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IFA 2022: Neustart in eine ungewisse Zukunft​

Eine Woche vor dem "Technik-Event des Jahres" sind die dunklen Wolken über der Messe noch nicht wieder verzogen. Auch die Konjunktur trübt die Aussichten.

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LG-Stand auf der IFA 2019.

(Bild: dpa, Britta Pedersen)

Lesezeit: 5 Min.

"Die IFA ist das Technik-Event des Jahres", sagt Messechef David Ruetz am Donnerstag in Berlin. Eine Woche vor Beginn der IFA versucht die Messeleitung, Zuversicht zu verbreiten. Dabei zeigen sich in der schönen Oberfläche der deutschen Leitmesse deutliche Risse, von denen einer quer durch das Verhältnis der Veranstalter Gfu und Messe Berlin geht. Die IFA ringt um ihre Zukunft, von der einige Beobachter glauben, dass sie nicht mehr in der Hauptstadt liegt.

Nach der pandemiebedingten Pause will die IFA nun durchstarten. "Wir wollen Händlern, Einkäufern und Industrievertretern zurückgeben, was sie nach der Pandemie brauchen – einen gemeinsamen Ort, um die globale Tech-Branche auf die Zukunft auszurichten", sagt Ruetz, der nach der überraschenden Entlassung von Jens Heithecker die Leitung der IFA kurzfristig zusammen mit Kai Mangelberger übernommen hatte. Sie wollen die Messe zurück zu alter Stärke führen. Das Motto: "Ready. Steady. Show."

Zwar ist das Messegelände unterm Funkturm gut gebucht, doch fallen große Lücken bei den Ausstellern ins Auge. Wichtige Elektronikhersteller bleiben der IFA ganz fern oder sind nur mit einem deutlich kleineren Aufgebot vor Ort: Philips/TPVision, Panasonic, Sony. Auch die Telekom, die auf der IFA traditionell die halbe Halle 21 bespielte, orientiert sich um und wählt das "Digital X"-Festival in Köln für ihren Markenauftritt.

Die 2016 erfolgreich eingeführten "Global Markets" für Zulieferer und Hersteller ziehen von der externen Station Berlin auf das Messegelände in Halle 9 um. Vor der Pandemie war der Marktplatz ausgelagert worden, weil er unter dem Funkturm keinen Platz fand. Der Sommergarten, früher für zahlreiche Konzerte abgesperrt, wird wieder für das Publikum und ein "IFA-Oktoberfest" geöffnet.

Nicht zuletzt belastet die konjunkturelle Lage die Stimmung. "Wir haben ein Ende der Sonderkonjunktur der vergangenen zwei Jahre feststellen müssen", sagt Gfu-Chefin Sara Warnecke. Auch der Branchenverband Bitkom hat das beobachtet. Krieg, Inflation und eine drohende Rezession drücken das Konsumklima. "Die Menschen sind verunsichert, die Kauflaune hat sich deutlich eingetrübt", sagt Warnecke.

Störungen in den Lieferketten, Preissteigerungen bei Komponenten, Rohstoffen und Energie führen zu höheren Preisen der Endprodukte. "Dazu kommt, dass der Euro gegenüber dem Dollar deutlich abgewertet und damit die Herstellungskosten hierzulande deutlich hochgetrieben hat", sagt Warnecke. Haushalte mit geringeren Einkommen dürfte das zunehmend überfordern. "Der Markt wird daher wohl eher vom Premiumsegment getragen."

Positive Impulse versprechen sich Gfu und IFA vom Thema Energieeffizienz. Das könne ein Motiv sein, "alte Energiefresser auszutauschen", meint Warnecke. "Auch das Thema Smart Home gerät in diesem Zusammenhang verstärkt in den Fokus." Dann steht die Fußball-WM ins Haus, die traditionell die Nachfrage nach neuen Fernsehern antreibt – und in diesem Jahr mit dem klassisch starken Weihnachtsgeschäft zusammenfällt.

Über allem schwebt die Unsicherheit, wer die IFA in Zukunft ausrichten wird – und wo. Inhaber der Marke "IFA" ist der Branchenverband Gfu, der von einigen großen Herstellern getragen wird. Bisher traten Gfu und Messe Berlin gemeinsam als Veranstalter auf, diese Abmachung endet aber im nächsten Jahr. Zwar sprechen Gfu und Messegesellschaft über eine Verlängerung ihrer Zusammenarbeit, dass sich einiges ändert, scheint aber unausweichlich.

Die Gfu möchte die IFA mit anderen Partnern neu aufstellen und hat dafür den englischen Event-Riesen Clarion und der Berliner Beteiligungsgesellschaft Aquila ins Boot geholt. In den neuen Plänen der Gfu kommt die Messe Berlin nur noch als Vermieter des Geländes vor. Sogar der Wegzug aus Berlin steht im Raum. Dazu möchten es die Beteiligten – allen voran der Berliner Senat – aber nicht kommen lassen, sagen sie. "Ich rechne schon damit, dass die Funkausstellung langfristig in der Stadt bleibt", sagt der Berliner Wirtschaftssenator Stephan Schwarz.

Im Tauziehen um die IFA spielten der ehemalige CEO Christian Göke und Ex-IFA-Chef Jens Heithecker eine unrühmliche Rolle. Göke, der im Dunstkreis der Aquila die Strippen zog, hat sich selbst aus der Schusslinie genommen. Heithecker wird Vertrauensbruch vorgeworfen, er soll Göke mit Informationen versorgt haben und wurde kurzfristig von seinen Aufgaben entbunden. Die Leitung der IFA übernahmen Ruetz und Mangelberger.

Fragen nach der Zukunft der Messe beantworten Ruetz und Warnecke nicht. "Messe Berlin und Gfu haben einen Vertrag, in dem steht, dass die Messe Berlin die IFA bis einschließlich 2023 durchführt. Darüber hinaus stehen wir in Verhandlungen, die ich hier nicht kommentieren möchte", sagt Ruetz. "Sobald wir aus den Verhandlungen etwas Spruchreifes haben, werden wir das kommunizieren."

Die IFA 2022 beginnt am Freitag, 2. September. Einlass ist an allen Tagen bis zum 6. September um 10 Uhr. Die IFA ist für alle Besucherinnen und Besucher täglich bis 18 Uhr geöffnet. Eintrittskarten gibt es nur online, am Gelände selbst findet kein Kartenverkauf statt.

(vbr)