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Frequenzvergabe: Mobilfunker gegen gesetzliche "Vorfestlegung" auf Auktion

Volker Briegleb

(Bild: TPROduction/Shutterstock.com)

Netzbetreiber kritisieren, dass die Frequenzauktion auch im neuen TKG das bevorzugte Verfahren sein soll. Ein Gutachten wirft europarechtliche Fragen auf.​

Nach der Versteigerung ist vor der Versteigerung: Wenn es um die Vergabe von Mobilfunkfrequenzen geht, setzt die deutsche Regulierungsbehörde in aller Regel auf eine Auktion – das ist eine der Optionen, die auch das Telekommunikationsgesetz (TKG) bevorzugt. Nach der 5G-Auktion 2019 steht in den kommenden Jahren die Neuvergabe des Spektrums an, das 2010 versteigert worden war und dessen Nutzungsrechte 2025 auslaufen. Man kann spekulieren: Die Bundesnetzagentur dürfte wieder den Hammer schwingen.

Doch laut einem rechtlichen Gutachten ist die im TKG festgeschriebene und auch in der laufenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes [1] vorgesehene Bevorzugung von Auktionen als Vergabeverfahren für knappe Frequenzen nicht mit EU-Recht zu vereinbaren. Zu diesem Schluss kommt Professor Christian König vom Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Uni Bonn, der das Gutachten [2] für den Netzbetreiber Telefónica Deutschland erstellt hat.

Die "Vorprägung" zugunsten einer Versteigerung enge den Ermessensspielraum der Bundesnetzagentur ein und sei damit nicht unionsrechtskonform, bilanziert König. Zudem schränke der Entwurf der Bundesregierung für die TKG-Novelle die Verlängerbarkeit von Frequenznutzungsrechten unzulässig ein, schreibt König. Der EU-Rechtsexperte empfiehlt, das TKG in diesen Punkten anzupassen, um etwaige Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden.

Hinsichtlich der Frequenzvergabe sieht das deutsche Telekommunikationsrecht vor, dass die Bundesnetzagentur für knappes Spektrum wie etwa Mobilfunkfrequenzen ein Vergabeverfahren durchführt – und zwar entweder als Ausschreibung oder als Versteigerung. "Grundsätzlich" sei das Versteigerungsverfahren zu wählen, wenn nicht andere wichtige Gründe dagegen sprechen, heißt es im Gesetz.

"Aus der Sicht der Bundesregierung ist bei bestehender Frequenzknappheit das Versteigerungsverfahren grundsätzlich das geeignete Verfahren zur Bestimmung eines Zuteilungsnehmers", erklärt dazu ein Sprecher des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI), das für diesen Teil der TKG-Novelle zuständig ist. "Dies schließt nicht aus, dass die Vergabebehörde ausnahmsweise ein anderes Auswahlverfahren durchführt."

Dieser Vorgabe folgend hat die Bundesnetzagentur seit dem Jahr 2000 neue und frei werdende Mobilfunkfrequenzen versteigert. Besonders spektakulär verlief die erste Auktion, bei der die UMTS-Frequenzen im 2,1-GHz-Band unter den Hammer kamen [3]. Umgerechnet rund 50 Milliarden Euro legten Netzbetreiber und solche, die es werden wollen, für das Zukunftsversprechen des mobilen Internets auf den Tisch.

Eine solche Goldgräberstimmung herrschte zwar nie wieder, trotzdem hat die Branche in den vergangenen zwanzig Jahren rund 66 Milliarden Euro bei Frequenzversteigerungen ausgegeben; zuletzt waren es gut 6,5 Milliarden Euro bei der 5G-Auktion im Sommer 2019. Das ist Geld, das dann an anderer Steller fehlt, sagen die Netzbetreiber: "Die bisherigen Frequenzauktionen in Deutschland haben die Mobilfunknetzbetreiber Milliarden gekostet", sagt ein Vodafone-Sprecher. "Milliarden, die beim dringend benötigten Netzausbau insbesondere im ländlichen Raum fehlen."

Die Festlegung per Gesetz schränke den Ermessensspielraum der Regulierungsbehörde unnötig ein, meint Valentina Daiber, die im Vorstand von Telefónica Deutschland für Recht und Corporate Affairs zuständig ist: "Nur wenn es keine gesetzliche Vorfestlegung für die Auktion gibt, stehen der Bundesnetzagentur alle Handlungsoptionen wirklich gleichberechtigt für eine umsichtige Frequenzregulierung zur Verfügung."

Das Gutachten stützt diese Ansicht. "Es ist aus meiner Sicht vor allem wichtig, dass der Entscheidungsspielraum der Bundesnetzagentur nicht durch den Gesetzgeber eingeschränkt wird", erklärt König. "Die Behörde muss auf Basis der Wettbewerbssituation und der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Marktes das jeweils beste Verfahren bestimmen können, um die Regulierungsziele des TKG zu bedienen."

Startschuss zur 5G-Versteigerung im März 2019: BNetzA-Chef Jochen Homann (2.v.r.) gibt die Auktion frei.

(Bild: heise online/vowe)

In der TKG-Novelle will der Bund nun aber fortschreiben, dass es "grundsätzlich" eine Versteigerung geben sollte. Mit der Erneuerung des TKG soll der Europäische Kodex für die elektronische Kommunikation [4], der 2018 verabschiedet wurde, endlich in deutsches Recht umgesetzt werden [5]. Der Kodex sehe aber "explizit vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden künftig weite Spielräume zur richtigen Verfahrenswahl bekommen sollen", betont König.

Die im TKG-Regierungsentwurf trotzdem vorgesehene Vorfestlegung auf eine Auktion sei europarechtlich nicht vorgesehen und würde die Entscheidungsbefugnisse der BNetzA unzulässig einschränken, sagt König. "Nach meiner Überzeugung verstößt das klar gegen europäisches Recht." Es drohen: langjährige Rechtsstreitereien am EuGH, anhaltende Rechtsunsicherheit, ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.

Die Bundesregierung sieht das gelassen. "Mit der vorgeschlagenen Regelung soll die bestehende Rechtslage im TKG, die ihrerseits im Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben steht, fortgelten und bei den beteiligten Unternehmen wie bei der Bundesnetzagentur für Rechtssicherheit gesorgt werden", erklärt der BMVI-Sprecher. Es soll also alles bleiben, wie es ist.

Bei den Erwägungen der Bundesregierung dürfte allerdings auch eine Rolle gespielt haben, dass seit der 5G-Auktion ein vierter Netzbetreiber seinen Markteintritt vorbereitet. Newcomer 1&1 Drillisch hat sich bei der 5G-Auktion Spektrum für über eine Milliarde Euro gesichert [6] und schickt sich nun an, ein eigenes Netz aufzubauen. In der Fläche darf der Newcomer dabei zunächst auf das Netz von Telefónica zurückgreifen, ein Roaming-Vertrag steht kurz vor dem Abschluss.

"Mit vier Mobilfunknetzbetreibern werden die zu vergebenden Frequenzen insbesondere beim Flächenspektrum noch knapper", heißt es bei Vodafone. "Eine intelligente Regulierung kann hier Abhilfe schaffen. Zum Beispiel durch die Bereitstellung zusätzlichen Spektrums im Bereich 600 MHz ab 2030 in Kombination mit der Verlängerung des Flächenspektrums im Bereich 800 MHz. Eine im TKG gesetzlich festgeschriebene Verlängerungs-Option für die Bundesnetzagentur kann dabei nur hilfreich sein."

Eine mögliche Verlängerung bringen alle Netzbetreiber ins Spiel, wenn es um die begehrten Frequenzen geht. "Dazu können beispielsweise auch Modelle zählen, die eine Frequenzverlängerung gegen Ausbauzusagen zum Kern haben", sagt Telefónica-Vorständin Daiber. Europarechtlich sei auch vorgesehen, dass Frequenznutzungsrechte, die für weniger als 20 Jahre zugeteilt wurden, auch verlängert werden können. Diese Möglichkeit "läuft im Regierungsentwurf praktisch leer", betont Daiber.

So könnten auch die Laufzeiten der Frequenzpakete angeglichen werden, heißt es bei der Telekom. "Das TKG muss Raum für Verlängerungslösungen in Übereinstimmung mit dem Europäischen Kodex schaffen und nicht das Primat immer wiederkehrender Spektrumsauktionen zementieren", erklärt eine Sprecherin. Eine Verlängerung einiger Frequenzen um fünf Jahre und eine anschließende Neuversteigerung fast des ganzen Spektrums "gäbe dem gesamten Markt langfristige Planungs- und Investitionssicherheit".

Die etablierten Netzbetreiber halten eine Verlängerung bestimmter Frequenzen unisono für eine gute Idee. Denn es geht dabei unter anderem um besonders attraktive, weil reichweitenstarke Frequenzen im 800-Mhz-Band, die 2010 versteigert worden waren [7] und deren Nutzungsrechte Ende 2025 auslaufen. Dieses Spektrum eignet sich dank der hohen Reichweite gut für den Ausbau in weniger dicht besiedelten Gebieten, wo mit einer Antenne eine vergleichsweise große Fläche abgedeckt werden kann.

Doch sind die drei Großen nicht mehr unter sich. 1&1 will ein eigenes Netz aufbauen [8]: "Dafür benötigt ein neuer Netzbetreiber Zugriff auf Frequenznutzungsrechte für Flächenfrequenzen unterhalb 1 GHz", erklärt eine United-Internet-Sprecherin. Eine etwaige Verlängerung von Frequenznutzungsrechten dürfe nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und einer Zementierung des Status quo führen. "Ansonsten hätte ein Neueinsteiger wie 1&1 Drillisch von vornherein keine Chance, Zugang zu Flächenfrequenzen zu erhalten" und "würde in grober Weise diskriminiert".

(vbr [9])


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https://www.heise.de/-5999924

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/TKG-Novelle-Zu-wenig-Licht-und-zu-viel-Schatten-4991996.html
[2] https://www.basecamp.digital/gutachten-zum-telekommunikationsrecht-frequenzregulierung-nicht-europarechtskonform/
[3] https://www.heise.de/hintergrund/20-Jahre-UMTS-Auktion-100-Milliarden-fuer-ein-paar-Megahertz-4872513.html
[4] https://www.heise.de/news/EU-Kosten-fuer-Ferngespraeche-sinken-Gigabitnetze-sollen-kommen-4240539.html
[5] https://www.heise.de/news/EU-Mahnbriefe-Nur-3-Staaten-haben-Telecom-Kodex-umgesetzt-5046767.html
[6] https://www.heise.de/news/5G-Frequenzauktion-beendet-4445365.html
[7] https://www.heise.de/news/Nur-Gewinner-bei-der-Frequenz-Auktion-1005718.html
[8] https://www.heise.de/news/5G-1-1-will-2021-mit-eigenem-Netz-loslegen-4498886.html
[9] mailto:vbr@heise.de