Extrem viel oder wenig: Die Bilder der Woche (KW 9)
Von minimalistisch bis chaotisch zeigen die Bilder dieser Woche Extreme in der Bildgestaltung.
Schachtelwirtschaft
(Bild: Joachim Kopatzki)
- Tom Leon Zacharek
Egal, ob wenige Elemente oder viele – die Bilder dieser Woche zeigen die Gegensätze, die beiden Extreme in der Bildgestaltung. Sie regen auch an, diese Herangehensweisen einmal selbst auszuprobieren.
(Bild: Rudolf Wildgruber)
Ikarus von Rudolf Wildgruber besticht durch seinen Minimalismus. Keine Wolken, sondern Kondensstreifen und Sonnenstrahlen sind die belebenden Elemente, die das Bild zu einer besonderen Komposition machen. Der Titel beschreibt die Geschichte des Jungen, der zu nah an die Sonne flog. Sie spiegelt sich in dem winzigen Flugzeug wider.
„Das Bild entstand bei einem Winterspaziergang in der Nähe des Starnberger Sees. Beim Blick in den Himmel fiel mir auf, dass das Flugzeug in Richtung der tief stehenden Sonne flog. Die Kondensstreifen erlaubten mir, die Dynamik (Flugrichtung) auf ein statisches Bild zu bannen. Erst beim Nachbearbeiten kamen die regenbogenfarbigen Linsenreflexe zur Geltung. Mit dem Titel "Ikarus" war ich mir sicher, dass die meisten damit den Flug in die Sonne assoziieren würden“ schrieb uns der Fotograf dazu.
(Bild: Luckyguy)
Zahlen oder nicht zahlen? von Luckyguy ist ein gut getroffenes Motiv aus den USA. Der Bettler auf dem Bild droht ironisch, Trump zu wählen, wenn man ihm nicht einen Dollar gibt. Die Tatsache, dass diese Aussage wahrscheinlich scherzhaft gemeint ist, man sich aber sehr gut vorstellen kann, dass es auch ernst gemeint sein könnte, macht das Bild umso interessanter.
Abgesehen von der Aussage ist das Bild durch den Schattenwurf und die Beleuchtung des Schildes ausgezeichnet in Szene gesetzt. Der hellste Teil des Bildes zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Gut gesehen vom Fotografen.
(Bild: dermaeus)
Kitzingen von Thomas Bartel (dermaeus) ist eine gute Mischung aus klar erkennbaren, führenden Linien und einer etwas unordentlichen Wolkenlandschaft. Das Zusammenspiel beider Komponenten ergibt eine detaillierte Szene, zu der uns der Fotograf folgendes schrieb: „Mit dem Bild habe ich lange gehadert. Es entstand an einem Aprilnachmittag vor zwei Jahren. Dramatischer Himmel, perfektes Fotowetter. Ich hatte einen guten erhöhten Standort gefunden, mit Aussicht auf Kitzingen und dann kam auch noch der ICE über die Brücke – super, aber der Vordergrund hatte mich nicht überzeugt, also verstaubte das Bild erst mal auf der Festplatte, bis ich es kürzlich mittels Photoshops KI-Funktionen nochmal retuschierte, um störende Gebäude und einen Verladekran mit wenig Aufwand zu entfernen“.
(Bild: Joachim Kopatzki)
Joachim Kopatzkis Aufnahme des Hamburger Hafens mit dem Titel Schachtelwirtschaft ist eine eindrucksvolle Luftaufnahme, die durch Struktur und gerade Linien besticht. Dies und die immer wiederkehrenden Farben und Beschriftungen der verschiedenen Container ziehen den Blick des Betrachters an. Durch Linien, Abstand und Bildausschnitt entsteht in diesem Durcheinander Ordnung.
Kopatzki erklärt dazu: „Das Foto entstand von einem Flug mit einer Cessna 172 von Hannover nach Hamburg für einen Rundflug über Stadt und Hafen im Jahr 2014! Ich habe es vor einiger Zeit wieder entdeckt, als ich mein Fotoarchiv "aufgeräumt" habe und mich gefragt, wieso hast Du das so lange schlummern lassen …? Den richtigen Ausschnitt gewählt, etwas vertikal gezogen, damit die Container besser zu sehen sind und dann noch in PS Kontrast etc. verstärkt“.
(Bild: Reiner von der Schlei)
Minimalistisch ist die richtige Beschreibung für das Bild Jet von Reiner Weber (Reiner von der Schlei). Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1975 und zeigt ein Flugzeug, das vom Flughafen München Riem abhebt. Dazu schrieb er uns: „Man konnte damals noch ziemlich nahe heran an das Gelände, und ich hielt mich immer wieder mal direkt in der Einflug- und Abflugschneise auf, um die Kolosse aus nächster Nähe über mich hinwegfliegen zu sehen. Direkt außerhalb des Zauns (zu jener Zeit noch ein einfacher Lattenzaun) befand sich ein bäuerliches Anwesen, umgeben mit großen Birken, das erschien mir als geeigneter Vordergrund für die startenden Maschinen.
Die Bäume im Vordergrund und die leichte Wolkendecke im Hintergrund geben dem Bild die nötige Tiefe. Über die Analogaufnahme sagt der Fotograf noch: „Das Foto entstand auf Schwarzweiß-Film im Kleinbildformat, mit einem Filmscanner habe ich es digitalisiert. Die Perfektion heutiger Digitalfotografie ist so technisch nicht erreichbar, aber über den historischen Wert hinaus haben solche Aufnahmen meines Erachtens einen gewissen Charme, der sich nicht unbedingt simulieren lässt“.
(Bild: M. Rasch)
Zu seiner Aufnahme mit dem Titel Lieblingsbaum mit Pfütze beschreibt Michael Rasch (M. Rasch), wie er zu dem Motiv kam: „Das Foto ist an meinem Lieblingsbaum entstanden, dort bin ich regelmäßig, um den Sonnenaufgang oder auch -untergang zu fotografieren. Die Viewfindr-App sagte mal wieder ein Morgenrot für den Sonntag vorher und so machte ich mich auf den Weg. Durch den vielen Regen in letzter Zeit sind die Wiesen hier teilweise überschwemmt und so konnte ich eine Spiegelung einfangen“.
Die Spiegelung und die Farben des Sonnenaufgangs bilden ein schönes Zusammenspiel und erwecken die minimalistische Bildgestaltung zum Leben. Die Pfütze im Vordergrund und die Wolken im Hintergrund verleihen dem Bild zusätzlich Struktur und Tiefe, wodurch der Baum noch besser zur Geltung kommt.
(Bild: Bernd Seibel)
Das genaue Gegenteil von minimalistisch ist das Bild total verwirrend von Bernd Seibel. Der Titel ist passend gewählt und beschreibt, wie man sich beim ersten Betrachten des Fotos fühlt. Dennoch laden die Strukturen, die durch die Fassaden und Dächer entstehen, zum genaueren Hinsehen ein. Die Umwandlung in Schwarzweiß verstärkt dagegen die Verwirrung. Das Auge findet keinen klaren Fixpunkt für den Blick. Dennoch macht gerade dieses Chaos den Reiz der Aufnahme aus.
Alle "Bilder des Tages" der vergangenen Woche finden Sie in unserer Bilderstrecke:
Die Bilder der Woche (KW 9) (7 Bilder)
(Bild: Rudolf Wildgruber)
(cbr)
