Internet-Verwaltung von Mitgliederansturm überrollt

Bis zum vergangenen Donnerstag haben sich 15.334 japanische Surfer für die ICANN registriert, die US-Wähler stellen mit 10.077 die zweitgrösste Gruppe. Deutschland rangiert mit 7.596 Mitgliedern auf Platz drei.

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Von
  • Monika Ermert

Hilfe, die Japaner und die Deutschen kommen – ICANN-Finanzchef Andrew McLaughlin, Betreuer der so genannten At-larg-Mitglieder, also der normalen Internetnutzer innerhalb der Internet Corporation for Assignend Names and Numbers, konnte es selbst kaum glauben: "Japan hat jetzt sogar mehr At-large-Mitglieder als die USA, das hat uns auch ein bisschen überrascht." Bis zum vergangenen Donnerstag haben sich 15.334 japanische Surfer über die ICANN-Mitgliederseite registriert, die US-Wähler stellen mit 10.077 die zweitgrösste Gruppe. Deutschland rangiert nach der "I can!"-Kampagne von Spiegel Online, c't, Telepolis und anderer Medien auf Platz drei. 7.596 deutsche Mitglieder wollen den europäischen ICANN-Direktor mitbestimmen.

In Japan hat sich offensichtlich neben einer Pressekampagne auch eine gezielte Mobilisierung der Internetnutzer durch die Regierung, beziehungsweise durch das Ministerium für Post und Telekommunikation ausgewirkt. Izumi Aizu von Asia Network Research meldete daher auch Bedenken gegenüber nationalistischen Tendenzen an: "Wenn ein Land einer Region so viel mehr Mitglieder registriert wie seine Nachbarländer, haben die kaum eine Chance bei der Wahl." Dadurch könnten ohnehin bestehende Diskriminierungen noch verstärkt werden, meint Aizu.

Diese Bedenken gibt es auch für die Regionen Europa oder Nordamerika. "Die Deutschen dominieren Europa und wir die Kanadier", kommentiert McLaughlin. Afrikanische Vertreter dagegen fürchten im Nachteil zu sein, wenn die Länder des Mittleren Ostens ihrer Region zugeschlagen werden. Man hoffe einfach, dass die Wähler nicht in erster Linie nach nationalen Gesichtspunkten und dafür gute Kandidaten wählten. Man dürfe, betont der spanische ICANN-Direktor Amadeu Abril i Abril, nicht vergessen, dass die Direktoren die Nutzerschaft weltweit vertreten sollten: "Ich vertrete weder die Service-Provider, noch Katalonien und nicht einmal meine Großmutter. Ich vertrete die Interessen des Internet insgesamt." Nur so lasse sich einer Art von nationalem Wettrennen entgegentreten.

Wer sich bis zum 31. Juli noch registrieren will, muss unter Umständen mit ersten technischen Schwierigkeiten rechnen. Das System stoße mit 1.500 Neuregistrierungen pro Tag bereits an seine Grenzen. Bis zum Ende dieses Monats, meint McLaughlin, würden es wohl rund 75.000 ICANN-Mitglieder werden. Allerdings wird man im ICANN-Büro angesichts des Ansturms schon leicht nervös. Das ICANN-Büro sei mit der Mitgliederbetreuung völlig ausgelastet; McLaughlin hofft deshalb, dass die Zahl der Bewerber für das ICANN-Direktorium auf 30 bis 40 eingeschränkt wird.

Allein das Nominierungskommittee der ICANN hat bereits 167 Vorschläge und Selbstbewerbungen für die At-large-Mitglieder des ICANN-Direktoriums auf dem Tisch, zwischen dem 1. und 31. August kann jedes Mitglied eigene Vorschläge machen. Heftig umstritten ist, wie viele Unterstützer diese zweite Gruppe von Bewerbern haben sollen. Unterstützung von mindestens 10 Prozent der Surfer der eigenen Region eines potenziellen Direktorium-Mitglieds – und dabei mindestens zwei verschiedener Länder – schien vielen Konferenzteilnehmern eine zu grosse Hürde.

Um eine Beschränkung der Kandidatenzahl wird man nicht umhinkommen, will man das von der ICANN veranschlagte Wahlbudget nicht schon vor der Wahl völlig ausgeben. "ICANN ist eben nicht Oklahoma City, hat keine Steuereinnahmen und kann deshalb nicht alle Bewerber zulassen", sagte ICANN-Direktor Vint Cerf. Die Markle Foundation erbot sich erneut, ICANNs Globalwahl finanziell zu unterstützen und rief auch andere Stiftungen und Institutionen auf, einen Beitrag zu leisten. An die Finanzierung künftiger Wahlen, bei gleich bleibendem Mitgliederstrom, mag die ICANN noch gar nicht denken. (Monika Ermert) / (jk)