"Schon fünf Minuten nach der Aufnahme" soll KI-Satellit Erdbilder liefern

Ein Nanosatellit im All analysiert Daten mittels KI direkt an Bord. Die Mission von Open Cosmos und Ubotica soll den Weg zu einem "App-Store-Konzept" ebnen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen

HAMMER-Satellit von Open Cosmos

(Bild: Screenshot / X-Post von Open Cosmos)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Eike Kühl

Künstliche Intelligenz macht auch vor der Raumfahrt nicht halt. Vergangene Woche hat das britische Unternehmen Open Cosmos seinen HAMMER-Satelliten erfolgreich in die Erdumlaufbahn gebracht. Er enthält eine KI-Technologie, die mithilfe der Kameras und Sensoren erhobene Daten noch an Bord auswerten und interpretieren soll. Außerdem soll es erstmals möglich sein, einen Satelliten über eine Smartphone-App zu steuern.

Mit einer Größe von gerade einmal 10 mal 35 Zentimetern und einem Gewicht von etwa zwei Kilogramm, ist HAMMER ein sogenannter Nanosatellit. Sein Name steht für "Hyperspectral AI for Marine Monitoring and Emergency Response", und eines der Kernmodule ist dementsprechend eine Hyperspektralkamera, die elektromagnetische Signale von sehr vielen, eng beieinanderliegenden Wellenlängen aufnehmen kann. Dadurch lassen sich Veränderungen etwa von maritimen Lebensräumen oder der Landwirtschaft verfolgen.

Als Teil des Satellitenverbundes OpenConstellation soll HAMMER in den kommenden Jahren unter anderem die Veränderung von Küsten überwachen und im Fall von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Waldbränden möglichst in Echtzeit Daten liefern. Aber auch zahlende Kunden aus der industriellen Landwirtschaft sollen auf den Satelliten zugreifen können, um sowohl ihre Infrastruktur als auch Erträge aus dem All zu überwachen und zu analysieren.

Während Open Cosmos die "Hardware" des Satelliten stellt und für den Betrieb sorgt, kümmert sich das irische Luft- und Raumfahrtunternehmen Ubotica um die Anwendungen als Teil seiner CogniSAT-6 genannten Mission. "CogniSAT-6 wird eine der am besten vernetzten und intelligentesten KI-gestützten Missionen sein, die jemals ins All geschickt wurde", sagt Ubotica-Mitgründer Sean Mitchell. Zwar habe es ab dem Jahr 2000 schon diverse andere Missionen gegeben, die Formen von künstlicher Intelligenz an Bord hatten, sagten Ingenieure von Ubotica im Oktober auf einer Fachkonferenz. Bislang habe aber noch keine kommerzielle Mission den Einsatz von neuralen Netzen und "On-board-Entscheidungsalgorithmen" demonstriert.

CogniSAT-6 soll das ändern. Die Algorithmen sind in der Lage, die Bilddaten der Kamera sofort an Bord des Satelliten auszuwerten. Gewöhnlich werden Daten zunächst vom Satelliten an eine Bodenstation übertragen, dort ausgewertet und etwaige Rückmeldungen anschließend wieder ins All geschickt. Je nach Menge der Daten kann das einige Stunden dauern. Werden die Daten direkt im All analysiert, müssen nicht nur weniger Daten insgesamt übertragen werden, sie können zudem in quasi-Echtzeit analysiert werden. Wie Mitchell sagt, könne CogniSAT-6 brauchbare Erkenntnisse schon fünf Minuten nach der Aufnahme liefern.

Dadurch sei es möglich, sofort auf Veränderungen zu reagieren: Erkennt das System etwa einen Waldbrand oder einen Ölteppich, kann es selbstständig entscheiden, ob es das betroffene Gebiet weiterhin überwachen soll. Industrielle Landwirtschaftsbetriebe können in Echtzeit die Bewässerung ihrer Felder verfolgen und ihre Abläufe anhand der gewonnen Erkenntnisse entsprechend anpassen. Und da HAMMER direkt mit anderen Satelliten des OpenConstellation-Verbundes kommuniziert, können diese bei Bedarf dazu geschaltet werden und agieren gleichzeitig als Relaisstation für die Datenübertragung.

Eine Besonderheit ist nicht zuletzt auch die Möglichkeit, per App mit dem Satelliten kommunizieren zu können. "Mit unseren Apps können Benutzer Warnungen vom Satelliten empfangen und sich Informationen für relevante Anwendungen anzeigen lassen. Außerdem können sie dem Satelliten eine Nachricht oder einen Befehl zurückzusenden", sagt Mitchell.

Daran geknüpft sind auch die Pläne von Ubotica, künftig Satelliten-Anwendungen über ein "App-Store-Konzept" zu betreiben: Kunden könnten für einen vorgegebenen Zeitraum mobilen Zugriff auf Satelliten wie HAMMER erhalten und ihn für ihre Anwendungsfälle einsetzen. Die Kombination aus schnellem Zugriff und KI-gestützter Software könnte somit neue kommerzielle Anwendungen in der Raumfahrt den Weg ebnen.

(jle)