesondere die psychische Wirkung hervor: Es sei für das Selbstbewusstsein ungeheuer wichtig, wieder aufrecht auf den eigenen Beinen stehen zu können.

"Bewegung ist auch Kopfsache", bestätigt Dr. Müller, der das Gerät auch bei Schlaganfallpatienten einsetzen will. Das geschädigte Gehirn müsse nach einem Schlaganfall die Bewegungsabläufe wieder neu lernen. "Dazu werden diese in der Therapie immer und immer wieder wiederholt und hinterlassen sozusagen Spuren im Gehirn." Solche Therapien erfordern allerdings eine differenzierte Ansteuerung der Motoren des Exoskeletts, um etwa auch mit halbseitigen Lähmungen umgehen zu können. Entsprechende Software hat Ekso Bionics für Juni 2013 angekündigt.

Als Gehhilfe im Alltag ist das 23 Kilogramm schwere Exoskelett vorerst nicht vorgesehen. Mit einem Preis von etwa 100.000 US-Dollar wäre es dafür auch etwas teuer. Die klinischen Erfahrungen mit dem Gerät, das nach Firmenangaben derzeit in 36 Rehabilitationszentren weltweit erprobt wird, dürften aber auch die Entwicklung alltagstauglicher Exoskelette voranbringen. (anw)