Internationale Telekommunikations-Regeln: ITU vertagt Telecom-Vertrag erneut

Auf der Vollversammlung der ITU wird viel gestritten. Ein paar Resolutionen gab es dennoch, auch wenn das Streitthema Internet-Regulierung ungelöst blieb.

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(Bild: alphaspirit/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Auf der Vollversammlung der International Telecommunication Union (ITU) in Bukarest wurden Vorschläge abgelehnt, mehr Kompetenz in Regulierungsfragen für Internet und Internetsicherheit abzugeben. Am Donnerstag einigten sich die Delegierten vorerst, auf eine Neuauflage der World Conference on International Telecommunication (WCIT) zu verzichten und das nächste World Telecom Policy Forum (WTPF) erst 2026 stattfinden zu lassen. Die Mitglieder bleiben weiterhin gespalten, welche Rolle die ITU in Fragen der Netzpolitik spielen soll.

Die Auseinandersetzung, um die Rolle der ITU in Fragen von Internetregulierung und Internetsicherheit, stand in Bukarest erneut auf dem Programm. Drei Streitfragen blieben bis kurz vor der letzten Plenarsitzung ohne Einigung, eine davon war, wann eine neue WCIT stattfinden soll, um ein Ende des Schismas zu den International Telecommunication Regulations (ITR) herbeizuführen, denn aktuell folgen einige Länder der ITR-Version von 2012, andere der alten von 1988.

2012 hatte nur ein Teil der Mitglieder die Neuausgabe der International Telecommunication Regulations (ITR), einen Völkerrechtsvertrag, in dem Fragen der Zusammenschaltung globaler Netze geregelt werden, auf der WCIT unterzeichnet. Kleine Schritte der WCIT, das Vertragswerk in Richtung Regeln fürs Internet auszudehnen – etwa hinsichtlich Spam – sorgten damals dafür, dass westliche Länder, einschließlich Deutschland, der Neufassung der ITR nicht zustimmten.

Eine Neuauflage dieser Auseinandersetzung, ob das Internet nicht Bestandteil internationaler Telekommunikation ist, wollten die westlichen Länder nun vermeiden. Der finale Kompromiss, den die rumänischen Gastgeber mit den Koordinatoren der Regionen ausgehandelt haben, besteht darin, dass eine eingerichtete Expertengruppe weiter beraten soll. Das Thema ist erneut bis zur nächsten Vollversammlung 2026 vertagt.

Die Einrichtung des World Telecommunication Policy Forum (WTPF) als dauerhafte Institution wird es erst einmal nicht geben. Das WTPF, das bislang praktisch auf Beschluss der Mitgliedsstaaten alle paar Jahre tagt, verabschiedet zwar keine verbindlichen Regeln, gibt aber etwa Empfehlungen zu IPv6, Internetknoten oder der Rolle von Telekommunikation in der Pandemie. Das Forum soll 2026 wieder stattfinden.

Fast bis zuletzt umkämpft war eine mögliche Fortschreibung der Global Cybersecurity Agenda (GCA) der ITU. Brasilien hatte sich am Mittwoch mit einer leidenschaftlichen Erklärung an die Versammlung gewandt und die Mitglieder aufgefordert, in dieser Frage auch die Bedürfnisse der ärmeren Länder zu berücksichtigen. Anders als die Industrienationen könnten sie von einer einheitlichen Strategie, die bei der ITU entwickelt werden könnte, profitieren. Man befürchte, den Kampf gegen Cyberkriminelle zu verlieren, sagte Abraão Balbino e Silva vom brasilianischen Telekomregulierer Anatel. Natürlich habe man technische Mittel zur Abwehr, aber es fehle an einer Gesamtstrategie. "Vielleicht brauchen wir erst einen großen, weltweiten Vorfall, damit wir einen Deal bekommen."

Die einschlägige Resolution 130 der ITU zum Thema Cybersecurity habe durchaus neue Elemente, versicherte Jim Paterson von der südafrikanischen Delegation. Neu eingefügt wurde etwa die Schaffung einer Best-Practice Sammlung für den Kampf gegen Spam, der allen Mitgliedern zugänglich gemacht werden soll. Paterson handelte am Ende eine kleine Empfehlung aus, laut der der ITU-Rat über Vorschläge einer möglichen Fortschreibung des Dokuments aus 2007 beraten soll.

Ein halbes Dutzend neuer, für die Öffentlichkeit vorerst nicht einsehbarer, Resolutionen haben die Delegierten verabschiedet, von einem Text zu Künstlicher Intelligenz (KI) bis zu einem über die Pandemie. Der Schwerpunkt liegt jeweils auf die Rolle der Telekommunikation und deren Beitrag, auf Studien sowie den Informationsaustausch.

Änderungen in den Internetresolutionen der ITU, die sich mit IP-Netzen (Resolution 101) beziehungsweise der Rolle der ITU in Fragen der Politik von IP-Adressen und Domains beschäftigen, werden mit Argusaugen verfolgt. Ein kleiner neuer Zusatz etwa unterstreicht, dass souveräne Interessen von Ländern in Bezug auf ihre Country Code Top-Level Domains (ccTLD) respektiert und via "flexibler und verbesserter Mechanismen" adressiert werden sollen. Welche praktischen Konsequenzen verschiedene Mitgliedsländer daraus ziehen, ist schwer absehbar.

Zwei Resolutionen, die die ITU stärker für nicht-staatliche Akteure öffnen sollten, sind dagegen gescheitert. Zehn Stunden lang diskutierte eine Adhoc-Gruppe über einen auch von Deutschland unterstützten Vorschlag, mehr zu tun, um Unternehmen in die Arbeit der ITU zu involvieren. Hier konnte kein Kompromiss erzielt werden.

Genauso erging es einem Vorstoß, zumindest die Arbeitsgruppe des ITU-Rates zu Internetfragen zu öffnen. Deutschland und die Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications (CEPT) hatten anders als die USA eine Öffnung auch für die Zivilgesellschaft favorisiert. Sie hatten vorgeschlagen, jeweils einen Teil der Sitzung im offenen Format abzuhalten. Doch dabei war mit der russischen Delegation und den arabischen Delegierten nichts zu machen.

Die neue Generalsekretärin, die US-Amerikanerin Doreen Bogdan-Martin, hat hier einen etwas offeneren Blick. Auf Nachfrage von heise online, was sie zum Streit um die Zusammenarbeit mit anderen, nicht-staatlichen Internetorganisationen sage, erklärte sie: "Ich glaube fest daran, dass Multi-Stakeholder, Kooperation und Kollaboration der Grundstein eines inklusiven und die Nutzer ermächtigenden globalen digitalen Raums sind. Es gibt eine riesige Gemeinschaft von Stakeholdern, die lebensnotwendige Beiträge bei der Schaffung des digitalen Ökosystems machen.“ Die ITU sei wichtiger Stakeholder in diesem Ökosystem und eine aktive Stimme in dieser Community.

(olb)