Innenministerium: Ex-BSI-Chef Schönbohm auch zu eigenem Schutz abberufen

Die Entscheidung, Schönbohm abzuberufen, erfolgte "auch aus Fürsorge" für seine Person. Die Nachfolgerin kann jederzeit entlassen werden.

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Schönbohm

Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm.

(Bild: dpa, Federico Gambarini/dpa)

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Die Posse um die plötzliche Absetzung von Arne Schönbohm von der Führungsposition beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach einem Bericht des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann geht weiter. Die Bundesregierung argumentiert mittlerweile damit, der strafversetzte CDU-Mann sei auch zu seinem eigenen Schutz abgezogen worden. Die Entscheidung vom 18. Oktober, dem damaligen Präsidenten nach Paragraf 66 des Bundesbeamtengesetzes die Führung der Dienstgeschäfte zu untersagen, erfolgte ihr zufolge "nicht zuletzt auch aus Fürsorge für die im Fokus der Debatte stehende Person des Herrn Schönbohm selbst".

Dies erklärt das federführende Bundesinnenministerium (BMI) in einer jetzt veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Konservativen verwiesen in ihrem Ersuchen darauf, dass Böhmermanns Sendung ZDF Magazin Royale am 7. Oktober 2022 über "Verflechtungen Arne Schönbohms mit dem Cyber-Sicherheitsrat Deutschland" sowie der Firma Protelion berichtet habe. Dieser sei "eine Nähe zu russischen Geheimdienstkreisen nachgesagt" worden. Nach sechsmonatigen behördeninternen Voruntersuchungen sei das BMI zu dem Schluss gekommen, dass die gegen Schönbohm erhobenen Vorwürfe haltlos gewesen seien.

Wissen wollten die Abgeordneten nun vor allem, welche konkreten Vorwürfe dem Vorgehen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gegen den einstigen BSI-Spitzenmann zugrunde lagen. Die Regierung erläutert dazu, dass es im Nachgang zu der ZDF-Sendung diverse Kontakte zwischen dem damaligen BSI-Präsidenten und dem BMI gegeben habe. Dabei sei auch Gegenstand gewesen, "wie mit den zahlreichen öffentlich erhobenen und in der Presse kursierenden Vorwürfen umzugehen sei". Die Entscheidung sei dann im Interesse Schönbohms sowie insbesondere auch der über 1500 BSI-Mitarbeiter ergangen.

Die Exekutive hebt hervor, das BMI habe jederzeit darauf hingewiesen, dass bis zum Abschluss der Prüfung der Vorwürfe in der Causa Schönbohm "selbstverständlich die Unschuldsvermutung" gelte. Die Medienberichte und die daraus getroffenen Maßnahmen hätten sich allein "auf die Amtsführung des damaligen Präsidenten des BSI bezogen". Die Reputation des BSI als solchem sei "zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen worden". Zu der umstrittenen Rede Schönbohms zum Jubiläum des Cyber-Sicherheitsrats klärt das BMI auf, dass der Vortrag an sich zwar genehmigt worden sei, nicht jedoch der konkrete Entwurf dazu.

Am heutigen Samstag tritt nach einer langen Übergangszeit die neue BSI-Präsidentin Claudia Plattner ihren Dienst an, die zuletzt Generaldirektorin für Informationssysteme der Europäischen Zentralbank (EZB) war. Faeser freute sich am Freitag, dass damit nun "eine erfahrene und international bestens vernetzte IT-Sicherheitsexpertin" und erstmals eine Frau an der Spitze des BSI stehe. Die Bedrohungslage im Bereich der Cybersicherheit sei unvermindert hoch. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen markierten "eine Zeitenwende für die innere Sicherheit". Gemeinsam wolle man daher "die digitalen Bürgerrechte und die IT-Sicherheit weiter stärken". Als Hüterin der Grundrechte im Internet hat sich Faeser bislang aber keinen Namen gemacht.

Claudia Plattner wird neue Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Plattner war zuletzt Generaldirektorin für Informationssysteme bei der Europäischen Zentralbank (EZB).

(Bild: Sanziana Perju/ECB/EZB/European Central Bank /dpa)

"Wir sind angewiesen auf funktionierende kritische Infrastrukturen wie im Bereich der Energie- oder Gesundheitsversorgung und dem Finanzsystem oder aber auch der öffentlichen Verwaltung", erklärte Plattner selbst. "Die Aufgabe, die IT-Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern – die Digitalisierung mit Sicherheit voranzubringen – ist komplex und dringlich." Mit großem Respekt übernehme sie daher ihre neue Aufgabe. Die offizielle Amtseinführung soll im Rahmen eines Festakts am 17. Juli am Behördensitz in Bonn erfolgen.

Die Feierlichkeiten werden überschattet durch eine kleine, aber folgenreiche Änderung des Beamtengesetzes, die der Bundestag am 15. Juni zunächst ohne größeres Aufsehen beschloss. Damit kann die BSI-Chefin künftig als politische Beamtin jederzeit in den Ruhestand versetzt werden. Ihre Arbeit steht damit unter dem Damoklesschwert, entlassen zu werden, wenn sie Faeser etwa in IT-Sicherheitsfragen widerspricht. Laut einem Bericht der "Wirtschaftswoche" wird Plattner zudem zunächst nur als Angestellte beschäftigt, damit sie auch vor Inkrafttreten der Änderung prinzipiell einfach geschasst werden kann. Eigentlich hat sich die Ampel-Koalition vorgenommen, das BSI unabhängiger zu machen.

"Statt aus Fehlern der Schönbohm-Affäre zu lernen und den Koalitionsvertrag umzusetzen, steuert Bundesministerin Faeser in die entgegengesetzte Richtung", kritisiert Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender des SPD-nahen digitalpolitischen Vereins D64. Polizei und Geheimdienste hätten "oft ein Interesse an IT-Sicherheitslücken, zum Beispiel um Staatstrojaner einzusetzen." Damit Unternehmen und Bürger dem BSI vertrauen könnten, müsse "unbedingt der Eindruck vermieden werden, dass diese Lücken auf Bitten der Sicherheitsbehörden offengehalten werden".

(hag)