Internet Governance Forum: Neues Gremium, mehr Häuptlinge, nicht mehr Geld

2006 mit großen Ambitionen gestartet, ringt das Forum weiter um seine Rolle bei der Entwicklung internationaler Regeln und Best Practices für digitale Politik.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Ein neues hochrangiges Gremium soll dem Internet Governance Forum der UN mehr Geltung in der internationalen Politik verschaffen. Wer die neuen Häuptlinge sein sollen, ist aber auch nach einem dreitägigen Treffen einer Expertengruppe im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York unklar.

UN Generalsekretär António Guterres hat Digitalpolitik zu einem Kernthema seiner Agenda gemacht. 2020 legte Guterres einen "Fahrplan zur Kooperation in der digitalen Welt" vor. Er wird nicht müde, das Problem fehlender Konnektivität für die Entwicklung in vielen Ländern zu thematisieren. Er regte 2020 die Digital Public Goods Alliance an, um Open-Source-Software, auch im KI-Bereich, zu fördern und verlangt unermüdlich ein Verbot autonomer Waffensysteme.

Trotz dieses Schwerpunkts auf Multi-Stakeholder Digitalpolitik tut sich die UN weiter schwer damit, das Internet Governance Forum (IGF) in seine Arbeit zu integrieren, wie das Treffen der Expertengruppe (EGM) in New York illustriert.

Aufgabe der EGM war es vor allem, Guterres Vorschlag von eines neuen "IGF Leadership Panel" zu diskutieren. Das Panel soll nach Vorstellungen des Generalsekretärs Arbeitsergebnisse und politische Empfehlungen des IGF in die relevanten Entscheidungsgremien tragen. In der Vergangenheit hatten etwa erfolgreiche IGF-Produkte wie die von Freiwilligen mittlerweile in zehn Sprachen übersetzte "Charta der Menschenrechte und Prinzipien für das Internet" nur wenig Beachtung gefunden.

Wenn das neue Gremium wie ein "Postamt" funktioniere und die Botschaften des großen IGF – mit neuer Autorität – zu Entscheidern in Politik bringe und umgekehrt die Aussagen und Reaktionen von Diplomaten und Regierungen zurück in die IGF Community, könnte sich das durchaus positiv auswirken, schreibt Wolfgang Kleinwächter, emeritierter Völkerrechtler und Experte für das Thema Internet Governance. Kleinwächter hat an den Beratungen des EGM in New York teilgenommen.

Zusammen mit dem von Guterres vor drei Jahren berufenen UN Tech Envoy und einem von der Bundesregierung beim IGF 2019 in Berlin aus der Taufe gehobenen IGF Parlamentarier-Track soll das neue High Level Panel "die Brücke schlagen zwischen der Diskussions- und Entscheidungsebene", beschreibt Kleinwächter. Die erste Bewährungsprobe könnte Guterres "Global Digital Compact" Projekt sein, sagt Kleinwächter. Der Global Digital Compact stellt die digitalpolitische Agenda für den UN-Zukunftsgipfel 2023 dar.

Viele Beobachter sind skeptisch, ob ein weiteres, von oben verordnetes Gremium die Versäumnisse bei der Integration des IGF in die Arbeit der UN beheben kann. Wie beim 2018 von Guterres eingesetzten "High-Level Panel on Digital Cooperation" ist auch beim neuen Gremium noch nicht klar, nach welchen Kriterien es besetzt wird und welche Rechte und Verpflichtungen es gegenüber dem IGF hat. Auch das Verhältnis zum bestehenden Membership Advisory Group (MAG) ist offen.

Die beiden anderen neu eingeführten Mechanismen, Parlamentarier-Track und UN Envoy, haben jedenfalls bislang das Ziel, die IGF-Arbeit sichtbarer zu machen, kaum erreicht.

Trotz vieler guter Ideen beim Treffen der 36 Experten in New York bleibt außerdem, nach Kleinwächters Urteil, ein Problem der IGF erhalten. "Nach wie vor bekommt das Forum zu wenig Geld, um zu leben, aber zu viel, um zu sterben", sagt er. Das IGF, dessen kleines Sekretariat in Genf angesiedelt ist, wird komplett aus Zuwendungen von einigen Mitgliedsstaaten, Internet-Organisationen wie den Adress- und Namensverwaltern sowie einer Handvoll Firmen finanziert. Hier Abhilfe zu schaffen, wäre natürlich eine Aufgabe für die neuen Chefinnen und Chefs.

(kbe)