Jahresbericht: Verfassungsschutz sieht Gefahr für Cybersicherheit

Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz hat seinen Jahresbericht vorgelegt. Probleme machen demnach staatliche Akteure ebenso wie Extremisten.

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BfV-Präsident Thomas Haldenwang übergibt den Verfassungsschutzbericht 2021 an Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

BfV-Präsident Thomas Haldenwang übergibt den Verfassungsschutzbericht 2021 an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

(Bild: BfV/Henning Schacht)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Falk Steiner

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sieht in seinem aktuellen Jahresbericht große Probleme im Bereich der Cybersicherheit. Insbesondere staatliche Akteure aus Russland und China bereiten dem BfV Sorge, das für die Spionageabwehr im Inland und Teile der Cybersicherheit zuständig ist. Zugleich sieht BfV-Präsident Thomas Haldenwang keinen Grund für überzogenen Pessimismus. Russland sei bereits vor Februar an allen Politikfeldern in Deutschland interessiert gewesen. Zur Bundestagswahl 2021 seien keine besonderen Angriffe aufgefallen. Doch mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine habe die Bedrohungslage „eine neue Dimension angenommen“, mahnt Haldenwang.

Für den BfV-Präsidenten besteht seitdem ein erhöhtes Risiko von Cybersabotage. Der Verfassungsschutz habe Ausforschungsaktivitäten wahrgenommen, die er als Vorbereitungshandlungen betrachte. Im Jahresbericht selbst ist die Rede von einer mutmaßlich hohen Dunkelziffer „unentdeckter, hochqualitativer Cyberangriffe“.

Dabei habe das Bundesamt insbesondere die Cybersicherheit bei Kritischen Infrastrukturen im Blick und stehe „mit allen Betreibern in Kontakt“, erklärte Haldenwang am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts. Die zuständigen Stellen, die im Nationalen Cyberabwehrzentrum koordiniert werden, seien gut vorbereitet und stünden mit internationalen Partnern im Austausch. Das BfV gehe davon aus, schwere und dauerhafte Schäden durch Cyberangriffe verhindern zu können. Die Detektionsfähigkeiten der Verfassungsschützer seien in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden.

Bei Cyberangriffen liegt der Fokus der Verfassungsschützer – wie auch in der Vergangenheit – weiterhin auf den Aktivitäten der Volksrepublik China sowie des Irans. Im Falle Chinas sei neben der wirtschaftlichen Spionagetätigkeit seit 2018 auch zunehmend politische Spionagetätigkeit zu beobachten.

Für den Verfassungsschutz ist das Internet zum einen als Raum unmittelbarer Bedrohung von Interesse, zum anderen aber auch als Kommunikationsraum für verfassungswidrige Bestrebungen. So berichtet das BfV unter anderem davon, dass gewaltbereite Islamisten nach wie vor über das Internet Nachwuchs zu rekrutieren versuchten. Auch die „einsame Wölfe“ genannten Einzeltäter, die in den vergangenen Jahren immer wieder mit Attentaten auffielen und sich dabei im Internet produzierten, beschäftigen das BfV. Dabei gehe es um eine „Amok-Täter-Fan-Szene, die Nachahmer sucht“, erklärte der Verfassungsschutzpräsident.

Ebenfalls von Interesse für das BfV ist die neu aufgenommene Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, unter der radikalisierte, aber nicht eindeutig einem politischen Spektrum zuzuordnende Coronaleugner, Great Reset-Verschwörungstheoretiker und andere Protestbewegte zusammengefasst werden. Hier heißt es im Verfassungsschutzbericht: „Etliche Telegram-Gruppen erscheinen als informelles Sammelbecken eines diversen Nutzerkreises mit zum Teil überlappenden Partikularinteressen, in denen Mitglieder ihre Empörung zum Ausdruck bringen.“ Zudem sei dort Zustimmung zu menschenverachtenden oder Gewalt fordernden Aufrufen immer wieder zu beobachten gewesen; auch antisemitische Narrative seien verbreitet. Hier sei durch das aus Verrohung entstehende Gefährdungspotenzial eine aufmerksame Beobachtung durch das BfV erforderlich.

Auch im linken Spektrum beobachtet das Amt mit Hauptsitz in Köln weiterhin intensiv die Akteure. Nachdem der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 die deutsche Indymedia-Unterseite „Linksunten“ als Verein verboten hatte, stuft das BfV nun offiziell die de.indymedia.org-Seite als „gesichert linksextrem“ ein. Die Indymedia-Plattform wird von Linken wie Linksextremen als Kommunikationsorgan für Proteste genutzt, teils finden sich dort auch Aufrufe und Bekennerschreiben zu Straftaten.

Welche Methoden und Mittel das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesservice Telekommunikation für die Beobachtung der jeweiligen Bereiche einsetzen darf, ist per Gesetz geregelt. Welche genauen Möglichkeiten aber im Einzelfall genutzt werden, wird aus Geheimschutzgründen nicht verraten - Verfassungsschutzpräsident Haldenwang jedenfalls wollte bei der Pressekonferenz in Berlin weder bestätigen noch dementieren, ob die als Bundestrojaner bekannt gewordene Quellentelekommunikationsüberwachung derzeit stattfinde.

Bei der Vorstellung des Berichts in Berlin war auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zugegen, Haldenwangs Dienstherrin. Sie kündigte für die Ampel-Koalition an: „Wir werden massiv in die Cybersicherheit investieren.“ Ihre überarbeitete Cybersicherheitsagenda solle noch vor der Sommerpause vorgestellt werden.

(vbr)