Freie 3D-Software Blender 3.6 mit schnellem Raytracing

Blender 3.6 rendert schneller und unterstützt mehr Grafikhardware als zuvor. Neue Geometry-Nodes simulieren Physik; Motion-Capture lässt sich glätten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen

Der Splashscreen von Blender 3.6 zeigt eine Szene von Nicole Morena.

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Gottfried Hofmann
Inhaltsverzeichnis

Version 3.6 der freien 3D-Software Blender kommt wieder mit "Long Term Support", das heißt sie wird für zwei Jahre mit Fehlerbereinigungen versorgt. Zusätzlich hat sie einen Performanceboost in fast allen Bereichen erhalten. Damit dürfte sie im Alltag deutlich schneller laufen – und auch an neuen Funktionen mangelt es nicht.

Die in Blender mitgelieferte Raytracing-Engine Cycles unterstützt jetzt die Hardwarebeschleunigung auf Grafikkarten der RX 6000- und RX 7000-Serie von AMD und ihren Workstation-Pendants W6000 und W7000. Das funktioniert allerdings nur mit der speziell auf Blender angepassten Treiberversion 22.40.51.06. Sie läuft zurzeit nur unter Windows über das HIP RT-Backend.

Nutzer von Intel-GPUs können die Raytracing-Beschleunigung über das oneAPI-Backend einschalten. Beim Einsatz von Bevel- oder Ambient-Occlusion-Nodes rekompiliert Cycles dabei die GPU-Binärdaten und benötigt dafür 9 GByte Arbeitsspeicher und mehrere Minuten Zeit. In der Zukunft könnte sich das Problem durch bessere Treiber lösen.

Apple Silicon-GPUs benötigen jetzt deutlich weniger Speicher beim Berechnen von volumetrischen Effekten wie Feuer, Rauch oder Nebel.

Alle GPUs von AMD können jetzt mit Light-Trees umgehen, einer Struktur, um Beleuchtung effektiver zu berechnen. Unabhängig von der eingesetzten Hardware erzeugt Cycles die Light-Trees nun deutlich schneller. Sie belegen außerdem weniger Grafikspeicher als zuvor.

Damit Cycles ein Bild oder eine Vorschau erzeugen kann, müssen sämtliche Daten auf der Renderhardware vorliegen, was üblicherweise den Arbeitsfluss verzögert. In Blender 3.6 wurde dieser Prozess beschleunigt. Große Objekte laden vier- bis sechsmal schneller als zuvor; Attribute wie UV-Maps kopiert Blender zehnmal so schnell.

In einer ähnlichen Größenordnung liegt der Performanceschub bei Punktwolken und Kurven, welche zum Beispiel beim Darstellen von Haaren dienen. In besonders extremen Fällen wollen die Entwickler 60-fache Beschleunigung gemessen haben.

Auch an anderen Stellen profitiert Blender vom schnellen Kopieren der Geometriedaten, beispielsweise bei UV-Maps und Custom-Normals, die beim Spieledesign Anwendung finden. Bemerkbar macht sich das beim Wechsel zwischen Edit-Mode und Object-Mode. Allgemein soll Blender beim Kopieren nun 25 Prozent weniger Arbeitsspeicher benötigen.

Punktwolken kann Blender 3.6 inklusive Farben über das PLY-Format importieren. Interessant ist das unter anderem für wissenschaftliche Simulationen und Photogrammetrie. Von Grund auf neu geschrieben, soll der Import acht- bis 30-fach, der Export vier- bis 20-fach so schnell vonstattengehen. Auch FBX-Dateien tauscht Blender nun schneller aus.

Ins USD-Format (Universal Scene Description Language) lassen sich jetzt auch Haare und Kurven exportieren. Außerdem ist das 3DS-Format zurück. Viele Blendernutzer hatten sich das gewünscht. Es wurde aber nicht nur auf Blender 3.6 portiert, sondern auch erweitert, sodass es jetzt auch Animationen versteht. Nahezu alle 3D-Definitionen lassen sich damit im- und exportieren.

Geometry-Nodes sollen jetzt auch Partikel, Festkörper, Stoffe oder Flüssigkeiten simulieren können. Die Entwickler haben dafür die „Simulation Area“ eingerichtet. Die für diesen Zweck geschaffenen Nodes finden das nächstgelegene Element und geben es wieder zurück. Damit bilden sie die Grundlage, um Kollisionen zu erkennen. Noch fehlen High-Level-Nodes. Simulationen muss man also aus den Basisfunktionen zusammensetzen. Damit eignet sich das System nicht für Einsteiger.

Dieser mit Geometry-Nodes erzeugte Pudding wackelt beim Bewegen hin und her. Die Grundlage bilden neue Simulation-Nodes.

Nach dem Rendering steht häufig noch Nachbearbeitung an. Beim Compositing passen 3D-Künstler die Farben und den Kontrast an oder fügen atmosphärische Effekte hinzu. Blender 3.5 zeigt direkt im Live Viewport eine Vorschau an. Das Update reicht einige wichtige Funktionen nach, darunter Farbraumkonvertierung, Entrauschen, Masken und Unterstützung für EXR-Bilder mit mehreren Ebenen.

Ein Beispiel, was Simulation-Nodes leisten können: Das c’t-Logo emittiert Partikel, die sich wie Rauch verhalten. Der Glüheffekt stammt aus dem Echtzeit-Compositor.

Ein neuer Renderpass zeigt im Viewport transparente Bereiche beim Rendern mit Eevee an. Allerdings funktioniert er bisher nur mit Materialien, die auf "Alpha Blend" eingestellt sind. Die Vorschau unterscheidet sich außerdem noch vom finalen Render, wenn die transparenten Bereiche auch eingefärbt sind. Diese Limitierungen sollen künftige Versionen von Blender nicht mehr mitbringen.

Filmemacher erfassen Bewegungen häufig über Motion-Capturing: Die Darsteller tragen dafür Anzüge mit speziellen Markierungen oder Punkte im Gesicht. Die resultierenden Daten enthalten aber oft Fehler, die sich am Rechner in zuckenden Bewegungen zeigen. Blender 3.6 glättet solche Spitzen in Animationskurven mit einem Gaußschen Weichzeichner.

Die bisherige Glättungsfunktion bleibt im Angebot, ist jetzt aber als "Legacy" gekennzeichnet. Der Gaußsche Weichzeichner funktioniert unabhängig von der Dichte der Keyframes und arbeitet auch mit modalen Operatoren. So können Add-ons die Funktion besser einsetzen als die Legacy-Lösung.

Blender glättet Motion-Capture-Daten mit dem Gauß‘schen Weichzeichner (oben eine Animationskurve mit unerwünschter Wackelei, unten bereinigt).

Über die neue Transform-Orientation "Parent" kann man ein Objekt relativ zum Elternobjekt bewegen. Dafür muss zwischen den Objekten eine Eltern-Kind-Beziehung bestehen. Sonst verwendet Blender globale Koordinaten. Diese Funktion war bisher nur für Bones (Animationsskelett) verfügbar und tief in Untermenüs versteckt. Jetzt befindet sie sich neben den anderen Transform-Orientations.

Der Video Sequence Editor (VSE) integriert Videoschnittfunktionen in Blender. Ein neues Retiming-Werkzeug, das über die Werkzeugleiste aufgerufen wird, ändert die Geschwindigkeit eines Clips intuitiv über Anfasser. Platziert man zwei dieser Handles und zieht sie näher zusammen, erhöht sich die Geschwindigkeit des Clips im Bereich dazwischen und verlangsamt ihn in der Umgebung. Für sanfte Übergänge kann man einen Bereich definieren, in dem der Editor von der einen in die andere Geschwindigkeit weich interpoliert. Dieser Effekt wird auch Speed Ramp genannt.

UV-Mapping projiziert zweidimensionale Bildtexturen auf dreidimensionale Modelle. UV-Unwrapping versucht umgekehrt, eine dreidimensionale Fläche zweidimensional aufzurollen. Wer das mal mit den Schalen einer Mandarine versucht hat, wird merken, dass so etwas nicht ohne Risse und Verzerrungen möglich ist. Der Prozess kann zu einem gewissen Grad automatisiert werden und liefert in Blender 3.6 jetzt bessere Ergebnisse, da die zugrunde legende UV Packing Engine überarbeitet wurde.

Zusätzlich hat Blender 3.6 auch eine ganze Reihe an Detailverbesserungen erhalten. Beim Verschieben per Drag & Drop, kann man die Operation jetzt mit der rechten Maustaste oder der Escape-Taste abbrechen. Beim Proportional-Editing kann man den Bereich jetzt über einen Slide exakt definieren, statt wie bisher nur über Drehen des Mausrads. Unter Windows lassen sich in den Bildeditor geladene Bilder jetzt in die Zwischenablage kopieren. Bei Textobjekten kann man im Edit-Mode jetzt Worte wie in anderen Programmen per Doppelklick selektieren und den Curser per Mausklick platzieren.

Blender 3.6 steht ab sofort für Windows, macOS und Linux sowie als Quellcode zum Download zur Verfügung. (akr)