ICRA: Wolkenschlösser für Roboter

Auf der Roboterkonferenz in Karlsruhe lernen Roboter von ihren Klonen in der Wolke und für die Konstruktion einer künstlichen Biene lassen sich Forscher von Kinderbüchern inspirieren.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

„Das Schloss im Himmel“ lautet der deutsche Titel eines Animationsfilms von Hayao Miyazaki aus dem Jahr 1986. Er erzählt von der Stadt Rapyuta, die in den Wolken schwebt und von Robotern liebevoll gepflegt wird – ein Paradies in den Lüften, das aber nicht leicht zu erreichen ist.

Interaktive Präsentationen gibt es bei der ICRA mehrmals täglich. In einer Art Ideenbörse stellen dutzende Wissenschaftler ihre Arbeit vor.

(Bild: heise online/Marsiske)

Der Film stand Pate für ein Softwarepaket, das vor Kurzem veröffentlicht und jetzt auf der Roboterkonferenz ICRA (International Conference on Robotics and Automation) in Karlsruhe präsentiert wurde. Es führt zwar nicht in den Himmel, aber immerhin in die Wolke, die in diesem Fall aber auch auf deutsch besser „Cloud“ genannt wird. Rapyuta ist das jüngste Ergebnis des EU-Projekts RoboEarth, das sich mit Cloud Robotics beschäftigt. Ziel ist es ein World Wide Web für Roboter zu schaffen, das den Erfahrungsaustausch zwischen den Maschinen befördern soll.

Kern des RoboEarth-Systems ist eine Datenbank, in der Informationen über Objekte, Räume und Bewegungsabläufe gesammelt werden. Geometrische Modelle können dabei mit semantischen Informationen kombiniert werden, sodass ein Roboter etwa die Bedeutung des Henkels an einer Tasse versteht. Manches Wissen lässt sich überraschend leicht austauschen, selbst wenn sich Hard- und Software der Roboter unterscheiden. „In einem Fall war ein Roboter nicht in der Lage, eine Tür zu öffnen“, sagt Projektleiter Markus Waibel (ETH Zürich). „Die Türklinke rutschte ihm immer wieder aus dem Greifer, weil seine Sensoren zu ungenau waren. Wir versuchten dann, die Tür mit einem anderen, besser ausgestatteten Roboter zu öffnen. Dieses Wissen wiederum erlaubte es dann auch dem ersten Roboter, den Griff richtig anzusetzen.“

Rapyuta soll den Robotern jetzt neben solchen Informationen auch Rechenkapazitäten zur Verfügung stellen. „Der Roboter wird in der Cloud durch einen Klon repräsentiert, der zum Beispiel Sensordaten zu dreidimensionalen Modellen aufbereiten kann“, erläuterte Mohanarajah Gajamohan (ETH Zürich), der das Software-Framework jetzt auf der ICRA vorstellte. „Der bordeigene Rechner des Roboters ist dadurch für zeitkritischere Aufgaben wie etwa Hindernisvermeidung entlastet.“ Der Klon habe in der Cloud zudem direkten Zugriff auf die Datenbank und könne mit den Klonen anderer Roboter kommunizieren, was zusätzlichen Zeitgewinn bringe. „Die Kommunikationsverbindung ist der Flaschenhals bei Cloud Robotics“, so Gajamohan. „Rapyuta bietet hier als Middleware eine wichtige Entlastung.“

Die Rotoren des Quadrokopters vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik sind beweglich und verleihen ihm mehr Beweglichkeit, die aber vorerst nur als Video zu sehen war.

(Bild: heise online/Marsiske)

Ob die Cloud Robotern auch helfen kann, durch richtige Wolken zu navigieren, bleibt abzuwarten. Die Hardware dafür war jedenfalls nur wenige Schritte von dem Bildschirm entfernt, an dem Gajamohan die Software im Rahmen einer interaktiven Präsentation erläuterte. Da stellte etwa Markus Ryll vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik einen Quadrokopter mit beweglichen Rotoren vor, der erheblich bessere Flugeigenschaften haben soll als die gängigen Modelle mit starren Rotoren. Aus Sicherheitsgründen war im Foyer des Karlslruher Kongresszentrums zwar keine Live-Vorführung möglich, aber im Video war zu sehen, wie der Flugroboter in der Luft rotierte ohne seine Position zu verändern. Zukünftig soll es auf diese Weise auch möglich sein, Objekte von einem Quadrokopter aus zu manipulieren und Kraft auf Gegenstände auszuüben.

Noch ein paar Schritte weiter war zu erfahren, wie autonome Segelflugzeuge vorgegebene Koordinaten anfliegen und zwischendurch immer wieder thermische Aufwinde nutzen können, um Höhe zu gewinnen. Das sei komplett bislang nur in der Simulation getestet worden, sagt José Cobano von der Universität Sevilla, wobei es auch um die Koordination mehrerer Flugzeuge gehe. Mit einem realen Flugzeug sei bereits der Gleitflug gelungen, für den Aufstieg sei dabei allerdings nicht die Thermik, sondern ein Propeller genutzt worden.

Sanft durch die Lüfte gleiten können nur größere Vögel oder Flugzeuge, Insekten dagegen müssen ständig mit den Flügeln schlagen, zeigen dabei aber atemberaubende Manövrierfähigkeiten. In einem Plenarvortrag schilderte Robert Wood von der Harvard University, was für eine Herausforderung es für Ingenieure bedeutet, fliegende Roboter in dieser Größenordnung zu realisieren. Über jedes einzelne Problem, das für Flugzeuge im Menschenformat im Prinzip gelöst ist, müsse grundlegend neu nachgedacht werden. Das gelte für die Mechanik ebenso wie für Sensoren und Datenverarbeitung.

Doch es sind gerade diese Schwierigkeiten, die Wood und seine Mitarbeiter beim RoboBees-Projekt reizen. Für die mechanische Konstruktion ließen sie sich von Aufklappbüchern für Kinder inspirieren: Der Bauplan wird zunächst zweidimensional ins Material eingraviert und dann zur dreidimensionalen Form zusammengeklappt. Auf diese Weise ist es den Forschern gelungen, einen 60 Milligramm schweren Roboter mit wenigen Zentimeter großen Flügeln zu konstruieren, der stabil in der Luft schweben sowie starten und landen kann.

Die Lebensdauer der Robo-Biene bezifferte Wood mit „mehreren zehn Minuten“ oder etwa 100.000 Zyklen. Mit anderen Worten: Der Roboter kann 100.000-mal mit den Flügeln schlagen, bevor er zusammenbricht. Von einer richtigen Biene ist das noch ein gutes Stück weit entfernt, aber Ermutigung genug, auf dem Weg weiter zu gehen. Das Roboterreich in den Wolken ist halt nicht leicht zu erreichen. (vbr)