Extended Power Range: USB-C liefert künftig bis zu 240 Watt

Das USB-IF erweitert die USB-C-Norm, um darüber Geräte mit höherem Energiebedarf versorgen zu können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 58 Kommentare lesen
USB Typ C: Stecker vor Buchse, daneben USB-A und Audio-Klinke
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Bei Smartphones und kompakten Notebooks ist die Stromversorgung über USB-C mittlerweile Standard: Der verdrehsichere Stecker kann bis zu 100 Watt liefern – ein entsprechend dickes Netzteil vorausgesetzt. Für leistungsstarke Notebooks mit rasanten 3D-Grafikchips reichte dieses in der Norm festgelegte Maximum nicht aus, was zu Wildwuchs führte: Bei solchen Notebooks sind dann doch wieder klassische Rundstecker üblich, die sich nicht zwischen Notebooks verschiedener Hersteller austauschen lassen. Dell hat wiederum den Standard proprietär auf 130 Watt erweitert, was dann aber auch wieder nur für die Kombination gewisser hauseigener Notebooks und Netzteil klappt.

Das Standardisierungsgremium USB-IF (Universal Serial Bus Implementers Forum) hat sich der Sache angenommen: Künftig sind bis zu 240 Watt Ladeleistung möglich. Das reicht abgesehen von wenigen Desktop-Replacement-Systemen für die Masse an Gaming-Notebooks und eröffnet neue Möglichkeiten zur Stromversorgung anderer Geräteklassen.

Die Erweiterung von 100 auf 240 Watt machte neue Revisionen von zwei Spezifikationen nötig: Die "USB Type-C Cable and Connector Specification", die die elektrischen Parameter von Steckern, Buchsen und Kabel definiert, wurde auf Revision 2.1 angehoben und die "USB Power Delivery Specification" mit den Protokollfeinheiten liegt in Revision 3.1 vor. Das Doppel war nötig, da neue EPR-Spannungsstufen (Extended Power Range) definiert werden, was breitere Auswirkungen hat.

Bislang war bei USB-C bei 20 Volt Schluss. Mit der EPR-Erweiterung sind jetzt auch 28 Volt, 36 Volt und 48 Volt möglich. In allen Stufen dürfen weiterhin bis zu 5 Ampere fließen – ein wichtiger Unterschied zu Dells oben genannter proprietärer 130-Watt-Erweiterung, die 6,5 Ampere bei 20 Volt vorsieht. Durch die stärkeren EPR-Stufen werden USB-C-Kabel also nicht dicker (und damit steifer) als sie es jetzt schon sind.

Die EPR-Modi (Extended Power Range) bieten eine USB-C-Spannungsversorgung mit 28, 36 oder 48 Volt.

(Bild: USB-IF (USB Power Delivery Specification Revision 3.1, Version 1.0))

Dennoch sind Anpassungen notwendig: Es sind andere Kondensatoren in den Steckern nötig, damit beim Abziehen unter Spannung weiterhin keine Lichtbögen entstehen, die die Kontakte unweigerlich beschädigen würden. Analog zu USB-C-Kabeln, die für 5 Ampere zugelassen sind, tragen EPR-Kabel eine entsprechende elektronische Markierung, die sie ausweist, bis zu 50 Volt zu vertragen. Ohne eine solche Markierung fließen maximal 3 Ampere im bisherigen Modus, der jetzt SPR (Standard Power Range) heißt. Da das menschliche Auge elektronische Markierungen nur schlecht auslesen kann, sollen EPR-Kabel auch eine entsprechende sichtbare Markierung bekommen.

Auf Protokollebene wurden neue Abläufe festgelegt. Schon im bekannten SPR-Modus gab es eine Kommunikation zwischen den Partnern: Eine Quelle musste einer Senke mitteilen, welche Modi es bietet, und die Senke musste mitteilen, welchen Modus es denn gerne hätte. Erst nach einer solchen Einigung wurden mehr als die USB-typischen 5 Volt aufgeschaltet (sofern ausgehandelt).

EPR setzt aus Sicherheitsgründen in mehrerer Hinsicht einen drauf: Mit der Aushandlung eines EPR-Modus wird erst begonnen, wenn sich beide Partner schon vorher auf eine SPR-Verbindung geeinigt haben. Anders als dort müssen beide Partner auch noch der Aushandlung weiterhin kontinuierlich miteinander reden: Wird die Senke stumm, schaltet die Quelle sofort die hohen Spannungen ab und beginnt mit einer neuen SPR-Aushandlung bei 5 Volt. Umgekehrt kann eine Senke jederzeit darum bitten, den EPR-Modus zu verlassen, indem wieder das SPR-Maximum von 20 Volt angefordert wird – und danach dann auch wieder noch niedrigere Stufen. Eine Quelle muss dann ihre EPR-Fähigkeiten nicht mehr bewerben, um ein Hüpfen zwischen den beiden Modi zu vermeiden.

Im EPR-Modus müssen Quelle und Senke anders als bislang permanent miteinander kommunizieren.

(Bild: USB-IF (USB Power Delivery Specification Revision 3.1, Version 1.0))

Zusätzlich zu den fixen Spannungsstufen gibt es schon länger Modi, bei denen die Spannung im Laufe der Zeit dynamisch absinken darf und soll. Letzteres ist etwa für Smartphones praktisch, denn das Laden eines Lithium-Ionen-Akkus läuft spätestens ab 80 Prozent Füllstand nicht mehr linear ab. Kümmert sich passend zur Ladekurve das Netzteil um eine dynamische Zulieferung, kann die Ladelektronik im (hinsichtlich Platz und Abwärme beschränkten) Smartphone weniger komplex ausfallen.

Im altbekannten SPR-Spannungsbereich trägt dieser Modus den etwas irreführenden Namen PPS (Programmable Power Supply). Die Quelle kann dort auf Anfrage ("Programmierung") der Senke die Spannung vom jeweiligen Stufennennwert dynamisch auf bis zu 3,3 Volt runterfahren. Im EPR-Spannungsbereich heißt der konzeptionell identische Modus nun AVS (Adjustable Voltage Supply); das Absenken ist jeweils bis hinunter zu 15 Volt vorgesehen.

Die Liste der Unternehmen, die Mitarbeiter für die Ausarbeitung der USB-Spezifikationen abgestellt haben, liest sich wie das Who-is-Who der IT-Branche – damit ist klar, dass die 240-Watt-Erweiterung von USB-C eine breite Verwendung finden wird. Gerade bei Notebooks kommt sie sehr gelegen, um endlich eine einheitliche Ladebuchse für alle Notebookklassen zu bekommen, die zudem auch fürs Docking taugt.

Letzteres ist mehr als Selbstzweck, damit die Hersteller nicht mehr Netzteile mit unterschiedlichen Steckern entwickeln und vorhalten müssen. Die EU-Kommission arbeitet schon länger an einem Gesetz, das einheitliche Ladekabel vorschreibt: Man soll Netzteil und Kabel unabhängig vom eigentlichen Gerät (weiter)nutzen können, was Elektroschrott verringert. Und abseits von USB-C wüssten wir nicht, welche etablierte Buchse denn sonst überhaupt für dieses Ansinnen infrage käme.

Insofern ist das größte Fragezeichen das "wann": Mit der Fertigstellung der neuen USB-Spezifikationen können jetzt entsprechende Ladeelektronikbausteine für Netzteile und Geräte entwickelt werden – und um diese herum dann die eigentlichen Netzteile und Geräte. Unser Bauchgefühl rund um Entwicklungszyklen sagt, dass USB-C mit mehr als 100 Watt Ladeleistung wohl erst ab 2023 richtig abheben wird. Wir lassen uns aber gerne auch schon früher überraschen. (mue)