IEEE-Tagung: Echtzeit-Ethernet für den Mobilfunk

Ethernet soll nun die letzte Domäne isochroner Datennetze entern, indem es Unterstützung für Echtzeitsysteme bekommt. Mit PoE++ könnte es den ganzen Arbeitsplatz mit Strom versorgen. WDS verschwindet aus dem WLAN-Standard.

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"Wir können als Ingenieure sehr präzise die nächsten fünf Jahre vorhersagen, aber die Gesellschaft benötigt eine Prognose für die nächsten 20 Jahre."

(Bild: IEEE)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Jensen
Inhaltsverzeichnis

Nach gut elf Jahren tagten die IEEE-Arbeitsgruppen rund um die Netzwerkstandards (IEEE 802) wieder in Berlin. Eines der Hauptthemen war die Ertüchtigung von Ethernet zur Verwendung in Mobilfunknetzen mit CPRI. Das Common Public Radio Interface ist eine normierte Schnittstelle zwischen der Datenverarbeitung (Server, Netzanbindung) und abgesetzten Funkmodulen (Remote Radio Heads, RRH) als Komponente für Virtualisierung. Diese greift wegen der hohen Rechenleistung moderner Server inzwischen auch auf die Kern- und Randelemente heutiger Mobilfunknetze über.

Mit CPRI können mehrere Mobilfunkbasen als virtuelle MIMO-Basisstation arbeiten. Sie erscheinen damit dem Mobilgerät als eine Basis, wobei die Verbindungsqualität steigt.

(Bild: Peter Ashwood-Smith, Huawei )

Statt dedizierter und damit teurer Hardware geht der Trend hin zu Software-basierten Lösungen. Neben den üblichen Virtualisierungsvorteilen wie besserer Agilität und potenziell höherer Ausfallsicherheit kann man so auch Basisstationen synchron steuern. Sie lassen sich dann als räumlich verteilte MIMO-Sender nutzen und erscheinen dem Mobilgerät als eine einzige Basis. Solche intelligenten Antennensysteme können wie schon beim WLAN die Datenrate oder die Verbindungsqualität verbessern.

Dieses Bündeln braucht jedoch massiv Rechenleistung und schnelle Datenverbindungen zwischen den Basisstationen. Mit CPRI over Ethernet soll dafür eine normierte Schnittstelle entstehen, die Datenraten bis 10 GBit/s bietet und Echtzeitanforderungen genügt.

Essenziell ist dabei die Fähigkeit, schnellstmöglich auf das Übertragungsmedium zugreifen zu können. Damit hoch priorisierte Pakete nicht auf die Verarbeitung weniger wichtiger Daten warten müssen, schlägt die Arbeitsgruppe P802.3br vor, in Übertragung befindliche Pakete unterbrechen zu können. Dazu bekommt der Kopf eines Ethernet-Pakets ein zusätzliches Feld; die Übertragung des unterbrochenen Frames soll nach Passieren des Überholers nahtlos fortlaufen.

Durch diese Überholmöglichkeit sinkt für kritische Daten die Übertragungslatenz. Außerdem kann man ähnlich wie bei Ethernet-AVB (Audio/Video-Bridging) eine maximale Latenz garantieren – Ethernet wird echtzeitfähig.

Die Unterbrechbarkeit macht Ethernet nebenbei auch interessanter für die Automobil- und Automatisierungsindustrie. Nach der gegenwärtigen Vorhabenbeschreibung ist mit einer Einführung im Jahr 2017 zu rechnen.

Power-over-Ethernet, hier in der Phantomspeisungs-Variante, nutzt derzeit nur zwei der vier Aderpaare im Ethernet-Kabel. Mit IEEE 802.3bt sollen alle Adern Energie transportieren und dann bis zu 100 Watt Leistung bereitstellen.

Hier und da bereits unter dem Schlagwort PoE++ geführt, soll Ethernet mit der Standardergänzung 802.3bt bis zu 100 Watt elektrischer Leistung über vorhandene Kabel übertragen. Bisher nutzt Power-over-Ethernet nur zwei der vier Aderpaare. Künftig sollen – wie Cisco es mit dem proprietären UPOE vormacht – alle Adern zur Leistungsübertragung genommen werden.

Mit solch hohen Leistungen könnte der komplette Arbeitsplatz (Telefon, PC, Monitor) aus dem Ethernet-Kabel versorgt werden. Neben USB mit der Option High Power Delivery schwingt sich der RJ45-Stecker somit zum global normierten Steckverbinder für elektrische Energieversorgung auf.

Die Task Group 11mc kommt mit der Überarbeitung des WLAN-Basisstandards 802.11 voran: Die aktuelle Revision hat eine bedingte Zustimmung bekommen (Conditional Approval) und ist damit auf gutem Weg zum Sponsor Ballot. Die kommende Standardversion 802.11-2016 wird wohl rund 3500 Seiten umfassen, die vorige Fassung 802.11-2012 kam noch mit 2793 Seiten aus.

Ab 2016 entfallen alle Bezüge auf WDS: In einem Wireless Distribution System leiteten WLAN-Basen ohne Umweg über ein LAN direkt untereinander Daten über den Funkkanal weiter, was viele Hersteller für eine einfache Implementierung von WLAN-Repeatern nutzten. Leider war WDS nicht genau genug spezifiziert, sodass die Hersteller sichere Verschlüsselung (WPA2) nach Gutdünken implementieren mussten. Das führte zu nicht herstellerübergreifend funktionierenden oder unsicheren Verbindungen. (ea)