HPE wettet auf KI: Mit Aleph Alpha und Cray-Supercomputern zur Firmenanwendung

HPE kombiniert Luminous von Aleph Alpha und Cray-Supercomputer für ein leistungsstarkes Large Language Model aus der Cloud.

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(Bild: Harald Weiss)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Harald Weiss
  • Silke Hahn
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Supercomputer verkaufen sich aufgrund der Kosten und ihrer Größe nur in begrenzten Stückzahlen – was zu vielen kreativen Angeboten der Hersteller führt. So sei daran erinnert, dass Virtualisierung keine Erfindung von VMware ist, sondern schon viel früher auf IBM-Mainframes zum Einsatz kam. Auch die Nutzung von High Performance Computing (HPC) übers Netz ist nicht sonderlich neu. Doch der Einsatz war lange Zeit aufgrund schwacher Netzwerke stark eingeschränkt, erst mit dem Aufstieg der Cloud wurde HPC-as-a-Service attraktiv.

Heute haben alle großen Cloud-Provider, wie Alibaba, AWS, Google, Microsoft und Oracle solche Angebote. Doch auch das hat seine Leistungsgrenzen, denn gerade die neuen Programme der generativen KI erfordern eine immense Rechenleistung, die mit linearen Erweiterungen von Compute-Instanzen nicht lösbar sind. Diese Performance- und Anwendungslücke will HPE jetzt mit seinem neuen AI-as-a-Service schließen, das im Rahmen des Greenlake-Portfolios auf den Markt kommt (HPE Greenlake for LLM)s.

Als erste Anwendungsplattform hat man sich für Luminous des Heidelberger KI-Spezialisten Aleph Alpha entschieden. Hierbei handelt es sich um ein Large Language Modell (LLM) mit mehreren vortrainierten Sprachen und Anwendungen. Zu Beginn stehen Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch zur Verfügung, weitere Sprachen sollen folgen. Aleph Alpha arbeitet schon länger mit HPE zusammen. Laut Andrulis besteht die Zusammenarbeit, seit Aleph Alpha das eigene Rechenzentrum aufgebaut hat.

Damals hätten er und sein Team festgestellt: "Die liefern nicht nur Hardware, sondern denken mit, haben im Bereich Künstliche Intelligenz wirklich gute Leute." So sei man ins Gespräch gekommen und habe festgestellt, dass bei den gemeinsamen Zielen eine Passung besteht. HPE und Aleph Alpha möchten ihm zufolge "die Souveränität der Kunden sicherstellen, die sich nicht an einen einzigen Cloud-Anbieter binden wollen", wie Andrulis im Rahmen der Supercomputing Conference in Las Vegas der Wirtschaftswoche mitteilte.

Demzufolge gehe es nicht allein um Synergien im Vertrieb, sondern auch um eine Alternative für Kunden in sicherheitskritischen Bereichen, die die Hoheit über ihre Daten behalten möchten. Durch die Allianz mit HPE könne sein Unternehmen ab sofort auch hybride Lösungen anbieten, etwa teils in der Cloud, teils im eigenen deutschen Rechenzentrum. Die Partnerschaft sei für beide Seiten nicht exklusiv und lasse Spielraum für weitere Kooperationen.

Die neue Plattform ist nicht zu verwechseln mit ChatGPT von Open AI: "Greenlake LLM erlaubt es, eigene generative KI-Lösungen zu entwickeln – etwa Konkurrenzprodukte zu ChatGPT von Open AI", erläutert Edmondo Orlotti, zuständig bei HPE für den Bereich HPC & AI Cloud Services, die Unterschiede. Dabei beschränkt sich das dann nicht nur auf die bekannten ChatGPT-Texte, die derzeit die Runde machen, sondern auf handfeste Industrie-Anwendungen. Als mögliches Beispiel verweist er auf eine deutsche Maschine, die in Japan von einem Japaner repariert werden soll – doch alle Unterlagen sind nur auf Deutsch verfügbar. Ein entsprechend trainiertes LLM-Programm könnte in Echtzeit einen Dialog mit der Person führen und somit den Reparaturaufwand reduzieren. Dieses Programm könnte zwar auf der Greenlake-LLM-Plattform ablaufen – müsste aber von Dritten entwickelt werden.

Dass eine solche Software sowohl KI- als auch Branchen-Knowhow verlangt, weiß man auch bei HPE. Entsprechend umfangreich sind die Unterstützungsmaßnahmen für diejenigen, die zwar über das Branchen-IT-Wissen verfügen, aber mit der Umsetzung in einer KI-Umgebung nicht vertraut sind. Deshalb bietet HPE verschiedene KI-Schulungen und -Optimierungen an. Hinzu kommen Anwendungshilfen für die Nutzung der KI/ML-Software von HPE, wie die HPE Machine Learning Development Environment zum schnellen Trainieren großer Modelle und auch die HPE Machine Learning Data Management Software zur Integration, Verfolgung und Prüfung von Daten mit reproduzierbaren KI-Funktionen.

Für die nötige Leistung der neuen Cloud-Services sorgt ein Cray-XD-Supercomputer mit Nvidia-H100-Beschleunigern. Softwareseitig gehört dazu die HPE Cray Programming Environment, eine vollständig integrierte Suite zur Optimierung von HPC- und KI-Anwendungen sowie ein kompletter Satz an Tools zum Entwickeln, Portieren, Debuggen und Optimieren von Code. Obwohl also auf Prozessorebene keine Unterschiede zu den HPC-as-a-Service-Angeboten der Hyperscaler bestehen, sieht man bei HPE trotzdem deutliche Leistungsunterschiede, die das Unternehmen auf die spezielle Systemarchitektur zurückführt. "Wir machen keine klassische Virtualisierung, sondern wir schaffen die Mandantenfähigkeit auf Knotenebene", führt Orlotti dazu aus.

Auch in allen anderen Bereichen, wie dem internen und externen Datenaustausch, ist alles auf eine Supercomputer-Architektur und nicht auf General-Purpose-Computing ausgerichtet. Das lässt sich im weitesten Sinne mit den Unterschieden eine Hyper-Converged-Infrastructure (HCI) zu herkömmlichen Server-Installationen vergleichen: Bei beiden kommen die gleichen Komponenten zum Einsatz, doch die spezielle, anwendungsbezogene Ausrichtung einer HCI macht sie schneller und einfacher zu administrieren.

Das erste Cray-Rechenzentrum für Greenlake MLL ist in Kanada installiert, doch weitere Standorte sind bereits in Planung. In Europa soll Ende dieses, spätestens Anfang nächsten Jahres ein entsprechendes System zur Verfügung stehen. Bis dahin soll es auch schon eine oder mehrere neue branchenspezifische Plattformen geben. Vorgesehen sind Anwendungen zur Klimamodellierung, für das Gesundheitswesen, die Biowissenschaften, Finanzdienstleistungen sowie die Fertigung und Logistik. Beispielhafte Use-Cases sind klassische Supercomputer-Anwendungen, wie Molecular-Docking oder auch im CAE-Umfeld, hierzu gibt es bereits eine Kooperation Volvo Cars.

Auch wenn für jede neue Plattform weitreichendes Branchenwissen erforderlich ist, so arbeitet HPE auch in den neuen Anwendungs-Bereichen eng mit Aleph Alpha zusammen. "Wir sind die KI-Nerds – und das ist ein Querschnittsthema; das jeweilige Branchenwissen kommt dann von entsprechend qualifizierten Partnern, oder auch direkt von HPE hinzu", sagt Jonas Andrulis, Gründer und CEO von Aleph Alpha über die weitere Zusammenarbeit mit HPE. Laut Antonio Neri, dem CEO von HPE, bietet Aleph Alpha "ein praxiserprobtes und sofort einsatzbereites LLM für Anwendungsfälle, die Text- und Bildverarbeitung und -analyse erfordern".

Mit seinem KI-Konzept stößt HPE in ein riskantes, hart umkämpftes Feld vor. Auch wenn KI durch ChatGPT zu einem Hype geworden ist – Versuche, mithilfe von KI disruptive Anwendungen zu schaffen, die sich auf breiter Front in der Geschäftswelt etablieren, konnten sich in der Vergangenheit bislang noch nicht durchsetzen. Man denke nur an die Euphorie zurück, die ausbrach, als 2005 beim Grand-Challenge-Race in der Wüste von Nevada erstmals völlig autonom fahrende Auto ein Wettrennen absolvierten. "In fünf Jahren werden selbstfahrende Autos das Straßenbild beherrschen", hieß es damals. Heute mehren sich die Bedenken, dass Level 5 in der Personenbeförderung in absehbarer Zeit wohl nicht erreichbar ist. Ein anderer Fall war IBMs hochgelobter KI-Sprachcomputer Watson. Der konnte zwar eine Serie von TV-Quizveranstaltungen gewinnen, versagte aber kläglich, als es um Anwendungen im Gesundheitswesen und bei IoT ging.

Daher bleibt abzuwarten, wie nachhaltig die aktuellen Entwicklungen sind und welche Anbieter sich letztlich mit welchen Produkten im Markt etablieren werden. HPEs Partner Aleph Alpha konzentriert sich nach eigenen Angaben auf Angebote für die Industrie und öffentliche Verwaltung. Andrulis erwartet eine Konsolidierung am Markt "wie im Cloud-Bereich, wo einige große Unternehmen das Geschäft dominieren", wie er gegenüber der Wirtschaftswoche in Las Vegas betonte. Der Wettstreit sei aber nicht Aleph Alpha allein gegen Microsoft, sondern Aleph Alpha in Allianz mit Hewlett Packard Enterprise und auch SAP – Unternehmen, die ihre Souveränität erhalten und Geschäftskunden weiterhin Alternativen anbieten wollen. HPE schlägt in seinen jüngsten Pressemitteilungen in die gleiche Kerbe.

Update

Informationen zur Supercomputing Las Vegas und weiterführende Links ergänzt. (sih)

(fo)