Klimaschutz: Verkehrsminister Wissing will weniger Verkehr auf Schiene verlagern

Ein Bericht des Verkehrsministeriums zweifelt am Konzept, Verkehr zum Klimaschutz auf die Schiene zu verlagern und schlägt vor, die Straße stärker zu fördern.

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing

Bundesverkehrsminister Volker Wissing

(Bild: Deutscher Bundestag)

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bezweifelt offenbar die Ansicht, dass eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene das Klima schützen könne. Das entnimmt das Handelsblatt einem ihm vorliegenden Bericht des Bundesverkehrsministeriums an den Verkehrsausschuss des Bundestags. Darin heißt es, dass Klima- und Verlagerungsziele zu trennen seien.

Update

Der Berichterstattung im Handelsblatt hat das Verkehrsministerium ausdrücklich widersprochen und legt Wert auf folgende wörtliche Feststellungen:

Die "Ziele wurden im Koalitionsvertrag klar festgeschrieben. Im letzten Koalitionsausschuss haben die Regierungsparteien ebenfalls vereinbart, deutlich mehr in die Schiene als in die Straße zu investieren. Dafür werden wir sowohl die Modernisierung des Schienennetzes, als auch die Kapazitätssteigerung für den Personen- und Güterverkehr beschleunigen. Die Digitalisierung nimmt bei dieser Arbeit eine Schlüsselrolle ein: das Bestandsnetz soll digitalisiert und neue Technologien eingeführt werden, ebenso werden Anreize für digitale Innovationen im Schienengüterverkehr verstärkt.

Um weiterhin ein starker Wirtschaftsstandort zu sein, muss der prognostizierte Zuwachs des Güter- und Personenverkehrs möglich gemacht werden. Dafür werden wir den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes schneller vorantreiben, indem wir deren Planung, Genehmigung und Umsetzung deutlich beschleunigen. Für Schienenprojekte des Bedarfsplans, die im Vordringlichen Bedarf oder als Fest Disponiert eingestuft sind, wird ein überragendes öffentliches Interesse festgelegt. Das wird auch positive Effekte für die Umsetzung des Deutschlandtaktes haben."

Das steht im Widerspruch zum Ziel im Koalitionsvertrag, nach dem bis 2030 schon doppelt so viele Menschen Bahn fahren sollen und die Transportleistung der Schiene auf ein Viertel des gesamten Güteraufkommens kräftig steigen soll. Ein Hauptziel ist dabei eine Verringerung klimawirksamer Emissionen.

Das Verkehrsministerium spricht in seinem Bericht hingegen von einem grundlegenden Strukturwandel durch die Elektrifizierung des Straßenverkehrs aus erneuerbaren Energiequellen, der dazu führe, dass die bisherige Sichtweise und damit die Grundlage für die Ziele des Koalitionsvertrags "für die Jahre nach 2045" nicht mehr relevant sei.

Da laut einer aktuellen Prognose des Verkehrsministeriums auch in den nächsten Jahrzehnten der Großteil des Verkehrs auf Fernstraßen stattfinden werde, müssten diese stärker gefördert werden. Die Analyse des Ministeriums sieht voraus, dass der Verkehr bis 2051 besonders auf der Straße kräftig zunehmen wird.

Grund sei ein "Güterstrukturwandel", bei dem absehbar immer mehr Pakete, Lebensmittel oder Papier, dank der Energiewende aber deutlich weniger Kohle, Koks oder Mineralölprodukte befördert würden. Dadurch müssten "viel mehr Güterzüge mit leichteren Stückgütern fahren, um den Wegfall der schweren Massengüter überhaupt nur auszugleichen", schließt daraus das Ministerium. Die Binnenschifffahrt hingegen soll durch immer häufigere Niedrigwasserphasen durch den Klimawandel Marktanteile einbüßen.

Im zitierten Ministeriumsbericht wird daraus der Schluss gezogen, "die definierten Ziele basieren auf dem früheren Verständnis, dass Fortschritte hinsichtlich der Klimawirkung des Verkehrs vorrangig durch eine Verlagerung von der Straße auf die Verkehrsträger Eisenbahn und Binnenschiff erreicht werden können".

SPD-Fraktionsvize Detlef Müller reagiert auf Wissings Pläne, die Straße stärker zu fördern, mit der Entgegnung, dass es keine Abkehr von dem Ziel, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern gebe. Das Ziel bleibe richtig, allein weil schon heute 100.000 Lkw-Fahrer fehlten und es damit "effizienter und ressourcenschonend sei, viele Güter mit langen Zügen zu transportieren." Er erinnerte zudem daran, dass es die vom Ministerium als Argument angeführte Elektromobilität noch längst nicht in den Straßengüterverkehr geschafft habe. Wissing hatte in den vergangenen Wochen die Alternative "E-Fuels" vehement verteidigt, für die er eine Ausnahme in einem EU-Gesetz forderte.

Das Verkehrsministerium hält seine eigenen Annahmen für die Bahn angesichts ihres schlechten Zustands für ambitioniert. Um das erwartete Wachstum des Schienengüterverkehrs um ein Drittel bis 2051 zu ermöglichen, werde der Bund Gleisanschlüsse reaktivieren und mehr Kapazitäten durch eine bessere Steuerung der Güter schaffen. Es solle auch beim geplanten Halbstundentakt für Personenzüge auf den Hauptstrecken bleiben. Beides werde unterstützt durch weitere 45 Milliarden Euro, welche der Bahn bis 2027 bereitgestellt werden, wie es die Koalition kürzlich beschlossen hat.

(fpi)