Geld und gute Worte: ITU-Mitglieder vor Kampfabstimmung

Noch wurde das Thema Ukraine umschifft, doch Ende der Woche treten bei der ITU-Konferenz eine US-Vertreterin und ein russischer Ex-Minister gegeneinander an

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Am Donnerstag wollen die 190 Mitgliedsländer der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) bei ihrer Vollversammlung in Bukarest ein neues Management wählen. Den scheidenden chinesischen ITU-Generalsekretär Houlin Zhao wollen die US-Amerikanerin Doreen Bogdan-Martin und der ehemalige russische Telecom-Minister Rashid Ismailov beerben. Beobachter sprechen von einem Wettstreit der Systeme.

Alle vier Jahre legt die sogenannte Plenipotentiary Konferenz ("Plenipot") die Richtlinien der Arbeit der ITU fest. Dabei wird seit vielen Jahren regelmäßig um den Einfluss gerungen, den die als Telegraphenunion 1865 gegründete, älteste UN-Organisation auf Internetstandards und -Politik ausüben soll. Der Krieg in der Ukraine und dessen Verurteilung durch das westliche Bündnis spalten die Staatengemeinschaft zu dieser "Plenipot".

Am ersten Tag blieb der für viele andere UN-Veranstaltungen aktuell übliche Schlagabtausch zwischen den Parteien aber aus. Für die EU unterstrich der tschechische Vizeminister für Digitales, Petr Očko, die Notwendigkeit, "die Anstrengungen zu verdoppeln, um die Verfahren der ITU transparenter und besser zugänglich zu machen, auch für Organisationen, die aktiv die Menschenrechtsaspekte im Bereich Telekommunikation/ICT vertreten."

Dan Graves vom US-Außenministerium merkte an, der Krieg erschwere auch die Arbeit der ITU, gerade dabei, die digitalen Gräben zu schließen. Um die noch nicht mit Netz versorgten 3,7 Millionen Menschen weltweit anzuschließen, habe die neue ITU-Initiative Partner2Connect Digital Coalition (P2C) bereits 26 Milliarden Euro eingesammelt.

Die P2C ist eine Idee der US-Kandidatin Doreen Bogdan-Martin, die seit drei Jahren Direktorin des ITU Telecommunication Development Bureau ist. In Bogdan-Martins Kampagnenunterlagen steht das Thema globale Konnektierung an erster Stelle. Konnektivität sei ein Kernfaktor für das Erreichen der UN-Entwicklungsziele 2030, unterstrich die US-Amerikanerin.

Bogdan-Martins russischer Herausforderer, der bis 2020 von Wladimir Putin ernannter Digitalminister war, sieht die ungleiche Entwicklung zwar auch als Handlungsfeld der ITU. Aber Ismailovs Prioritäten unterstreichen den russischen Anspruch auf eine "mächtige" ITU. In Ismailovs Prioritätenlisten finden sich so Arbeiten wie "die Vereinfachung von Besteuerung und rechtlichen Normen", die "Demonopolisierung von ICTs" durch offene internationale Standards oder auch die Schaffung einheitlicher internationale Regeln zum Gebrauch von Drohnen und autonomen Systemen mit KI-Elementen.

Gewählt wird am Donnerstag nach Mehrheitsprinzip. Am Ende könnte es der Ukraine-Krieg sein, der Ismailov einen Strich durch die Rechnung macht.

Ismailovs Vorstellung von einer stärker politischen, und vor allem Internet-politischen ITU findet sich auch in zahlreichen Vorschlägen für die sogenannten Internetbeschlüsse der ITU (Resolution 101, 102). In solchen Beschlüsse werden die Arbeitsaufträge der ITU festgelegt, beziehungsweise von den in der Plenipot versammelten Mitgliedsstaaten überprüft und bei Bedarf neu gefasst.

Für Resolution 101 schlägt die Gruppe der arabischen Staaten das Arbeitsthema Domains und IP-Adressvergabe als Thema für die Fernmeldeunion vor. Die ITU soll in diesen bislang den Selbstverwaltern der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers und den Regionalen IP Adressverwaltungen vorbehaltenen Bereichen aktiver werden, ebenso wie bei 5G, AI, IoT, Big Data, Cloud Computing und OTT-Plattformen.

Die ITU solle dazu beitragen, dass alle Domainnamen, einschließlich neuer Top-Level-Domains und nicht-lateinischer Domains gleich behandelt und "von allen genutzt" werden können, fordert die Gruppe der afrikanischen Staaten, wie ein Überblick der Internet Society notiert. Dass damit gemeint wird, dass auch Markendomains geöffnet werden müssen, ist wohl eher unwahrscheinlich. Doch illustrieren die Entwürfe den Wunsch, der ITU mehr Gewicht im Bereich Internetverwaltung zu verleihen.

Europa versucht demgegenüber eher, den Schwerpunkt von der Netzverwaltung auf die stärker entwicklungspolitischen Bereich fürs Netz zu verschieben. In zwei gegensätzliche Richtungen ziehen die Länderblöcke auch bei der Kooperation der ITU mit anderen Standardisierungs- und Netzverwaltungsorganisationen. Europa würde die entsprechenden Klauseln gerne bekräftigen. Die arabischen Länder plädieren an mehreren Stellen für die Streichung entsprechender Fußnoten in den Resolutionen.

Die Zusammenarbeit mit anderen Standardisierungsorganisationen (wie IETF, GSMA, W3C) würde am Ende auch den Kandidaten beschäftigen, den die deutsche Bundesregierung ins Rennen um den Vorsitz des Standardisierungsarms der ITU (Telecommunication Standardization Bureau) schickt, wo auch Vorschläge wie Huaweis umstrittene "New IP" verhandelt werden.

Als Jurist hat der im Bundeswirtschaftsministerium seit 2016 für internationalen Standardisierung und Patentpolitik zuständige Thomas Zielke möglicherweise Nachteile gegenüber seinen Mitbewerbern aus Tunesien und Japan, die aus der Branche (Nortel und NTT Docomo) kommen. Doch spielt bei der ITU am Ende der regionale Proporz wohl eine noch größere Rolle. Wenn Bogdan-Martin das Rennen macht, werden auf die Posten der Direktorate (Standardisierung, Entwicklung, Frequenzen) eher Vertreter aus anderen Regionen nachrücken. Gewählt werden außer den Spitzenpositionen des Managements auch noch die Mitglieder des Radio Regulation Board und des ITU Council.

(mho)