Gründer Markus Beckedahl verlässt netzpolitik.org

Vor gut zwanzig Jahren gründete Markus Beckedahl netzpolitik.org. Nun überlässt er das Projekt der nächsten Generation Netzaktivisten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 23 Kommentare lesen

Markus Beckedahl

(Bild: Gregor Fischer/ re:publica / cc by-sa 2.0))

Lesezeit: 4 Min.

Der netzpolitische Aktivist und Journalist Markus Beckedahl verlässt das von ihm selbst vor gut 20 Jahren gegründete Projekt netzpolitik.org. Vor zwei Jahren hatte er bereits die Chefredaktion der Website abgegeben, nun möchte er sich "Raum für Experimente und neue Kollaborationen schaffen", wie Beckedahl selbst schreibt.

"In den letzten 20 Jahren meines Lebens war netzpolitik.org eng mit meiner Identität verbunden", resümiert Beckedahl. Er habe nun mindestens weitere 20 Jahre bis zur Rente, das sei ein guter Zeitpunkt, etwas Neues zu erleben und zu gestalten. Die nächste Netzpolitik-Generation lasse er ihre eigenen Impulse setzen.

Beckedahl absolvierte eine Ausbildung zum IT-Kaufmann und gründete 2003 zusammen mit Andreas Gebhardt die Firma Newthinking Communications. Ein Jahr zuvor startete er netzpolitik.org, bis heute die wichtigste Anlaufstelle rund um netzpolitische Debatten. Markus Beckedahl ist ebenfalls Mitgründer der re:publica, eine der größten Digitalkonferenzen Europas. Für diese will er weiterhin tätig sein.

"Ich hatte das Privileg und das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein", schreibt Beckedahl rückblickend. Dabei habe er die "Entwicklung eines neuen Politikfeldes und die Entwicklungen unzähliger Debatten hautnah beobachten und mitprägen" können. Die Zeit vor 20 Jahren habe große Möglichkeiten für alle geboten, die wie er von Medien fasziniert waren: "Wir konnten auf einmal publizieren, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen. Wir konnten uns das Wissen dazu selbst erarbeiten – mit der richtigen Motivation und einem Verständnis für Technik."

Dabei hätten ihm die Werte der Open-Source-Welt eine andere journalistische Perspektive darauf verschafft, "was in unserem gesellschaftlichen Umgang (und Diskurs) mit Technik möglich ist: eine offene, vernetzte und kollaborative Netzpolitik – sowohl inhaltlich als auch in der praktischen Anwendung".

Einige Themen wie Überwachung oder Breitbandinternet seien seit zwei Jahrzehnten Dauerthemen. Debatten hätten sich verändert oder seien verschwunden, wie zum Beispiel zum Thema "Raubkopierer sind Verbrecher". Computerspiele seien früher als "Killerspiele" thematisiert worden, mittlerweile würden sie als Kulturgut gelten. Ein wichtiges Thema für Beckedahl ist auch die Netzneutralität, bei der nach vielen Auseinandersetzungen immer noch Wachsamkeit gefragt sei.

Viel Raum eingenommen hat auf netzpolitik.org das Thema Vorratsdatenspeicherung. "Digitale Vernetzung und die Möglichkeit von Datensammlungen haben schon immer die Phantasie aller Innenpolitiker:innen angeregt", schreibt Beckedahl dazu. "Was technisch möglich ist, weckt Begehrlichkeiten der Überwachung. Vor allem, wenn es kaum Debatten darum gibt und große Teile der Gesellschaft die Auswirkungen technisch und rechtlich nicht verstehen." Er wolle "sich immer dafür einsetzen, einen Ausbau von Überwachung konsequent zu bekämpfen – dort, wo sie rote Linien überschreitet und unsere Grundrechte und damit unsere Freiheit gefährdet".

Als Leitfragen für seine Zukunft formuliert Beckedahl: "Welche Allianzen sollten wir als digitale Zivilgesellschaft jetzt schmieden, welche Brücken in die Gesellschaft jetzt bauen oder erweitern, damit wir gesellschaftliche Mehrheiten und die richtigen rechtlichen und medialen Rahmenbedingungen für eine lebenswerte digitale Welt schaffen können?" Weiter fragt er sich, wie der Journalismus in Zeiten zunehmender Polarisierung Vertrauen zurückgewinnen könne. Im Oktober soll dazu die zweite Ausgabe des von ihm mitentwickelten "b future festival für Journalismus und konstruktiven Dialog" stattfinden.

"Ich muss manchmal schmunzeln, wenn ich daran denke, dass zu den Anfängen von Netzpolitik für das Internet mitverantwortliche Spitzenpolitiker:innen nicht wussten, was ein Browser ist", schaut Beckedahl zurück. Hoffen wir, dass sich das mittlerweile grundlegend geändert hat – auch Dank seiner stetigen Mithilfe.

(anw)