Feinde des Internets: Überwachungsfirmen wie FinFisher und Troll-Armeen am Pranger

Reporter ohne Grenzen beklagt mit der Liste der "20 größten Feinde des Internets", dass autoritäre Regierungen viele Komplizen auch in Demokratien haben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
EU-Copyright-Reform, Zensur, Upload-Filter

(Bild: Dimitris Vetsikas, gemeinfrei)

Lesezeit: 4 Min.

Zum Welttag gegen Internetzensur am heutigen Donnerstag hat die zivilgesellschaftliche Organisation Reporter ohne Grenzen ihre regelmäßig aktualisierte Liste der "20 größten Feinde des Internets" herausgegeben. Sie umfasst Behörden, Unternehmen und informelle Netzwerke, die Journalisten mithilfe "digitaler Technologien einschüchtern, bedrohen, überwachen oder zensieren und damit die Informationsfreiheit im Internet gravierend beeinträchtigen".

An den Pranger stellt die Organisation in diesem Jahr aus Deutschland die das Unternehmen FinFisher, die Überwachungssoftware wie Staatstrojaner vermarktet und so Zugriff auf Anwendungen und persönliche Daten etwa auf Smartphones ermöglicht. Das Münchner Firma werde verdächtigt, ihr Spionageprogramm FinSpy illegal an die türkische Regierung verkauft zu haben, heißt es zur Begründung. Diese habe damit offenbar Medienschaffende sowie Aktivisten ausspioniert. Man habe daher Strafanzeige gegen den Betrieb gestellt, der die Vorwürfe bestreitet.

Aus der Überwachungsindustrie sind zudem etwa die WhatsApp-Hacker der israelischen NSO Group, das einst als Hacking Team bekannte Unternehmen Memento Labs, Zerodium alias Vupen aus den USA und Mollitiam Industries aus Spanien auf der Liste. Reporter ohne Grenzen moniert, dass all diese Akteure aus demokratischen Ländern heraus "ihr Geld mit hochspezialisierter digitaler Überwachungstechnologie" verdienten.

Angeführt werden zudem aus dem mehr oder weniger staatlichen Bereich die "Troll-Armeen des Kremls" und Saudi-Arabiens, Verunglimpfungen und Drohungen in sozialen Netzwerken ausstoßende Banden Mexikos, die ähnlich agierenden "elektronischen Fliegen" des algerischen Regimes sowie die hetzenden "Yoddhas" (Krieger) des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi. In diesem Bereich verordnet die Organisation ferner das "Hasskabinett" des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Den Vorwurf direkter staatlicher Zensur erheben die Medienvertreter gegen die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor, Venezuelas Nationale Kommission für Telekommunikation (Conatel), den "Hohen Rat für den Cyberspace" im Iran, die ägyptische Medienaufsicht sowie das indische Innenministerium. Großflächige Desinformation betrieben die Cyber-Armee "Force 47" unter dem Kommando des vietnamesischen Ministeriums für öffentliche Sicherheit, die sudanische Einheit für Cyber-Dschihad sowie auf Callcenter-Kampagnen setzende Trolle auf den Philippinen.

Die ausgemachten Feinde des Internets bedrohten die Medienfreiheit im digitalen Raum auf viele verschiedene Arten, warnt Reporter ohne Grenzen. Sie brächten kritische Berichterstatter etwa "durch vielerlei Arten von Zensur zum Schweigen". Manche versuchten auch, "demokratische Staaten zu destabilisieren, indem sie absichtlich Desinformation verbreiten". Die Liste, auf der sich in Vorjahren etwa auch die NSA und ihr britisches Pendant GCHQ befanden, sei nicht erschöpfend, stehe aber für die größten Gefährder.

Mehr Infos

Missing Link: Nichts zu verbergen? Von Staatstrojanern, Quellen-TKÜ und Palantir, nicht nur in Hessen

"Autoritäre Regierungen kennen keine Skrupel, wenn es darum geht, die Möglichkeiten der digitalen Welt zur Sicherung ihrer Macht zu nutzen", erklärte der hiesige Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass die feindlichen Kräfte viele Komplizen hätten, von denen einige mitten in demokratischen Staaten arbeiteten. Wer sich glaubhaft gegen Despoten stellen wolle, "muss auch dafür sorgen, dass diese nicht aus Deutschland und anderen westlichen Staaten mit Instrumenten zur Überwachung und Zensur versorgt werden".

Parallel hat die Organisation eine Uncensored Library veröffentlicht. Diese soll das übers Internet frei zugängliche Computerspiel Minecraft als Schlupfloch nutzen, um zensierte Artikel von Journalisten in deren Heimatländern zu verbreiten. Die Texte aus Ägypten, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien und Vietnam sind in Büchern in einer virtuellen Bibliothek im Internet "ausgestellt". In der virtuellen Eingangshalle können sich Besucher über die Situation der Pressefreiheit in 180 Ländern informieren. Fünf weitere Schauräume sind den genannten Staaten gewidmet. (jk)