Interactive Cologne: Die digitalisierte Domorgel

Während eines experimentellen Konzerts im Kölner Dom spielten die Handys der Besucher eine Hauptrolle.

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Von
  • Torsten Kleinz

Als kulturellen Höhepunkt des Kölner Festivals Interactive Cologne haben Tüftler und Musiker die Kölner Domorgel übernommen. Die Lichtshow zur Musik lieferten die Smartphones der Besucher.

Dass eine Kirchenorgel eine MIDI-Schnittstelle hat, ist laut Professor Winfried Bönig völlig normal. "Meist wird die Schnittstelle zum Speichern benutzt", erklärt der Kölner Domorganist gegenüber heise online. Musiker können so ihre Stücke später nochmal hören und ihre Spielweise verbessern. In der Nacht auf Freitag jedoch wurde die Schnittstelle, der ursprünglich 1949 angeschafften und 2001 modernisierten Orgel zum ersten Mal voll ausgenutzt.

Digitale Musik im Kölner Dom (4 Bilder)

Domorganist Winfried Bönig bereitet sich auf das Stück vor. (Bild: Torsten Kleinz/heise online)

Mehrere Tage hatten Helfer gearbeitet, um den Dom auf das Experiment vorzubereiten: Sie stellten sechs Access Points auf, installierten Kameras im Domgewölbe und installierten ihre Laptops an der Domorgel. Der Clou des Konzerts: Statt die Besucher zu bitten, ihre Smartphones abzuschalten, integrierte der Komponist die Geräte in seine Musik. Jeder Besucher sollte sich in dem Dom-eigenen Funknetz einloggen, mit dem Browser eine lokale Webseite aufrufen und das Gerät mit angeschaltetem Bildschirm vor sich legen.

Die Eröffnung übernahm Bönig mit dem Stück "Lux et color", das er dem 2007 eingeweihten so genannten Richter-Fensters geschaffen hatte. So wie der Künstler Gerhard Richter bei der Konstruktion des Fensters mit 11.263 Quadraten in 72 Farben einen Zufallsgenerator eingesetzt hatte, ließ sich Bönig ebenfalls per Zufallsgenerator eine Tonfolge von 11.263 Tönen erzeugen, die er in knapp 10 Minuten abspielte. Dabei griff der Organist nicht mehr selbst in die Tasten, sondern spielte das Stück vom USB-Stick ab. Während des Stücks änderte Bönig über die Register der Orgel die Klangfarben und Lautstärke der Musik.

Während des anschließenden Improvisationsstücks bediente der Komponist Gerhard Schwellenbach die Orgel komplett per Laptop mit Hilfe der vom Düsseldorfer Musikers Damian Dziwis geschriebenen Software "Algorythm". Um die Zuschauer einzubinden, übermittelte eine von der Agentur Denkwerk eigens für das Konzert geschriebene Software die IP-Adressen der knapp 300 Zuhörer, die Schwellenbach dann in Musik umsetzte. Gleichzeitig nutzte er die Handybildschirme zur Illumination: Von der Ballustrade aus steuerten Techniker per HTML5-Anwendung jedes Handy individuell an, um den Raum mit Farbeffekten zu erleuchten. Kam die IP-Nummer eines bestimmten Handys an die Reihe, blinkte dessen Bildschirm zusätzlich auf.

Um das Konzert in der gotischen Kathedrale über die Bühne zu bringen, mussten die Beteiligten improvisieren. Die Software war erst eine Woche vor dem Konzert fertig, so dass Schwellenbach sich erst dann auf die Performance konkret vorbereiten konnte. Während der Generalproben zeigten sich die Tücken der eingesetzten Technik: Eine zur Dokumentation eingesetzte GoPro-Kamera baute ihr eigenes WLAN-Netz auf und störte so die IP-Adress-Sammlung. Auch während des Konzerts selbst mussten die Musiker Nerven zeigen: Die Orgel blieb beim ersten Versuch stumm. Erst nach einem kompletten Neustart des Systems konnte das Konzert dann endlich beginnen. (anw)