Islamfeindliches Video: Darstellerin hat doch kein Copyright

Ein US-Berufungsgericht hat seine eigene Entscheidung korrigiert: YouTube darf den Clip "Innocence of Muslims" doch streamen. Eine Darstellerin hatte wegen Copyright-Verstoßes geklagt.

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Männermasse

Auch in Kuala Lumpur demonstrierten muslimische Männer 2012 gegen "Innocence of Muslims".

(Bild: Firdaus Latif CC-BY.-SA 2.0)

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Eine Darstellerin, die fünf Sekunden im Spot "Innocence of Muslims" zu sehen ist, kann YouTube doch nicht dazu zwingen, das Video zu löschen. Dies hat das Bundesberufungsgericht für den Neunten US-Gerichtsbezirk entschieden (Garcia v Google, Az. 12-57302). In einem außergewöhnlichen Schritt hat das auf elf Richter erweiterte Gericht damit seine eigene, anders lautende Entscheidung aus dem Februar 2014 korrigiert. Damals hatten zwei von insgesamt drei Richtern einen Copyright-Anspruch der Klägerin angenommen und festgestellt, dass ihr nicht wiedergutzumachender Schaden drohe, würde YouTube das Video weiter streamen.

Zur Stunde ist das Video noch gesperrt.

Die neue Entscheidung ist eine große Erleichterung für Filmschaffende in den USA. Einzelnen Schauspielern Copyright an ihrer Mitwirkung in einem Film zu gewähren, hätte in einen undurchdringlichen Lizenzdschungel geführt. Zwar ist aktuell nur die Einstweilige Verfügung gegen Google betroffen, doch ist auch ein Erfolg der Klägerin im Hauptverfahren unwahrscheinlich geworden.

Der islamfeindliche Trailer mit dem Titel "Innocence of Muslims" löste im Herbst 2012 vor allem in muslimisch dominierten Ländern Proteste und teils blutige Ausschreitungen aus. Die Klägerin, Cindy Lee Garcia, wusste nicht, wofür ihre Darstellung genutzt werden würde. Auch wurden ihr andere Worte in den Mund gelegt. Als sie und ihre Familie Todesdrohungen wegen des Films erhielten, klagte sie Google und den Filmemacher.

Dabei behauptet Garcia unter anderem Copyright-Ansprüche an ihrer Darstellung. Weil sie YouTube (beziehungsweise dessen Eigentümer Google) keine Lizenz erteilt habe, dürften diese das Video nicht verbreiten. Sie beantragte eine Einstweilige Verfügung: YouTube solle alle Uploads des Videos fortwährend löschen. Das Bezirksgericht lehnte ab.

Überraschender Weise entschied das Berufungsgericht anders und erließ zunächst eine geheime Anordnung, wonach YouTube alle Versionen des Spots zu löschen habe. Das wurde später auf jene Videos eingeschränkt, in denen die Dame zu sehen ist. In der nachgereichten Begründung befand der Vorsitzende Richter Alex Kozinski, dass Garcias eigener Beitrag prinzipiell schutzwürdig sei. Die Klägerin werde sich wohl durchsetzen, auch wenn die Angelegenheit "ziemlich streitig" sei. Also habe sie Anspruch auf die Einstweilige Verfügung.

Google beantragte eine neuerliche Anhörung vor dem erweiterten Berufungsgericht. In einem seltenen Schritt wurde das gewährt. Statt ursprünglich drei befassten sich nun elf Richter mit dem Fall. Zehn von ihnen stimmten für die Aufhebung der Einstweiligen Verfügung, womit YouTube wieder das gesamte Video zeigen darf. Die Begründung übt zudem harsche Kritik an den Ausführungen Kozinskis, der trotzdem bei seiner Meinung blieb.

Verhandelt wurde der Fall in diesem Gerichtsgebäude in Pasadena, Kalifornien.

(Bild: Coolcaesar CC-BY-SA 3.0 )

Das Gericht anerkennt zwar Garcias "inniges Flehen" und ihre "legitime und ernste Beschwer" den "blasphemischen" Film betreffend. Doch sei Copyright das falsche Vehikel für ihre Forderung. Aus mehreren Gründen stehe ihr wahrscheinlich kein Copyright zu: Ein Film sei grundsätzlich ein Gesamtwerk, weshalb auch das US Copyright Office Garcias Antrag auf Registrierung ihrer Rechte abgewiesen habe.

Zudem kreide sie Worte an, die ihr per Synchronisation in den Mund gelegt wurden. Da sie diese Worte aber weder geschrieben noch gesprochen habe, könne sie daran auch keine Rechte genießen.

Schließlich wird noch eine merkwürdige Begründung ins Treffen geführt: Für US-Copyright ist Voraussetzung, dass ein Werk "vom Autor oder unter seiner Anleitung" in einem "körperlichen Medium fixiert" werde. Garcia behaupte aber gerade, dass sie dem Film so nie zugestimmt habe. Also könne der Film auch nicht von ihr oder unter ihrer Anleitung fixiert worden sein. Diese enge Auslegung des Gesetzes könnte die rechtliche Position vieler Künstler, insbesondere Musikschaffender, schmälern.

Für eine Einstweilige Verfügung, die Google zu aktivem Handeln verpflichtet, hätte Garcia zwei Dinge nachweisen müssen: Erstens, dass die Rechtslage wohl deutlich zu ihren Gunsten sei. Und zweitens, dass ihr ein nicht wiedergutzumachender Schade drohe. Ersteres hatten die Richter bereits verneint.

Weil der Fall so gravierend ist, widmeten sie sich trotzdem dem zweiten Punkt: Garcia argumentiere mit Copyright, also müsse auch der Schaden in Zusammenhang mit Copyright stehen. Sollte sie doch Rechte besitzen, könnte deren Verletzung entschädigt werden. Die Todesdrohungen seien keine Folge etwaigen Copyrights. Und die in Europa bekannten Urheberpersönlichkeitsrechte, die die persönliche Beziehung zwischen Urheber und Werk schützen, gibt es in den USA für Filme nicht.

Darüber hinaus bedeute die beantragte Einstweilige Verfügung eine Einschränkung der Freien Meinungsäußerung im Voraus. Das ist im US-Recht grundsätzlich verpönt. Dabei vertreten die Richter die Auffassung, dass Copyright ein "Motor des freien Ausdrucks" sei. Es könne daher kaum als Argument für die Einschränkung der Freien Meinungsäußerung dienen.

(ds)